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Vollständige Version anzeigen : Abgrenzung zwischen Schwert und Säbel in der europäischen Geschichte



gast
03-11-2020, 11:53
Da das Thema gerade in einem anderen Thread aufgetaucht ist:



Das Kanji für Katana (刀) wird meines Wissens nach für alle einseitig geschliffenen Waffen verwendet. Für beidseitig geschliffene Waffen wird Tsurugi (劍) verwendet, jeweils unabhängig von der Relation Klinge zu Angel.

PS: Ich nehm' die Quelle auch gerne per PN, ist ja schon sehr Offtopic...


Im Chinesischen bezeichnet 刀 den Säbel (dao) und 剣 das Schwert (jian).

Ich habe da jetzt nicht genaue Quellen bzw. Textstellen zur Hand, habe aber im Hinterkopf, dass das japanische Schwert schon länger/öfter durchaus auch als Säbel bezeichnet wurde.

Aber letztlich ist das ja wohl Definitionssache, die halt geeignet sein muss für das was man darlegen will. Sind ja keine platonischen Ideen.


Darauf wollte ich primär hinaus! Meines Wissens nach gibt es (und gab es) keine einheitliche Definition für "Säbel". Je nachdem, welche Aspekte man in die Definition aufnimmt, ist das Katana eine Art Säbel oder eben nicht. Die Bestimmtheit mit der Du der Säbel-Kategorisierung widersprochen hast, ist nach meinem Kenntnisstand nicht haltbar. Dies bestätigt sich ja auch in Deiner Quelle. Danke für die Info zur Klinge/Angel Relation, ein weiterer Aspekt, auf den ich zukünftig in Diskussionen achten muss.

Ich bin kein Spezialist auf dem Gebiet, aber für den chinesischen Kulturbereich ist die Definition historisch eigentlich ziemlich eindeutig belegt, und zwar genauso wie Tai Eule beschrieben hat. Sowohl Dao als auch Jian sind sehr früh belegt und haben sich als zwei klar voneinander zu unterscheidende Waffen entwickelt.

Für Japan scheint mir, dass es ursprüngliche beides gab, "Dao" (nur eine Schneide) sich aber irgendwann gegenüber dem "jian" (zwei Schneiden und einer Spitze) durchgesetzt hat und es mehr oder weniger komplett abgelöst hat, "jian" sich aber trotzdem als Begriff gehalten hat und es so zu einer Vermischung der Begriffe kam.

Ob im europäischen Sprachgebrauch analog zum chinesischen klar zwischen einer Waffe mit einer Schneide und einer mit zwei Schneiden unterschieden wird (ich dachte immer es wäre Säbel - Schwert) fänd ich eigentlich ganz interessant das vielleicht am Rande mal kurz zu klären

Schnueffler
03-11-2020, 12:01
Ich persönlich kenne es nur so, dass der Säbel eine "Sonderform" des Schwertes ist.
Schwert als Überbegriff für lange, geschliffene Hieb- und Stoßwaffen, egal ob einseitig oder beidseitig geschliffen, gerade oder gekrümmt und ob ein- oder beidhändig zu führen.
Säbel ist für mich die einseitig geschliffene und gekrümmte Version eines Schwertes, welcher einhändig zu führen ist.

P.S.: Könnte ein Mod den Titel korrigieren, von Schert zu Schwert?

DatOlli
03-11-2020, 13:16
Ich persönlich kenne es nur so, dass der Säbel eine "Sonderform" des Schwertes ist.
...


Dito, Oberbegriff Schwert. Ansonsten meine ich mich zu erinnern, dass die Sonderform Säbel aus der Reiterei entstanden ist, deshalb wohl auch die "Krümmung".

Liebe Grüße
DatOlli

gast
03-11-2020, 14:40
Sorry für die Rechtschreibung. Hatte nur den Text nochmal gelesen aber die Überschrift nicht mehr kontrolliert....

Unter Wiki und auch auf anderen Seiten wird es tatsächlich als Überbegriff beschrieben.

Wenn man sich aber umschaut im Netz unter Artikeln und Bildern die das Schwert behandeln fällt mir auf, dass unter Schwert eigentlich nur Klingenwaffen mit zwei Schneiden auftauchen, die eigentlich (fast) immer gerade zu sein scheinen.
Alles andere wird dann mit einem anderem Namen bezeichnet (Säbel, Degen).
Eine Waffe die als Schwert bezeichnet wird aber nur eine Schneide hat und gerade ist konnte ich jetzt auf Anhieb nicht finden.

Mal abgesehen von der theoretischen Definition würde das für den praktischen Gebrauch ja auf dasselbe hinauslaufen wie man es auch China kennt??

