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Vollständige Version anzeigen : Aikido - Atemi gegen Vitalpunkte?



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Aiki50+
06-02-2017, 20:27
Für dieses Thema wollte ich keinen reißerischen Titel wählen, aber ich muss noch mal bei dieser für mich erstaunlichen Aussage von Carstenm nachfragen und nachhaken :ups::



Im aikidô, wie ich es kennengelernt habe, sind Angriffe gegen die Augen und gegen die Genitalien ganz "normale", unspektakuläre Bestandeile. Und während wir den Angriff gegen den Kehlkopf auch ganz fröhlich üben, höre ich KM Instructoren, die das gerade nicht tun, weil es im Rahmen des Notwehrparagraphen wohl zu Schwierigkeiten führen würde ...

Ich nehme mal an, dass damit Atemi, die Nage ausführt, gemeint sind und keine Angriffe von Uke außerhalb des üblichen Kanons von Angriffsformen, oder? Ich kenne Atemi nur als Bestandteil von Uchi-Kaiten-Nage (gegen Gyakuhanmi Katatedori) und als Signal, wen man sich als Nage oder Uke falsch positioniert hat und damit gegen Schläge oder Tritte geöffnet hat; aber niemals mit der Intention, den Partner wirklich empfindlich zu treffen oder gar verletzen zu wollen.

Was ich zu KM geschrieben habe, gilt dann natürlich auch für Aikido. Wenn es zur Praxis des fortgeschrittenen Aikido gehört, seinen Gegner oder gar Trainingspartner in die Augen zu stechen oder zum Kehlkopf zu schlagen oder dass zu üben, dann möchte ich auch kein Aikido mehr praktizieren - bzw. die Stufe erreichen wollen, ab der so was geübt wird.

Aber so was habe ich in keinem Dojo, wo ich trainiert habe erfahren und noch auf keiner Vorführung oder auf einem Video gesehen. Oder gehört das zum "Ura"-Teil von Aikido? Wenn es so was gibt, in welchen Stilrichtungen wird das praktiziert? Wird das auch im Hombu-Dojo so gelehrt und geübt?

Luggage
06-02-2017, 20:59
Ich glaube da gibts irgendwo einen Generationenkonflikt: Was ein kriegserprobter Samurai, der schon echte Menschen mit Schwertern aufgeschlitzt hat für friedlich und gewaltarm hält, ist womöglich nicht dasselbe, was der heutige Wohlstandswestler darunter versteht. Es mag damals schon sehr zuvorkommend gewesen zu sein, nur händisch Vitalpunkte anzugreifen und dabei das Schwert stecken zu lassen... Man darf nicht vergessen, dass jeder noch so harmlos erscheinende Aikidowurf auf Asphalt mit ungeübtem und unvorbereitetem Gegner durchaus tödlich sein kann, wenns dumm läuft (bzw. fällt).

Dazu kommt ein mE. wichtiger Aspekt: Verzichten setzt Können voraus - nur wer Gewalt auszuüben in der Lage ist, kann bewusst zugunsten seines irregeleiteten Gegners auch darauf verzichten.

washi-te
06-02-2017, 21:43
Dazu kommt ein mE. wichtiger Aspekt: Verzichten setzt Können voraus - nur wer Gewalt auszuüben in der Lage ist, kann bewusst zugunsten seines irregeleiteten Gegners auch darauf verzichten.

Der ist klasse, den will ich mir merken. :d

Gast
06-02-2017, 22:52
Oder gehört das zum "Ura"-Teil von Aikido? Wenn es so was gibt, in welchen Stilrichtungen wird das praktiziert? Wird das auch im Hombu-Dojo so gelehrt und geübt?

Es gibt im Aikido keinen Ura- Teil.
Mag sein, das einzelne Lehrer so was zeigen, mir ist das noch nicht begegnet, dass auf der Matte so was geübt wird. Wie soll man auch üben die Augen zu treffen?
Anwendung auf der Straße ist was anderes.

Gast
07-02-2017, 08:47
Ich kenne Atemi nur als Bestandteil von Uchi-Kaiten-Nage (gegen Gyakuhanmi Katatedori)

Naja, Atemi kommen in fast allen Techniken vor, nicht nur in deinem genannten Beispiel.
Eingangsbewegungen werden fast immer von Atemi begleitet, Ikkyo wird normalerweise von einem Atemi zum Gesicht eingeleitet, etc.
Es gibt ein Video von Saito Sensei, in dem er ein paar Sachen zeigt.

Gast
07-02-2017, 13:00
Gerade in dem von dir verlinkten Hikitsuchi Video (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f43/kampfsportart-ohne-schl-ge-kopf-181756/index2.html#post3558968) sieht man doch eine ganze Menge Atemi.
Verstehe nicht warum dass bei euch "Tabu" ist, es ist essenzieller Bestandteil des Aikido.
Wo trainierst du?

Aiki50+
07-02-2017, 22:38
Naja, Atemi kommen in fast allen Techniken vor, nicht nur in deinem genannten Beispiel.
Eingangsbewegungen werden fast immer von Atemi begleitet,


Ich hätte besser schreiben sollen: bisher habe ich Atemi nur als Bestandteil von Uchi-Kaiten-Nage (gegen Gyakuhanmi Katatedori) geübt. Natürlich zeigen meine Lehrer auch Atemi bei anderen Techniken, nur ist das eben kein Übungsinhalt zum Nachmachen, jedenfalls nicht in den für Anfänger geeigneten Trainingseinheiten.


Ikkyo wird normalerweise von einem Atemi zum Gesicht eingeleitet, etc. Verstehe nicht warum dass bei euch "Tabu" ist, es ist essenzieller Bestandteil des Aikido.

Vor ein paar Monaten hatte ich tatsächlich mal aus Versehen einen Ikkyo Omote gegen Aihanmi Katatedori als Atemi ins Gesicht eingeleitet, und zwar gegen einen Brille tragenden Hakama-Träger und dafür ziemlich böse Blicke geerntet - und es war mir auch ziemlich peinlich. Da ich bei den anderen Schülern auch keine Atemis sehe, ist es deswegen für mich als Anfänger und Neuling in dem Dojo tabu.