Hat das vielleicht historische Gründe, dass im europäischen Raum bis zur Einführung des Säbels einfach nur gerade Klingenwaffen mit zwei Schneiden in Gebrauch waren? In dem Moment wo ich die Klinge krümme macht es ja auch wenig Sinn sie noch auf zwei Seiten zu schleifen?? Die Idee hinter dem Gebrauch wird eine ganz andere.

Gast
03-11-2020, 15:27
Hier wäre auch noch an Messer - Dolch zu denken. Wobei es halt auch Kampfmesser mit zwei Schneiden gibt.

period
03-11-2020, 15:37
Ich sollte ja eigentlich arbeiten, aber dem Thema kann ich unmöglich wiederstehen :D

Aaalso, die Sache mit langen einschneidigen Klingenwaffen in Europa ist etwas komplexer. Einerseits gibt es ja schon der klassischen Antike das griechische Kopis – von der Klinge her fast ein Kukri – oder die dakische Falx – eine sichelartig gekrümmte Klinge in unterschiedlichen Ausführungen, z.T. auch beidhändig geführt. Wenn wir aber das Mittelalter als solches anschauen, dann gibt es einerseits das Sax in unterschiedlichen Varianten – mal eher im Bowie-Format, mal in Schwertlänge. Die Bowie-Formen sind vermutlich einerseits Allzweckwerkzeug und andererseits Nahkampfwaffen im Schildwall, die schwertartigen Formen scheinen für spezifische Anwendungen optimiert zu sein – aufgrund der Klingenform und Klingengeometrie würde ich einigen davon erhöhte Schneidfreudigkeit unterstellen, v.a. in Spitzennähe (leider hab ich keins, das ich testen könnte – ich sollte wohl auf patreon gehen oder so ;) Zudem gibt es in wikingischer Zeit zumindest einen einschneidigen Schwerttyp (in Hinblick auf die Griffkonstruktion, im Gegensatz zum Sax, das weder Knauf noch Parierstange hat), und immerhin ca. 26% der von Petersen erfassten wikingerzeitlichen Schwerter waren einschneidig (siehe http://www.vikingsword.com/petersen/ptsn089h.html) Andererseits gibt es im reiternomadischen Kontext – ich habs v.a. von den Magyaren im 9./10. Jh. im Kopf – einschneidige Reiterschwerter bzw. Säbel, die z.T. auch eine leicht gekrümmte Klinge aufweisen (falls es da einen spezifischen Begriff für gibt, ist mir der entweder nie untergekommen oder entfallen).

Im Hochmittelalter gibt es dann den Falchion in unterschiedlichen Varianten, die generell die schwertartige Griffkonstruktion mit Angel und Parierstange gemeinsam haben. Der Falchion hat im Gegensatz zu den typischen mittelalterlichen Schwertern eine für den Schnitt optimierte Klingengeometrie (Anmerkung: bei gleicher Klingendicke und –Breite kann eine einschneidige Klinge wesentlich schneidfreudiger geschliffen werden als eine zweischneidige, einfach weil der Schneidwinkel viel flacher gehalten werden kann); gelegentlich liest man, Falchions seien schwere, kopflastige Hiebschwerter gewesen, was aber so nicht generell haltbar ist. «Schnittschwerter» träfe es besser. Die übrigen europäischen Schwertformen werden im Hoch- und Spätmittelalter immer mehr auf die Doppelrolle Hieb und Stich optimiert und, was noch wichtiger ist, ihre Entwicklung läuft parallel zu der Entwicklung der Rüstungen. Es könnte Zufall sein, dass die ältesten mir bekannten Falchions in etwa zeitgleich mit den Kreuzzügen auftauchen, aber genausogut könnte es ein bewusster Optimierungsversuch auf die andersartigen Schutzwaffen sein, denen man in dem Kontext begegnet ist.
Spätestens im 15. Jh. gibt es dann einen neuen einschneidigen Klingenwaffentyp, das Lange Messer, das definitiv keine Reiterwaffe, sondern primär eine zivile Seitwaffe ist. Zu dem Zeitpunkt sind die Schwerter bereits so stark auf den gerüsteten Kampf optimiert, dass sie praktisch «untragbar» und im ungerüsteten Kontext auch alles andere als optimal sind. Stattdessen kommt mit dem Langen Messer eine Lösung auf, die sich bei Länge und Gewicht näher an einem Einhandschwert bewegt, aber eine schnittoptimierte Geometrie aufweist (wenn auch nicht so krass wie der Falchion – die meisten Langen Messer haben deutlich schmalere Klingen, was auch einfacher in der Herstellung ist), häufig mit einer kurzen Rückenschneide an der Spitze. Zudem ist die Griffkonstruktion anders, nämlich mit breitem, durchgehenden Erl und aufgenieteten Griffschalen, statt wie beim Schwert einer Angel und einem einteiligen, aufgesteckten Griff. Das Lange Messer ist eine enorm flinke und vielseitige Waffe, das Technikarsenal wird recht schnell mindestens so komplex wie mit dem zweischneidigen Schwert, wenn nicht noch komplexer. Dazu kommt, dass mit dem «Nagel» quasi «erstmals» in der europäischen Schwertgeschichte der Handschutz optimiert wird, sodass man auch ohne Schild oder (Panzer-)Handschuhe (!) sinnvoll fechten kann. Dazu kommt noch der rechtliche Aspekt: nach der mittelalterlichen Definition ist das Schwert zweischneidig und an bestimmte Restriktionen (je nach Zeit und Region Rittertum, Adel, aber auch städtische Führungsverbote) geknüpft. Das Lange Messer kann dagegen «frei» getragen werden, es ist also sowas wie das frühe Äquivalent des §42a konformen kleinen Fixed oder überlangen Zweihand-Klappmesser. In Folge dessen erfreut es sich im Kontext der immer selbstbewusster werdenden Stadtbewohner, aber auch im Vorfeld der Bauernaufstände einer wachsenden Beliebtheit.

Im 16. Jh. geht die Entwicklung dann erneut weiter, vermutlich stärker mit Einflüssen aus Tschechien, Ungarn, Polen usw. Zunächst tritt der Dussack als Trainingsmittel in Erscheinung, im Prinzip ein Langes Messer mit Knochenbügel als Handschutz (oft ist der Nagel noch da). Von dort ausgehend scheint der Säbel populär geworden zu sein, wo es ja in Polen, Ungarn usw. reiche Traditionen gibt, mit deren Geschichte ich mich im Einzelnen aber bisher weniger befasst habe. Evtl. spielen die diversen Türkenkriege auch noch eine Rolle in der Übernahme dieser Waffenform.

So, jetzt muss ich aber wirklich :D Es ist mir klar, dass das alles nur ein sehr grober Überblick war - gewissermassen ein Rundumschlag -, ich schreibe gerne bei Gelegenheit mehr dazu oder gebe Literaturhinweise. Wichtig ist bei der Entwicklung von Klingenwaffen aber m.E. primär die Frage «Was will ich damit in welchem Kontext (= auch gegen welches Ziel) machen». Dass die Techniken mit einschneidigen Klingenwaffen «simpler» wären als die mit zweischneidigen, kann man zumindest für den europäischen Raum so nicht sagen, es geht primär um andere Szenarien («horses for courses»). Die Herstellung einer guten einschneidigen Klinge ist ggf. auch nur auf den ersten Blick einfacher als die einer zweischneidigen, nachdem die spitzwinkligere Klingengeometrie andere Herausforderungen mit sich bringt, v.a. beim Härten.

Beste Grüsse
Period.

Pansapiens
03-11-2020, 15:41
Eine Waffe die als Schwert bezeichnet wird aber nur eine Schneide hat und gerade ist konnte ich jetzt auf Anhieb nicht finden.


ich konnte z.B. das hier finden:

Backsword (https://de.wikipedia.org/wiki/Backsword)




Hat das vielleicht historische Gründe, dass im europäischen Raum bis zur Einführung des Säbels einfach nur gerade Klingenwaffen mit zwei Schneiden in Gebrauch waren?


Nein, das ist IMO eher eine Falschannahme, siehe oben, oder

Falcata (https://de.wikipedia.org/wiki/Falcata)

Sax (https://de.wikipedia.org/wiki/Sax_(Waffe))


In dem Moment wo ich die Klinge krümme macht es ja auch wenig Sinn sie noch auf zwei Seiten zu schleifen?? Die Idee hinter dem Gebrauch wird eine ganz andere.

es gibt einseitig gekrümmte Klingen mit dem Schliff auf der konkaven Seite, solche auf der konvexen Seite und zumindest außerhalb von Europa auch welche, die auf beiden Seiten geschliffen waren.