Gerade in dem von dir verlinkten Hikitsuchi Video (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f43/kampfsportart-ohne-schl-ge-kopf-181756/index2.html#post3558968) sieht man doch eine ganze Menge Atemi.Ich habe mir die verlinkte Szene aus dem Hikitsuchi-Video als Illustration von Sokumen-Irimi-Nage gemerkt. Die Kuschelvariante ab 13:30 wird selbst mit Einsteigern in der Probestunde geübt, in einer realen Auseinandersetzung würde der aber in meiner Vorstellung wie in 12:50-13:30 aussehen - in dem Fall ist der Sokumen-Iriminage ein Atemi. Das ist ja auch Hikitsuchis klare Ansage: "In order to have a training I let him grab me."

Captain Kürbis
08-02-2017, 08:19
Ich kenne Atemi nur als Bestandteil von Uchi-Kaiten-Nage (gegen Gyakuhanmi Katatedori) und als Signal, wen man sich als Nage oder Uke falsch positioniert hat und damit gegen Schläge oder Tritte geöffnet hat; aber niemals mit der Intention, den Partner wirklich empfindlich zu treffen oder gar verletzen zu wollen.
(...)
Wenn es so was gibt, in welchen Stilrichtungen wird das praktiziert? Wird das auch im Hombu-Dojo so gelehrt und geübt?

Ich glaube es gibt im Aikido nicht den Umgang mit Atemi. Wenn du dir manche Schüler/-innen von Nishio Sensei anschaust gehen die ganz anders mit Atemi um als z.B. Ki-Aikido-Praktizierende. Nichts desto trotz verstehe ich eines bei dir nicht, wenn Atemi ein Signal für Uke sein soll (dort wo ich übe soll es auch häufig eine Reaktion provozieren, z. B. die zweite Hand zu beschäftigen die nicht gegriffen hat, vor allem bei Gyakuhamni wenn Nage zur Innenseite eintritt) dann muss es doch auch im Falle des Treffens einen Effekt haben, da Uke sich ja ansonsten nicht bewegen muss. Oder verstehe ich den Begriff "Signal" von dir an dieser Stelle falsch?

Was mich aber immer wieder überrascht, ohne hier jetzt jemanden zu nahe treten zu wollen, ist der vehemente Unwillen vieler Aikidoka Uke auch nur hypothetisch zu verletzen.

Gast
08-02-2017, 09:34
nur ist das eben kein Übungsinhalt zum Nachmachen, jedenfalls nicht in den für Anfänger geeigneten Trainingseinheiten.


Wie lange ist man denn bei euch Anfänger?
Generell sollte man aber üben was ein Lehrer zeigt, bzw. ein Lehrer sollte auch genau das zeigen was geübt werden soll.
Warum Atemi für Anfänger kein Übungsinhalt sein soll, ist mir aber ein Rätsel.
Darf man fragen in welchem Verband du trainierst?

Antikörper
08-02-2017, 10:13
Vor ein paar Monaten hatte ich tatsächlich mal aus Versehen einen Ikkyo Omote gegen Aihanmi Katatedori als Atemi ins Gesicht eingeleitet, und zwar gegen einen Brille tragenden Hakama-Träger und dafür ziemlich böse Blicke geerntet - und es war mir auch ziemlich peinlich.

Meine Güte... soll er die Brille halt runter tun.

Wie man eine "Kampf"kunst dermaßen verstümmeln und weich spülen kann... er hat mich im Gesicht berührt... ohweh!

karate_Fan
08-02-2017, 12:41
Also mein Interesse an Aikido ist mehr theoretischer Natur, da ich Ueshiba Morihei and viele andere Aikido Lehrer für interssanten Persönlichkeiten halte.

Mein praktisches Interesse an Aikido ist nicht so groß, daher könnte ich das auch falsch verstanden haben und weiß auch nicht ob sich das noch auf dem heutigen Trainingsalltag 1:1 übertragen lässt.

Aber soll Ueshiba nicht mal gesagt haben, das Aikido Atemi und Irimi sei.

Wenn das Zitat stimmt, dann sollte die Frage ob Atemi zum Aikido gehören oder nicht eigentlich beantwort sein..

Die Umsetzung im heutigen Trainingsalltag ist natürlich ne andere Frage. Das ist ein Feld von dem ich nichts weiß, hab noch nie ne Aikido Schule von innnen gesehen. Das können aktive Aikidoka besser beantworten.

ryoma
08-02-2017, 14:23
Meine Güte... soll er die Brille halt runter tun.
Wie man eine "Kampf"kunst dermaßen verstümmeln und weich spülen kann... er hat mich im Gesicht berührt... ohweh!

Bei solch einer Reaktion kann man sich schon fragen, was diese Leute in einem Dôjô tatsächlich suchen (und zu finden glauben). Zumal besagter Herr sogar "Hakama-Träger" war, was im Aikidô-Universum ja zumindest einen Fortgeschrittenen-Status bzw. Dan-Grad bedeutet.
Wahrscheinlich war er einfach nur angepisst, weil er es nicht kommen sah... :D

Captain Kürbis
08-02-2017, 16:04
Bei solch einer Reaktion kann man sich schon fragen, was diese Leute in einem Dôjô tatsächlich suchen (und zu finden glauben).

Naja, es ist ja gerade im Aikido keine Seltenheit das man dem anderen bloß nicht weh tun möchte und sich auch einbildet eine physische Auseinandersetzung bestreiten zu können ohne den Gegner zu verletzen. Mich überrascht so eine Rektion gar nicht. Auch der TE hat seine Haltung zu dem Thema ja deutlich gemacht. Vielleicht ist das in seinem Dojo einfach so, dass jegliche Form von physischem Unwohlsein als negativ empfunden wird. Ich will damit natürlich nicht sagen dass man Uke immer voll eins auf die Zwölf geben soll, dass es auch richtig scheppert, aber diese Grundhaltung ist mir sehr fremd.

Gast
08-02-2017, 16:11
Zumal besagter Herr sogar "Hakama-Träger" war, was im Aikidô-Universum ja zumindest einen Fortgeschrittenen-Status bzw. Dan-Grad bedeutet.