Schau mal hier unter

Zentralafrikanische Sichelwaffen (https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralafrikanische_Sichelwaffe#%2Fmedia%2FDatei%3 AHutu.jpg)

das hier war sogar auf drei Seiten geschliffen:

Konda-Schwert (https://de.wikipedia.org/wiki/Konda-Schwert#/media/Datei:Congolese_weapons_-_Higgins_Armory_Museum_-_DSC05510.JPG)

Die Menschen waren wohl schon immer sehr kreativ, wenn es darum ging, Werkzeuge herzustellen, sich gegenseitig abzumurksen...
hier eine Übersicht zum Weiterstöbern:

Liste der Schwerttypen (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Schwerttypen)

Edit: period hat inzwischen schon fundierter und ausführlicher gepostet...

ryoma
03-11-2020, 15:42
...
Hat das vielleicht historische Gründe, dass im europäischen Raum bis zur Einführung des Säbels einfach nur gerade Klingenwaffen mit zwei Schneiden in Gebrauch waren? In dem Moment wo ich die Klinge krümme macht es ja auch wenig Sinn sie noch auf zwei Seiten zu schleifen?? Die Idee hinter dem Gebrauch wird eine ganz andere.

Der arabische Raum (Naher Osten) hat noch eher eine Tradition von gekrümmten Hiebwaffen. Wie lauten da die Bezeichnungen?

Huangshan
03-11-2020, 15:47
Hat das vielleicht historische Gründe, dass im europäischen Raum bis zur Einführung des Säbels einfach nur gerade Klingenwaffen mit zwei Schneiden in Gebrauch waren?

Es gab auch Blankwaffen mit einer Schneide siehe Makhaira, Kopis,Sax,Langes Messer,Falchion,Dussack etc.

Der Säbel soll im Spätmittelalter als das Rittertum seine Bedeutung verlor aus Osteuropa,Südosteuropa in andere europäische Länder langsam Einzug gehalten haben und Säbel Formen,Arten wurden von den Tataren,Türken,Magyaren,Völkern aus dem Kaukasus,Persern übernommen.

Die deutsche Bezeichnung Säbel soll aus dem polnischen(szabla) oder ungarischen(szablya) stammen.

PS: period war schneller und ausführlicher.;)

gast
03-11-2020, 16:35
Danke für die Antworten! Vor allem @Period für die Mühe.

Hätte nicht gedacht, dass das Thema so komplex ist. Beim Link mit der Schwertliste von Pansapiens sieht man ja auch gleich, wie eindeutig und überschaubar dort die Terminologie im Chinesischen ist.

Huangshan
03-11-2020, 17:06
Im 16. Jh. geht die Entwicklung dann erneut weiter, vermutlich stärker mit Einflüssen aus Tschechien, Ungarn, Polen usw. Zunächst tritt der Dussack als Trainingsmittel in Erscheinung, im Prinzip ein Langes Messer mit Knochenbügel als Handschutz (oft ist der Nagel noch da). Von dort ausgehend scheint der Säbel populär geworden zu sein, wo es ja in Polen, Ungarn usw. reiche Traditionen gibt, mit deren Geschichte ich mich im Einzelnen aber bisher weniger befasst habe. Evtl. spielen die diversen Türkenkriege auch noch eine Rolle in der Übernahme dieser Waffenform.
Ergänzend:
Die ostslavischen Völker und Völker aus dem Balkan haben laut einiger Publikationen zum Thema Säbel, zuerst den Säbel als Waffe übernommen, da sie aus Kriegen mit den Mongolen,Tataren,Türken ... u.a. diese Waffe übernahmen.(Kriegsbeute,Anpassung,Strategie etc.)

Die Polen haben später, ende des XV Jh. den Säbel(szabla) von seinen Nachbarn und einfallenden Feinden(Tataren,Türken...) übernommen und angepasst .(siehe: Hussaria(Flügel Husaren),Pancerni)

T. Stoeppler
03-11-2020, 17:46
Man kann kurz noch dazu aufgreifen, dass die Termini Schwert und Säbel auch ab und zu vermischt wurden. Ein Pallasch ist eine säbelförmige Reiterwaffe heisst im Wortsinn aber auch "Schwert". Ansonsten hat Period eigentlich alles geschrieben, insbesondere auch, dass das lange Messer fechterisch eine anspruchsvolle Waffe darstellt (frei nach 3772a Das Fechten mit dem Schwert kommt von dem (langen) Messer). Säbelfechttechnik ist konstruktionsbedingt etwas anders, es gibt z.B. sehr wenig Arbeit an der Bindung, verglichen mit dem langen Schwert.

Gruß, Thomas

kanken
03-11-2020, 18:56
Säbelfechttechnik ist konstruktionsbedingt etwas anders, es gibt z.B. sehr wenig Arbeit an der Bindung, verglichen mit dem langen Schwert.

Das gilt nicht für den chinesischen Säbel (Dao) da ist extrem viel Arbeit in der Bindung. Die hatten aber auch nicht eine so starke Krümmung wie einige europäische Varianten.

period
04-11-2020, 17:19
Die meisten einhändig geführten Dao-Formen, die ich gesehen habe, würden mit einem anderen Griff auch gut und gerne als Lange Messer durchgehen. Einige, z.B. das, was als "Nandao" läuft oder die hier rechts oben abgebildete Form https://en.wikipedia.org/wiki/Dao_(sword)#/media/File:%E5%AE%8B%E4%BB%A3%E5%88%80%E5%85%AB%E8%89%B2 %E8%88%87%E6%98%8E%E4%BB%A3%E5%88%80%E5%99%A8.png wären dagegen typologisch näher an einem Falchion. Nun ist eine ähnliche Form noch kein eindeutiges Argument dafür, das etwas gleich verwendet wird (insbesondere, wenn man Balancepunkt und Klingengeometrie nicht kennt), aber es ist dennoch ein gewisser Indikator für die Annahme, dass es da bestimmte Parallelen geben könnte. Form follows function, and function follows form...

Beste Grüsse
Period.

kanken
04-11-2020, 18:37
In der Tat gibt es bei den Anwendungen durchaus Ähnlichkeiten zu den überlieferten Texten zum langen Messer, aber man muss gut aufpassen, da es auch bei den Daos unterschiedliche Typen gab, die man entweder an Hand der Krümmung unterscheiden kann, oder an Hand der Klingenform.

Wir haben uns welche von einem ungarischen Schmied für das Vollkontakttraining anfertigen lassen, die dem Liuyedao (willow leaf sabre) von Ihrer Balance und ihrem Percussion point entsprechen:

46040

Das war in der Ming und Qing Dynastie die am weitesten verbreitete Form und selbst da gibt es noch sehr viele Untervarianten.

Spannend ist dann sich anzugucken wie sich die Anwendungen leicht in ihrer Ausführung verändern, je nachdem was für eine Klingenvariante man wählt.
Da sieht man dann sehr schön welche Art Schwert für welche Art Anwender und welche Art der Anwendung gedacht war.

Gerade das Spiel mit der Klingenspitze und wie das durch die Körperarbeit erreicht wird ist da extrem spannend (und weißt interessante Ähnlichkeiten zu Lecküchner auf).
Wobei ich da aber ganz beider bin: Das gleiche Werkzeug wird überall ähnlich benutzt.

period
04-11-2020, 20:13
Auf dem Foto wirkts so, als ob die Krümmung des Rückens relativ nah an der Parierscheibe ansetzt, wenn mans mit einem typischen Langen Messer vergleicht - wäre eher häufiger zB. bei einem Schweizer Säbel des 16. Jh. oder einem Dussack. Das ist aber auch die Crux bei der Sache - typologisch wirft man immer eine Reihe von Varianten zusammen in einen Topf, und wenn man die Darstellungen (und noch mehr die Bodenfunde, soweit eben greifbar) anschaut, dann gibt es zig Varianten, zum Teil auch ziemlich absonderliche, die sich aber nicht alle separat in den Fechtanleitungen wiederspiegeln. Zum Falchion z.B. können wir nur raten (wenn auch aufgrund von unterschiedlichen Vergleichen mehr oder weniger qualifiziert), und da sprechen wir von der klassischen Form, nicht den abenteuerlichen Varianten aus der Maciejowski-Bibel...

Beste Grüsse
Period.

kanken
04-11-2020, 21:08
Gute Augen :D

Das Yanmaodao/Yanlingdao:

https://mandarinmansion.com/sites/default/files/inline-images/yanmaodao.png

ist die Form des Dao, die am ehesten dem langen Messer entspricht. Auch die Fangshi Montur des Griffes entspricht eher dem Messer als die yuanshi Montur von unserem liuyedao.

Wir haben uns jedoch sehr bewusst für den Willow leaf sabre entschieden, da seine Form mit unserer Körperarbeit und unseren Ideen am meisten harmonisiert.

period
04-11-2020, 21:14
Gute Augen :D

Dinge genau anschauen ist ein wichtiger Teil meines Berufs ;)

Beste Grüsse
Period.

Linus - The Boxer
04-11-2020, 21:15
Ich sollte ja eigentlich arbeiten, aber dem Thema kann ich unmöglich wiederstehen :D
.....
Beste Grüsse
Period.

Wieso weißt du das alles :ups: :klatsch:

period
04-11-2020, 21:21
Wieso weißt du das alles :ups: :klatsch:

Auch das sehe ich als Teil meines Berufs - meine Chefin vielleicht nicht in dem gleichen Masse, aber meine Studis findens cool :D Dazu kommt, dass meine Freundin Trainerin im historischen Fechten ist und wir mehr als nur eine Wand mit Blankwaffen behängen könnten ;)

Beste Grüsse
Period.