Darauf kannst du dich heute nicht mehr verlassen, da in einigen Verbänden schon ab 2. der 1. Kyu Hakama getragen werden dürfen.
Und selbst was Dan-Grade angeht habe ich schon erhebliche Level-Unterschiede gesehen.



Wenn das Zitat stimmt, dann sollte die Frage ob Atemi zum Aikido gehören oder nicht eigentlich beantwort sein.


Naja, das Thema kommt ja immer wieder regelmäßig auf.
Fakt ist, alle Lehrer die bei Ueshiba trainiert haben, unterrichten Atemi, oder haben sie unterrichtet (viele gibt es ja leider nicht mehr).

Aiki50+
08-02-2017, 17:18
Ich hatte in früheren Beiträgen immer wieder geschrieben, dass ich Aikido vor einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen wieder angefangen habe und nicht weil ich "kämpfen können" lernen wollte. Aber das ist meine persönliche Interpretation und hat nichts mit einem bestimmten Aikido-Verband zu tun. Die Erinnerung an 13 Monate erfolgreicher Physiotherapie wird ja bleiben.


Wie lange ist man denn bei euch Anfänger?
Generell sollte man aber üben was ein Lehrer zeigt.
Ich denke mal, solange man keine Kyu-Graduierung hat, zählt man überall als Anfänger.

Aus den Beiträgen und Reaktionen der hier vertretenen Aikidoka und Aikido-Lehrer und möglicherweise des Senseis meines Dojos muss ich schließen, dass ich Aikido gründlich missverstanden habe. Daher werde ich mich von dem KKB-Forum zurückziehen.

gion toji
08-02-2017, 21:00
Aus den Beiträgen und Reaktionen der hier vertretenen Aikidoka und Aikido-Lehrer und möglicherweise des Senseis meines Dojos muss ich schließen, dass ich Aikido gründlich missverstanden habe. Daher werde ich mich von dem KKB-Forum zurückziehen.Also, du hast was missverstanden und das Forum hat dir geholfen und als Konsequenz daraus willst du dich zurückziehen? Tut mir Leid, schlau geht anders.
Sei froh, dass du eine neue Erkenntnis gewonnen hast und mach weiter. Meinst du, hier sind ausschliesslich Leute, die nie Blödsinn geschrieben haben?

PS: mit Brille trainieren geht gar nicht

Gast
08-02-2017, 23:07
muss ich schließen, dass ich Aikido gründlich missverstanden habe. Daher werde ich mich von dem KKB-Forum zurückziehen.

Wieso genau denkst du, dass du etwas missverstanden hast?
Du sieshst deine Lehrer Atemi machen, du übst selbst Techniken (oder eine Technik) mit Atemi.
Was ist das Problem? Und was hat das Forum damit zu tun?

carstenm
10-02-2017, 11:27
Es tut mir leid, daß meine Bemerkung zu solchen Konsequenzen geführt hat.
Das ist aus meiner Sicht vor allem auch deshalb schade, weil ich - trotz meiner Aussage zu atemi - ein sehr weiches aikidô übe, daß nicht auf Kämpfen und schon gar nicht auf das Verletzen des Partners ausgerichtet ist.

Im Gegenteil, unsere Übungsweise hat ausdrücklich das Ziel, die körperliche Gesundheit der Übenden zu verbessern und - wie es ein schwedischer Freund immer wieder fomuliert - Menschen durch aiki glücklich zu machen. Glücklich in einem tiefen, fundamentalen Sinn.
Ein japanischer Lehrer aus meinem Übungskontext hat einmal davon gesprochen, daß es bei unserer Art zu üben, um "liebende Berührung" geht.

Ganz konkret frage ich Menschen, die neu in mein Training kommen, welche Bedeutung der Aspekt der SV für sie hat. Und wenn der im Vordergrund steht, sage ich ihnen sehr klar, daß das in meinem Training von untergeordneter Bedeutung ist.

Nichtsdestotrotz ist und bleibt das, was wir üben, ein budô. Und das bedeutet eben auch, daß das, was wir üben, letztlich dazu gedacht ist, Menschen zu verletzen. Und jede Technik, die ich kenne, trägt das Potential in sich, Menschen schwer und nachhaltig zu schädigen. Das ist nach meiner Auffassung von Anfang an enthalten, in allem, was wir üben.


Wenn es zur Praxis des fortgeschrittenen Aikido gehört, seinen Gegner oder gar Trainingspartner in die Augen zu stechen oder zum Kehlkopf zu schlagen oder dass zu üben, dann möchte ich auch kein Aikido mehr praktizieren - bzw. die Stufe erreichen wollen, ab der so was geübt wird.Was zur Praxis und auch zum gedanklichen Inhalt des aikidô gehört, wird ja bestimmt durch die Haltung deines Lehrers. Jedenfalls doch nicht durch Diskussionsbeiträge in einem Forum. Oder gar eine Einzelmeinung, wie zum Beispiel meine.
Ich tue einfach mal so, als ob du hier noch mitlesen würdest. Und würde dir raten, das Gespräch mit deinem Lehrer zu suchen über diese Dinge. Er wird dir vermitteln können, ob bzw. welche Bedeutung atemi für ihn haben.

Würdest du mich in meinem Unterricht dazu befragen, würde ich dir vermutlich deutlich machen können, wie diese Aspekte klares atemi und gleichzeitig hoher ethischer Anspruch und ebenauch Förderung der köperlichen Gesundheit und des persönlichen Wachsens alle zusammenpassen.
Und du würdest es im Üben sicher auch ganz praktisch erleben können.

In jedem Falle würde es mich persönlich sehr traurig machen, wenn du aufgrund meiner Aussage tatsächlich aufhören würdest zu üben.


Aber so was habe ich in keinem Dojo, wo ich trainiert habe erfahren und noch auf keiner Vorführung oder auf einem Video gesehen. Oder gehört das zum "Ura"-Teil von Aikido? Wenn es so was gibt, in welchen Stilrichtungen wird das praktiziert? Wird das auch im Hombu-Dojo so gelehrt und geübt?
Der shihan, an dem sich mein Üben orientiert, ist Endô Seishiro sensei. Ich war gerade für ein paar Tage bei einem Seminar mit ihm in Schweden. Darum antworte ich erst jetzt.
ab 46 sec. zu den Augen (https://youtu.be/J6XjO0qcoOI)
ab ab 15 sec. zum Kehlkopf (https://www.youtube.com/watch?v=OpDcNdB_r80)
Ich gebe zu, hier sieht man softere Versionen von atemi. Aber ich denke, man kann beispielhaft erkennen, was ich meine. Und auch daß es dennoch ein sehr weiches Üben ist.
Auf dem Seminar haben wir tatsächlich auch gerade wieder ganz unterschiedliche atemi geübt. Etwas klarer auch, als hier zu sehen.
Endô Seishiro ist Lehrer des aikikai hombu. Er war lange Jahre der "Außenminister", also für internationale Beziehungen zuständig. Und er war sehr lange "Vorsitzender des Prüfungsausschusses" des hombu. Also gemeinsam mit anderen Lehrern mit zuständig dafür, festzulegen, was im hombu als Basisform in den Prüfungen bis hin zum 4. dan gezeigt werden soll.

In dem aikidô, daß ich die ersten etwa 12 Jahr geübt habe, sind die atemi noch wesentlich deutlicher und auch tatsächlich darauf ausgerichtet, den Angreifer zu verletzen. Auch das war "ganz normales" aikikai aikidô. Eine französische Linie, die vor allem von Andé Nocquet herkommt.

Ich glaube, es ist grundlegend für das Üben eines budô, zu lernen, dessen martiale Aspekte und dessen ethische, bzw. persönlichkeitsbildenden Aspekte in Eins zu legen. Beides gehört zueinander. Und eine Form von Fortgeschritten-sein liegt vielleicht darin, diese Aspekte in sich selbst verbinden zu können.
Das aber gelingt nicht, in dem man einen Aspekt fallen läßt. Sondern nur, wenn man erlebt, wie sie sich schließlich vereinen.

Gast
10-02-2017, 14:01
Ich verstehe das Thema überhaupt nicht.
Na gut, Aiki50+ ist weg, und ob er noch liest wissen wir nicht.

Aber in jeder anderen Kampfkunst ist den Übenden klar, wozu dass was sie üben gedacht ist, oder mal gedacht war. Im Karate fragt niemand ernsthaft, ob das was man übt eventuell jemanden verletzen könnte, und ist deswegen entsetzt.
Was ist an Hebeltechniken, mit denen man Gelenke brechen kann, "netter" als an Atemi zu Vitalpunkten, oder an Wurftechniken mit denen man jemanden eine Kopflandung machen lassen kann?
Es ist doch völlig klar dass man es im Training nicht macht, jemand der Leute auf der Matte absichtlich verletzt, sollte doch in jedem Dojo, egal in welcher Kampfkunst, sehr ernsthaft ermahnt oder vor die Tür gesetzt werden.
Mal unabhängig davon ob man es will oder nicht, Kämpfen lernen heißt doch, körperlich gesund zu bleiben, wenn alles schon durch das Training kaputt gegangen ist, kann man sicher kein guter Kämpfer mehr werden.
Darüber hinausgehende moralisch ethische Ansprüche, wie sie in einigen Aikido Dojos existieren, sind da doch überhaupt nicht erforderlich, welchen Effekt der nicht sowieso schon durch den normal, eigentlich überall existierenden Kodex abgedeckt ist, soll das noch bringen? Macht es einen zu einem noch besseren Menschen, die meisten sind doch eh schon lieb genug?

Natürlich , Kampfkunsttraining ist nicht gleich Kampfkunsttraining, aber "liebende Berührung", das wird sicher kein mindset entwickeln, dass geeignet ist aggressiver Gewalt ernsthaft begegnen zu können.
Aber andererseits, wenn Budo dazu geeignet ist, die "dunklen" und gewalttätigen Anteile zu integrieren, dann kann es ja vielleicht auch geeignet sein, die hellen Anteile besser zu verstehen und zu entwickeln.
Durch Kampfkunst ein Böser werden zu wollen, ist ja andersrum auch ziemlich beknackt, aber es geht ja wohl darum es zur Verfügung zu haben, wenn es notwendig ist.

Captain Kürbis
10-02-2017, 15:15
So wie ich den TE verstand übte er Aikido vor allem um sich wieder zu bewegen und hatte nie den Anspruch eine Form der Selbstverteidigung zu trainieren, bzw. kein Interesse an diesem Aspekt im Üben. Warum genau er so darüber entsetzt war, dass anderer das anders sehen, erschließt sich mir allerdings auch nicht. Aber der Anspruch seinerseits ist doch vollkommen legitim. Es spricht ja nun wirklich nichts dagegen nicht mit dem Anspruch zu trainieren dass das Üben, bis auf körperliche "Fittness", irgendeine Nützlichkeit haben muss. Um ehrlich zu sein sind mir diese Leute sehr viel lieber, als die Traumtänzer die glauben Uke ohne Berührung werfen zu können oder aber rein tänzerischerisch trainieren und meinen jeden zugedonnerten Stiernacken kontrollieren zu können.

Gast
10-02-2017, 15:28
Es spricht ja nun wirklich nichts dagegen nicht mit dem Anspruch zu trainieren dass das Üben, bis auf körperliche "Fittness", irgendeine Nützlichkeit haben muss.

Natürlich nicht, jeder trainiert doch mit einem anderen Anspruch und Ziel.
Nur was man tut und welchen Hintergrund es hat, das sollte einem schon klar sein.
Dass da so ein Missverständnis entstehen kann, hat mich ziemlich überrascht.

carstenm
10-02-2017, 16:37
... aber "liebende Berührung", das wird sicher kein mindset entwickeln, dass geeignet ist aggressiver Gewalt ernsthaft begegnen zu können.Um aiki in der Weise, wie ich es übe, in einen Partner/Angreifer übertragen zu können, ist es hilfreich, dessen "System" nicht zu stören. Dabei hilft das Bild einer "liebevollen oder liebenden Berührung".
Dieses Bild ist eine Art Oberbegriff, das man dann durchaus im einzelnen technisch beschreiben und bearbeiten kann.