Schnueffler
04-11-2020, 21:21
Wieso weißt du das alles :ups: :klatsch:

Es gibt halt Freaks, denen man gerne zuhört!

period
04-11-2020, 21:25
Es gibt halt Freaks, denen man gerne zuhört!

Danke, das nehme ich als Kompliment ;)

Beste Grüsse
Period.

Schnueffler
04-11-2020, 21:34
Danke, das nehme ich als Kompliment ;)

Beste Grüsse
Period.

So war das auch gemeint!

ThomasL
05-11-2020, 11:21
Periode.
die schwertartigen Formen scheinen für spezifische Anwendungen optimiert zu sein – aufgrund der Klingenform und Klingengeometrie würde ich einigen davon erhöhte Schneidfreudigkeit unterstellen, v.a. in Spitzennähe

Ich habe so eines von dem ich aber nicht genau weiß wie „originalgetreue“ es ist. Auf alle Fälle schneidet dies hervorragend und lässt sich im Schnitt auch sehr präzise (Schneidenausrichtung) führen. Gefühlt würde ich sagen besser als die „Wikingerschwerter“ (recht gute Nachbauten) mit denen ich bisher Schnitttests gemacht habe.

Gast
05-11-2020, 14:34
Für Japan scheint mir, dass es ursprüngliche beides gab, "Dao" (nur eine Schneide) sich aber irgendwann gegenüber dem "jian" (zwei Schneiden und einer Spitze) durchgesetzt hat und es mehr oder weniger komplett abgelöst hat, "jian" sich aber trotzdem als Begriff gehalten hat und es so zu einer Vermischung der Begriffe kam.


Bis zm 9. Jhd. ungefähr waren die Schwerter in Japan jedenfalls gerade und hießen Tsurugi oder Chokuto, es gab sie aber sowohl mit zwei Schneiden, aber es gab auch welche mit nur einer Schneide (hira-zukuri).
Es gab tsurugi-tachi, die auf einer Seite vollständig, auf der anderen Seite nur im Bereich der Spitze geschärft waren (shinogi zukuri).
Das Shichiseiken aus der Asuka-Periode ist ein Beispiel für ein gerades, einschneidiges Schwert.
Das Kusanagi-Schwert odere Kusanagi no Ttsurugi, eines der drei Kaiserlichen Thron-Insignien, ist ein gerades, zweischneidiges Schwert.
Nachtrag:
Kissaki-moroha zukuri Schneiden sind ebenfalls im Bereich der Kissaki zweiseitig geschliffen, sind aber bereits leicht gekrümmt.
Es gab also einen Übergang mit verschiedenen Typen, von gerade über leicht gekrümmt bis stärker gekrümmt, und das Ganze in verschiedenen Längen.

OliverJ
05-11-2020, 18:33
Wenn es nur um die reine Definition von Säbel geht, dann ist, nachdem der Begriff in Europa gängig war, das Alleinstellungsmerkmal eine gekrümmte Klinge.

Um bei Period anzuknüpfen:
ab dem 17. aber besonders im 18/19. Jh. trennte sich die Fechtausbildung in Hiebfechten und Stoßfechten (und später wieder in kombiniertes Hieb- und Stoßfechten).
Dahingehend waren auch die Waffen aufgeteilt.
Es gab Waffen die mehr dem Stoßfechten zuzuordnen waren, das war in Deutschland der Degen (wahrscheinlich von Tegen (Dolch). Also eine lange und zum stoßen gedacht Waffe) in anderen Ländern ist die Bezeichnung aber weiterhin "Schwert" also z.B. spada, epée, espada, sword (Smallsword/Backsword...). Diese waren gerade und daher entweder zweischneidig oder aber fast nur spitz und ein wenig angeschliffen.

Der Säbel war krumm und der Hauptvertreter fürs Hiebfechten, weil er je nach Krümmung nicht mehr gut zum ordentlichen Stoßfechten (abgesehen von einigen unvorhersehbaren Winkelstößen natürlich ;-) ) geieignet war [später gab es auch Systeme zum Hau- und Stoßfechten, die den Säbel als ihre Waffe auserkoren hatten, diese waren aber deutlich gerade].

Und dann gab es da noch diverse andere Waffen, z.B. den oben erwähnten Pallasch, der zwar grade war, aber eine Säbelklinge mit versärktem Rücken aufweißt und daher nur eine Schneide besaß. Es gab den Haudegen, der ein Degen war, der aber schwerer und mit einer breiterer Klinge ausgestattet war um eben beim hauen auch schaden anzurichten. Es gibt dafür keine 100% Definitionen, man kann aber eine deutliche Linie erkennen. Manchmal machte man das auch am Gefäß fest. Eine Hiebklinge mit einem Degengefäß war demnach ein Haudegen, hatte sie eine gerade Säbelklinge war sie ein Pallasch oder Kavalleriedegen etc.
Allerdings war eine krumme Klinge immer ein Säbel (oder sie trug eine regionale Bezeichnung, wurde aber akademisch auch als Säbel bezeichnet, weil sie eben krumm war.