In der Praxis habe ich die Erfahrung gemacht, daß diese Art des Kontaktes durchaus sehr wirkungsvoll ist.

Edit:
Nichtsdestotroz ist es seit Längerem kein Aspekt meines Übens mehr, aggressiver Gewalt begegnen zu wollen. Das genau habe ich die ersten 12 Jahre geübt. Und es war durchaus sehr interessant. Inzwischen geht es mir um anderes.
Gerade darum finde ich es schade, daß mein kurzer Satz Aiki 50+ so stark irritiert hat. Ich vermute, daß er sich ironischerweise mit seinen Zielen in meinem Übungsumfeld durchaus sehr wohl gefühlt hätte.

ryoma
10-02-2017, 17:15
..Die Erinnerung an 13 Monate erfolgreicher Physiotherapie wird ja bleiben.
.
.
...muss ich schließen, dass ich Aikido gründlich missverstanden habe...

Dieser Thread ist wirklich aufschlussreich und interessant.

Bin soeben den Thread nochmal durchgegangen und hielt beim ersten Zitat kurz inne: Ist das wirklich so, dass Aikidô als Physiotherapie eingesetzt wird?

Beim zweiten Zitat sehe ich das Problem nicht so sehr beim TE. Sein "Misverständnis" baut doch zum Teil darauf auf, wie in seinem Dôjô Aikidô von den Lehrern erklärt wird.

Gast
11-02-2017, 00:17
: Ist das wirklich so, dass Aikidô als Physiotherapie eingesetzt wird?


Nein, zumindest kenne ich niemanden, der versucht es so zu verkaufen.
Wenn, dann gibt es Kombinationen von Leute die versuchen ihren beruflichen Hintergrund ins Aikido einzubringen oder umgekehrt.
Dann gibt es Aiki-Extensions und andere Aktivitäten von Leuten die versuchen Aikido-prinzipien (oder das, was sie dafür halten) in alle möglichen Lebensbereiche einfließen zu lassen.
Aber es gibt auch noch genug Leute, die einfach Aikido machen

carstenm
11-02-2017, 10:37
Ist das wirklich so, dass Aikidô als Physiotherapie eingesetzt wird?Das ist mir bisher noch nicht begegnet. Dabei übe ich mit vielen Menschen, die in diesem Bereich arbeiten. Auch als Vorsitzender unseres Vereins habe ich nie jemanden erlebt, der von einem Arzt oder Physiotherapeuten zum aikidô geschickt worden wäre.
Allderdings stellen wir immer wieder Teilnahmebescheinigungen aus für Krankenkassen, da die Mitgliedschaft in einem "Sport"verein in bestimmten Bonusprogrammen zu Beitragserstattungen führen kann. Das ist ja aber noch mal was anderes.

Ich persönlich halte es umgekehrt eher für ein Problem, aikidô gezielt als Physiotherapie einzusetzen. Die - untypischen und daher für Ungeübte ungewohnten - Belastungen, die der Körper durch das Üben erfährt, stehen dem m.E. ganz ausdrücklich entgegen.
Ich frage Menschen, die neu in mein Training kommen, nach ihren körperlichen Problemen, damit sie ggf. "darum herum" üben können. D.h. sie üben also nicht zur Therapie, sondern trotz ihrer Problematik. Das macht vieles, bis fast alles möglich - es gibt aikidôka, die vom Rollstuhl aus üben - ist aber aus meiner Sicht ein fundamentaler Unterschied, was die Zielsetzung angeht.

Ich hatte aber auch die Äußerung von aiki50+ lediglich als eine Metapher verstanden. In dem Sinne, daß es für ihn gut war, sich überhaupt zu bewegen und wieder zu einem veränderten Körpergefühl zu kommen. Also für ihn persönlich hat das Üben einen Effekt gehabt, den er sich in etwa auch von einer Physiotherapie erhofft hätte.

All that said ...

Ich selber übe in einem Kontext, in dem es zu den erklärten Zielen gehört, durch das Üben die allgemeine Gesundheit des Körpers - also nicht allein nur die Funktionen des Bewegungsapparates - nicht allein nur zu erhalten, sondern tatsächlich zu verbessern. Und zwar sowohl die eigene, als auch die der jeweiligen Übungspartner.

Es mag an der Oberfläche widersprüchlich klingen, das Üben eines budô, auch mit Stichen zu Kehlkopf und Augen und dergleichen, mit dem Ziel der Verbesserung der Gesundheit zu verbinden.
Aber wenn man genauer hinschaut kann ja das Üben von aiki - oder anders formuliert in'yô - nicht etwas sein, das dem Körper schadet. Wenn denn man tatsächlich in der Lage ist, aiki zu entwickeln, dann übt man damit ja ganz aussrücklich etwas "richtig", natürlich (im daoistischen Sinne) und heilsam ist.
Udn ebenso heilsam ist es dann auch für den Partner.
So jedenfalls ist auf einer abstrakten Ebene klar, daß aikidô der Gesundheit dient. Bis man das dann auch praktisch umsetzen kann, dauert es wohl eine Weile. Aber es ist dann durchaus auch ganz konkret erfahrbar.

Nebenbei bemerkt: Ich weiß durchaus von Lehrern, Schulen, Stilen, in denen es üblich ist, mindestens zu versuchen, einander auch während des Trainings zu verletzen.
Und ich kenne solches Üben auch aus eigenem Erleben. Der Gedanke dahinter ist wohl im Grunde der einer "Auslese der Besten". In dem Verband, dem ich angehöre, wurde vor längerer Zeit mal ein Lehrer ausgeschlossen, weil er seine Schüler darauf gedrillt hatte, mit ihren Partnern recht "sorglos" umzugehen. Die haben das dann auch bei den dan-Prüfungen so gezeigt udn das war eher weniger lustig ...

@ Inryoku: Das karate, das in der Folge der hier mal diskutierten Ereignisse an der Nakana Akademie entstanden ist, ist u.a. genau dafür "berühmt" geworden.



Beim zweiten Zitat sehe ich das Problem nicht so sehr beim TE. Sein "Misverständnis" baut doch zum Teil darauf auf, wie in seinem Dôjô Aikidô von den Lehrern erklärt wird.Ich muß zugeben, den Teil habe ich nicht genau verstanden: Es klingt ja so, als würde auch dort durchaus atemi unterrichtet, nur eben erst "später". Was immer das konkret heißt. An einer anderen Stelle hat aiki50+ doch auch geschrieben, daß er wohl auch seinen Lehrer selbst mißverstanden habe.

Ich selber habe mit aikidô begonnen, weil es nach allem, was ich gehört und gelesen hatte, eine "Kampfkunst ohne Gewalt" sein sollte. So damals der Slogan unseres Vereins. Eine "defensive Kampfkunst" die eine Form der Selbstverteidigung lehrt, die "den Angreifer nicht verletzt". Und dergleichen. Also funktionierende SV ohne ethische Konflikte ...
Ein solches Bild ist wohl auch immer noch gar nicht so ungewöhnlich.

Irgendwann muß natürlich jeder Übende, der solche ethischen Ansprüche hat, mit diesem Konflikt umgehen. Und wenn jemand tatsächlich pazifistische Ideale vertritt, dann ist wohl der Schritt, mit dem Üben aufzuhören oder auch eine Gesprächsgemeinschaft zu verlassen, die diese Anschauungen nicht teilt, eine durchaus konsequente Entscheidung, die meinen Respekt hat.

Gast
11-02-2017, 12:52
Irgendwann muß natürlich jeder Übende, der solche ethischen Ansprüche hat, mit diesem Konflikt umgehen. Und wenn jemand tatsächlich pazifistische Ideale vertritt, dann ist wohl der Schritt, mit dem Üben aufzuhören oder auch eine Gesprächsgemeinschaft zu verlassen, die diese Anschauungen nicht teilt, eine durchaus konsequente Entscheidung, die meinen Respekt hat.

Das Aikido als Budo dem Frieden dienen sollte, ist ja gar nicht strittig, sondern ist vom Begründer in seinen späten Jahren oft genug thematisiert worden, und es ist meiner Ansicht nach auch durchaus gesellschaftspolitisch zu verstehen, nicht nur im spirituellen/taoistischen kontext.

washi-te
11-02-2017, 13:01
Das Aikido als Budo dem Frieden dienen sollte, ist ja gar nicht strittig, sondern ist vom Begründer in seinen späten Jahren oft genug thematisiert worden, und es ist meiner Ansicht nach auch durchaus gesellschaftspolitisch zu verstehen, nicht nur im spirituellen/taoistischen kontext.

Da wirste aber hier im Forum einige finden, die das vehement bestreiten. Vielleicht nicht in Bezug auf Aikido, aber im Bezug auf Budo allgemein allemal.

Nick_Nick
11-02-2017, 14:05
Irgendwann muß natürlich jeder Übende, der solche ethischen Ansprüche hat, mit diesem Konflikt umgehen. Und wenn jemand tatsächlich pazifistische Ideale vertritt, dann ist wohl der Schritt, mit dem Üben aufzuhören oder auch eine Gesprächsgemeinschaft zu verlassen, die diese Anschauungen nicht teilt, eine durchaus konsequente Entscheidung, die meinen Respekt hat.

Schließe mich Luggages Beitrag an: Der Pazifismus eines Ueshiba wie auch vermutlich aller Budoka der damaligen Zeit war doch sicher ein ganz anderer als heutzutage gemeint. Heißt, falls erforderlich, für den eigenen wie auch den gesellschaftlichen Frieden jemanden zu töten, vergleichbar mit Stauffenbergs Attentat auf Hitler. Wobei das in der Kultur Japans sicher noch etwas anders/weiter/enger gefasst werden muss.

Und wie schonmal geschrieben ist die Definition eines "Budo"-Pazifisten m.E. nachvollziehbar, wonach ein Pazifist willens und in der Lage ist, jemandem das Leben zu nehmen, sich aber entscheidet, es nicht zu tun. Ansonsten ist man u.U. auf das Wohlwollen des Gegners angewiesen. Der ist dann der Pazifist, wenn man Glück hat.

Von daher ist ein (nicht letaler) Atemi ohne Waffeneinsatz eine sehr höfliche Variante.

Grüße

Gast
11-02-2017, 15:40
8
Da wirste aber hier im Forum einige finden, die das vehement bestreiten. Vielleicht nicht in Bezug auf Aikido, aber im Bezug auf Budo allgemein allemal.

Natürlich ist das auf Aikido bezogen, das der Begründer aber eindeutig als Budo gesehen hat.
Wie gesagt, es gibt genügend Beispiele von Aussagen, die eindeutig einen gesellschaftspoöitischen Bezug aufweisen. Das alles nur auf falsche Übersetzungen oder Interpretationen zu schieben, geht meiner Ansicht nach nicht.

Aber das "revolutionäre" im Aikido war eben wohl tatsächlich einen Gegner kontrollieren zu können ohne ihn zu töten (wenn man es denn kann).
Allerdings sagte auch schon Sokaku Takeda, sein daito ryu sei eine rein defensive Kampfkunst, die keine Angriffstechniken enthält und von daher eher "friedlich" ist.

ryoma
11-02-2017, 19:01
...Allerdings sagte auch schon Sokaku Takeda, sein daito ryu sei eine rein defensive Kampfkunst, die keine Angriffstechniken enthält und von daher eher "friedlich" ist.

Und dann gibts Jigen-Ryû!
:D:D

carstenm
11-02-2017, 20:25
Das Aikido als Budo dem Frieden dienen sollte, ist ja gar nicht strittig, ...Ich verstehe nicht, wie sich diese Aussage von dir auf das bezieht, was ich zu der Entscheidung von aiki50+ keine aikidô mehr zu üben, geschrieben hatte?
Wenn du magst, dann kannst du mir den Zusammenhang vielleicht noch einmal erläutern?
Mußt aber nicht. Mit deiner Aussage als solcher gehe ich völlig konform.