In Büchern und Zeitungsartikeln des 19. Jh. war übrigens meist auch die Rede vom japanischen Säbel ;-)

gast
05-11-2020, 19:40
Danke für die tollen und informativen Beiträge!


Was mich immer noch wundert, wo die beiden Kulturbereiche China und Japan so nah beieinander liegen und das ganze Schriftsystem von den Chinesen übernommen wurde, dass in Japan wie es aussieht nicht wie in China so klar zwischen Jian (gerade zweischneidig) und Dao (einschneidig) unterschieden wurde.... Gibt es da irgendwelche Gründe? Gerade Japan ist doch eigentlich sehr bekannt für Genauigkeit,Wertschätzung, Tradition usw. oder?

Huangshan
06-11-2020, 09:21
beniwitt .
Will keine Romane schreiben , also kurz :

Die chinesische Kultur hat wie die griechische/römische Kultur in Europa einige Länder in Ostasien/Asien beeinflusst wurde aber auch von anderen beeinflusst.

Die Japaner übernahmen vieles aus China, was aber Blankwaffen betrifft modifizierten und passten sie sie an ihre Bedürfnisse an.

In der Ming Dynastie überfielen japanisch/chinesische Piratenbanden(倭寇 Wōkòu) die chinesischen,koreanischen Küsten.

Einige der Piraten waren Ronin, die mit diversen Klingenwaffen z.B. ōdachi (大太刀) nodachi (野太刀 etc. kämpften.
Chinesische Ming Militärs übernahmen dann diese Waffen und passten sie wiederum an ,siehe wogundao (倭滾刀)wodao ( 倭刀),changdao (长刀/ 長刀) und später das miaodao (苗刀)

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/1/1d/Longsabre.jpg/440px-Longsabre.jpg


PS:siehe General Qi Jiguang ( 戚繼光 / 戚继光) und sein Werk https://en.wikipedia.org/wiki/Jixiao_Xinshu und das koreanische Muyejebo https://en.wikipedia.org/wiki/Muyejebo.

Habe einige orginal Waffen aus der Zeit in Museen in den Zhejiang und Jiangsu Provinzen in China gesehen.

gast
06-11-2020, 09:59
Heisst das, dass diese Form des Schwertes, also das jap. „Dao“ sozusagen seinen Weg von Japan nach China gefunden hat?

Huangshan
06-11-2020, 10:12
Jaein:

In der Tang Dynastie 唐朝 (618 – 907)gab es bereits in China solche ähnlichen Waffen.
Einige chin. Blankwaffen wurden von den Japanern übernommen und modifiziert.(Kulturaustausch)
In China gerieten diese lang Säbel in Vergessenheit und wurden wieder in der Ming Dynastie 明朝 (1368 – 1644) durch Übernahme japanischer Muster hergestellt.

Münsterländer
06-11-2020, 10:15
Heisst das, dass diese Form des Schwertes, also das jap. „Dao“ sozusagen seinen Weg von Japan nach China gefunden hat?

soweit ich weiß, kommt das chinesische Dao vom mongolischen Reitersäbel. ne bessere Quelle als Wikipedia hab ich dafür aber grad nicht zur Hand. Kann das jemand mit fundierteren Quellen belegen?
Nebenbei: Sollte es hier nicht eigentlich um Europa gehen?
just saying:devil:

Grüße

Münsterländer

gast
06-11-2020, 10:18
Verstehe was du meinst. Hatte mich gewundert weil man ziemlich schnell auf Schwertexemplare trifft, die zumindest vom Namen her in Japan als „Tangdao“, also chin. Schwert bezeichnet werden.
Aber tatsächlich, wo man reinliest überall die Betonung, dass in Japan nicht zwischen Dao und Jian wie in China unterschieden wird.

gast
06-11-2020, 10:24
soweit ich weiß, kommt das chinesische Dao vom mongolischen Reitersäbel. ne bessere Quelle als Wikipedia hab ich dafür aber grad nicht zur Hand. Kann das jemand mit fundierteren Quellen belegen?
Nebenbei: Sollte es hier nicht eigentlich um Europa gehen?
just saying:devil:

Grüße

Münsterländer

Mir ging es ursprünglich nur um die Abgrenzung in unserer Sprache, da ich mich nie mit Waffen im europäischen Kontext auseinandergesetzt hatte und mich von China kommend eben über die „Wiedersprüche“ in der Bezeichnung wunderte. Das hat sich jetzt aber sehr deutlich geklärt. Hätte diesen Thread aber vielleicht im Unterforum für Waffen posten sollen. In Japan haben sie ja offensichtlich auch nicht diese klare Trennung und Klassifizierung angewendet. Fände es trotzdem noch spannend ob es irgendeinen guten Grund gibt, warum das in Japan nicht so übernommen wurde mit der Sprache.