Da wirste aber hier im Forum einige finden, die das vehement bestreiten. Vielleicht nicht in Bezug auf Aikido, aber im Bezug auf Budo allgemein allemal.Es gibt etliche Schulen, die auf vergleichbaren ethischen Anschauungen basieren, auch wenn die praktische Verwirklichung eine völlig andere ist. Dazu gehören z.B. die Katori shintô ryû und die Kashima shin ryû.


Der Pazifismus eines Ueshiba wie auch vermutlich aller Budoka der damaligen Zeit war doch sicher ein ganz anderer als heutzutage gemeint. Ja natürlich. Mal ganz abgesehen davon, daß Ueshiba zeitlebens ganz sicher kein Pazifist war. Ich habe mir doch hier im Laufe der Jahre die Tastatur fusselig geschrieben, um zu zeigen, wie sich das Verständnis von Begriffen wie Harmonie oder Friede bei Ueshiba unterscheidet von ihrem heutigen Gehalt.
Das genau ist doch der Irrtum dem immer wieder Interessenten unterliegen.

Mir geht es lediglich darum, daß ich es allen Ehren wert finde, wenn jemand, der ausdrücklich nicht etwas lernen und üben möchte, das dazu gedacht ist, anderen Menschen körperlichen Schaden zuzufügen, ein aikidô dôjô wieder verläßt, nachdem er festgestellt hat, daß aikidô diesen seinen Ansprüchen nicht gerecht wird.

Wir alle haben doch nach zwanzig oder dreißig oder fünf Jahren ein anderes Bild von dem budô, das wir üben, als wir es hatten an dem Tag, als wir zum ersten mal ins dôjô gegangen sind. Und wir alle haben uns selbst und unser Üben verändert in dieser Zeit. Wir haben dazu gelernt. Und nicht selten haben auch wir Irrtümer erkannt, haben einen Lehrer oder ein dôjô verlassen, oder haben unsere Ziele und unser Üben neu definiert.
Mir jedenfalls ist das so ergangen.

Gast
11-02-2017, 23:24
Ich verstehe nicht, wie sich diese Aussage von dir auf das bezieht, was ich zu der Entscheidung von aiki50+ keine aikidô mehr zu üben, geschrieben hatte?


Naja, ich will keine Debatte über Pazifismus führen, aber je nachdem wie eng oder weit man den Begriff auslegt, gibt es nicht unbedingt einen Widerspruch, und somit eigentlich keinen Grund deswegen mit dem Üben aufzuhören.
Wie gesagt, gesellschaftspolitische Aspekte spielen durchaus eine Rolle.

Gast
11-02-2017, 23:46
Es tut mir leid, daß meine Bemerkung zu solchen Konsequenzen geführt hat.
Das ist aus meiner Sicht vor allem auch deshalb schade, weil ich - trotz meiner Aussage zu atemi - ein sehr weiches aikidô übe, daß nicht auf Kämpfen und schon gar nicht auf das Verletzen des Partners ausgerichtet ist

...

In jedem Falle würde es mich persönlich sehr traurig machen, wenn du aufgrund meiner Aussage tatsächlich aufhören würdest zu üben.

Vor allem wegen Carstens nettem Post muss ich mich noch mal zurück melden und ein paar Missverständnisse klarstellen: Ich hatte mich vom KKB-Forum abgemeldet, aber nicht von heute auf morgen mit Aikido üben aufgehört.

Anlass war auch nicht das erste Posting von Carsten. Es war für mich nur rätselhaft, da er ja auch in früheren Posts Seishiro Endo als seinen Lehrer angegeben hatte. Interpretiert man Atemi als "liebevolle Berührung", dann ist das natürlich etwas völlig anderes. Ich hätte jedenfalls die beiden Szenen in den Endo-Videos nicht als Atemi erkannt oder bezeichnet.


Mir geht es lediglich darum, daß ich es allen Ehren wert finde, wenn jemand, der ausdrücklich nicht etwas lernen und üben möchte, das dazu gedacht ist, anderen Menschen körperlichen Schaden zuzufügen, ein aikidô dôjô wieder verläßt, nachdem er festgestellt hat, daß aikidô diesen seinen Ansprüchen nicht gerecht wird.
Nein, ich habe das Dojo nicht verlassen. Aber ich möchte nicht ohne Not durch regelmäßiges Üben ein "Mindset" entwickeln, das darauf ausgerichtet ist, anderen Menschen körperlichen Schaden zuzufügen. Durch das kooperative Üben, das ich weder als Kampf oder Kampfvorbereitung empfinde, entwickelt sich ja eher das Gegenteil - jedenfalls erwarte ich das vom Aikido im allgemeinen und das ist auch meine Erfahrung im letzten Jahr. Robert Twigger (Angry White Pyjamas) und Ellis Amdur (Duelling with O'Sensei) berichten von eigenen Erlebnissen, wo man als Leser eine Prügelei erwarten würden, bei der sie ihre im Aikido erworbenen kämpferischen Fähigkeiten unter Beweis stellen könnten, die aber dann ohne körperlichen Kampf und überraschenden Wendungen deeskalierten.

Verärgert haben mich die hämischen Reaktionen auf mein Post #7, was wieder mal als Beweis für Aikido herhalten muss als "verstümmelte Kampfkunst" oder dass in meinem Dojo kein richtiges Aikido gelehrt oder geübt werde oder ich persönlich nicht ernsthaft üben oder aufpassen würde.

Die prinzipielle Frage dahinter: ist es sinnvoll und akzeptabel, Aikido als Bewegungskunst oder Bewegungstherapie ohne Anspruch als SV oder Kampftraining zu begreifen und zu üben? Das ist meine persönliche Einstellung; mein Sensei wird sicher nicht in Frage stellen, dass Aikido ein Budo ist. Und ist es sinnvoll und akzeptabel, in einem KKB Mitglied zu sein, wenn man weder SV, noch KK noch KS ausüben möchte?


Ich selber habe mit aikidô begonnen, weil es nach allem, was ich gehört und gelesen hatte, eine "Kampfkunst ohne Gewalt" sein sollte. So damals der Slogan unseres Vereins. Eine "defensive Kampfkunst" die eine Form der Selbstverteidigung lehrt, die "den Angreifer nicht verletzt". Und dergleichen. Also funktionierende SV ohne ethische Konflikte ...
In dem Glauben an dieses Versprechen hatte ich vor über 30 Jahren auch mal mit Aikido angefangen. Was ich gelernt hatte, hätte mir als SV auf der Straße sicher nichts genutzt, es war in den ersten Jahren tatsächlich Traumtänzerei, aber die gelernte Gymnastik und die Fallschule haben sich als sehr hilfreich erwiesen, auch lange, nachdem ich mit Aikido aufgehört hatte.