Huangshan
06-11-2020, 10:25
Münsterländer:

soweit ich weiß, kommt das chinesische Dao vom mongolischen Reitersäbel.
Um die Brücke nach Europa zu schlagen.(Eurasien) ;)

Einige Dao (Säbel Formen) wurden in China von den nomadischen Reitervölkern übernommen.

Ähnliches geschah auch in Europa siehe (Tataren,Mongolen,Maygaren,Türken etc.).


Gruss von einem ehemaligen Münsteraner .

Thomas

kanken
06-11-2020, 10:52
Die ersten Dao kamen in der Han Zeit (200 v. Chr.) auf und sahen ungefähr so aus:

https://lkchensword.com/shop/ols/products/royal-arsenal-han-dao

In der Song Zeit (900-1200 n. Chr.) tauchten dann, wahrscheinlich beeinflusst durch die Steppenvölker, die ersten gekrümmten Dao auf, es gab da aber auch welche die wie ein Falchion aussahen:

46057

gast
06-11-2020, 11:34
Die ersten Dao kamen in der Han Zeit (200 v. Chr.) auf und sahen ungefähr so aus:

Bist Du Dir da sicher??

Münsterländer
06-11-2020, 11:45
Bist Du Dir da sicher??

zumindest die englische Pedia bestätigt dies:
"the dao became popular with cavalry during the Han dynasty"
"Soon after dao began to be issued to infantry, beginning the replacement of the jian as a standard-issue weapon"
"Late Han dynasty dao had round grips and ring-shaped pommels, and ranged between 85 and 114 centimeters in length. These weapons were used alongside rectangular shields"

Quellen
Tom, Philip M. W. (2001), "Some Notable Sabers of the Qing Dynasty at the Metropolitan Museum of Art"
Graff, David A. (2002), Medieval Chinese Warfare, 300-900
Lorge, Peter A. (2011), Chinese Martial Arts: From Antiquity to the Twenty-First Century


es ist dort auch die Rede von einem noch früheren "dao", aber das sah wohl noch deutlich anders aus.
"The earliest dao date from the Shang Dynasty in China's Bronze Age, and are known as zhibeidao (直背刀) – straight backed knives"

Grüße

Münsterländer

gast
06-11-2020, 12:30
Wiki hatte ich auch gelesen
und lese klar heraus, dass die ersten Dao nicht erst in der Han Zeit aufkamen, sondern in der Hanzeit populär wurden (populärer als das Jian)
Und dass das frühe Dao einfach einen gerade Rücken hatte mit einer Schneide. Weiss nicht was da so deutlich anders sein soll? In der Songzeit begann damit den Rücken deutlich zu krümmen.

Münsterländer
06-11-2020, 12:34
Wiki hatte ich auch gelesen
und lese klar heraus, dass die ersten Dao nicht erst in der Han Zeit aufkamen, sondern in der Hanzeit populär wurden (populärer als das Jian)
Und dass das frühe Dao einfach einen gerade Rücken hatte mit einer Schneide. Weiss nicht was da so deutlich anders sein soll? In der Songzeit begann damit den Rücken deutlich zu krümmen.

also, ich war jetzt davon ausgegangen, dass die Dao aus der Bronzezeit schon allein materialbedingt kürzer und damit wirklich noch eher Messer als Säbel waren.
Aber ich gebe zu, das ist eine Interpretation von mir:)

Grüße

Münsterländer

gast
06-11-2020, 12:44
Originally bronze, these weapons were made of iron or steel by the time of the late Warring States period as metallurgical knowledge became sufficiently advanced to control the carbon content. Originally less common as a military weapon than the jian – the straight, double-edged blade of China – the dao became popular with cavalry during the Han dynasty
Dao (https://en.m.wikipedia.org/wiki/Dao_(sword))

zwischen Shang und Han waren nochmal gut 1000 Jahre Entwicklung

kanken
06-11-2020, 12:55
Es gab früher natürlich auch schon einseitig geschliffene Klingen, auch schon zur Bronzezeit, das stimmt.

Von „klassischen“ Dao spricht man jedoch i.d.R. erst ab der Han Zeit, wobei die Dinger vorher mit Sicherheit auch so bezeichnet wurden.