Da ich seit einem Jahr 3x/Woche trainieren kann und auch weit erfahrenere Lehrer als zu meiner Studentenzeit habe, kam schon der Gedanke auf, ob das Aikido, was ich zur Zeit übe, nicht vielleicht doch SV-tauglich sein könnte. Aber meine Erfahrung (mit jüngeren Übungspartnern, die selber kämpfen lernen möchten) ist, dass die Techniken und Bewegungen härter und schneller, aber auch ungenauer, verkrampfter und damit ineffektiver werden und die Verletzungsgefahr steigt auch noch. Am besten gelingen die Übungen, wenn ich beim Üben jede Absicht aufgeben kann - an SV, Kämpfen, Fitness, ja sogar die Absicht, es besonders gut machen zu wollen.

ryoma
12-02-2017, 08:19
...Verärgert haben mich die hämischen Reaktionen auf mein Post #7, was wieder mal als Beweis für Aikido herhalten muss als "verstümmelte Kampfkunst" oder dass in meinem Dojo kein richtiges Aikido gelehrt oder geübt werde oder ich persönlich nicht ernsthaft üben oder aufpassen würde...

Häme? Wo denn genau?
Ja, einige Reaktionen mögen pointiert (so meine eigene) und hie und da auch mal mit einer Prise Humor gewürzt gewesen sein. Das ist hier nun mal ein Internet-Forum und diese Diskussion ist übrigens sehr friedlich, höflich und anständig.

FireFlea
12-02-2017, 08:49
Zum Thema Aikido & Prügeleien auch mal Complete Aikido von Roy Suenaka lesen. Der biographische Teil ist sehr unterhaltsam.

Gast
12-02-2017, 09:50
Die prinzipielle Frage dahinter: ist es sinnvoll und akzeptabel, Aikido als Bewegungskunst oder Bewegungstherapie ohne Anspruch als SV oder Kampftraining zu begreifen und zu üben?


Natürlich ist das sinnvoll. Scheinbar erfährst Du es ja so?
Was heißt "akzeptabel"?
Wessen Akzeptanz brauchst Du denn, außer Deiner eigenen?
Die der Leute hier im Forum, die meinen, Kampfkunst auf effektives Töten mit Waffen reduzieren zu können?
Hier ein Zitat von Wang Xiangzhai in der Übersetzung (https://www.benjamin-witt.com/blog/yiquan-übersetzungen/zentrale-achse-quandao-zhongshu/) von Benjamin Witt (https://www.benjamin-witt.com/yiquan/):
[Hervorhebung von mir]




Das Wesen (Dao) der Kampfkünste nimmt eine solch zentrale Bedeutung ein, dass es für die Bildung des Ethos eines Volkes eine Notwendigkeit darstellt; die Wurzel für das Verständnis und Erlernen von Handwerk ist; die Grundlage der Lebensphilosophie ist und das Rückgrat einer humanistischen Bildung darstellt. Das wesentliche der Bestimmung liegt darin, das Bewusstsein eines Menschen in richtiger Weise zu kultivieren; Gefühle/das Fühlen zum Ausdruck zu bringen; eine richtige Physiologie zu entwickeln; natürliche Fähigkeiten zu fördern; zu bewirken, dass der Übende geistig klar und scharfsinnig sowie körperlich gesund wird und so von Nutzen für sein Land und seine Mitmenschen ist. Daher wird nicht nur auf die kämpferischen Fähigkeiten Wert gelegt.

Wenn diese Bestimmung zur Erfüllung kommt, erst dann kann man es Kampfkunst nennen.
.


Derartige Ansprüche, dass KK auch noch einen anderen Zweck oder Sinn haben kann, als Mitmenschen niederzumetzeln gibt es ja auch von anderen, bei Ueshiba scheint mir das ähnlich.
Aus dem anderen Thread wissen wir ja, dass es keine Nachweise gibt, dass Ueshiba je im Leben Aikido in einer SV-Situation angewendet hat und IMO auch nicht von einer Mentalität (Mindset) beseelt, anderen Menschen ohne Not Schaden zuzufügen.




ist es sinnvoll und akzeptabel, in einem KKB Mitglied zu sein, wenn man weder SV, noch KK noch KS ausüben möchte?


Offenbar ist es von der Boardleitung akzeptiert, denn es wird ja explizit darauf hingewiesen, was man bei KK eintragen soll, wenn man keine betreibt.
Es stellt sich eventuell die Frage, was Du dann in einem solchen Forum findest.
Natürlich kann man auch in einem Selbstmordforum Mitglied sein, wenn man sich nicht umbringen will...
Allerdings dachte ich, dass Aikido eine KK sei und Du das weiterhin betreiben willst?
Ich hab mal Judo und deutsches JuJutsu parallel ausgeübt.
Da JuJutsu zu der Zeit eher als "SV" auftrat (die Kampftruppe war sehr überschaubar :p) wurde ich mal von einer sehr fortgeschrittenen Judoka gefragt, ob ich mich irgendwie gefährdet fühle, weil ich SV trainiere.
Judo war dort einfach Sport.
Da gab es auch Aikido und Kyudo.
Keine Ahnung, ob die Kyudoka sich vorstellten, auf Menschen zu schießen, aber für mich waren dass einfach verschiedene Ausprägungen japanischer Kampfkunst (bzw. Entwicklungen daraus).
Die kann man dann auch als Werkzeug zur Entwicklung anderer Aspekte benutzen, als der ursprünglichen Zielsetzung.

Kōbe/Wagyū-rinder waren früher kräftige Arbeitstiere, heute werden die verhätschelt und massiert, weil die Zuchtwahl zum Arbeitstier den Nebeneffekt einer besonderen Fleischqualität hatte. Dieser Nebeneffekt ist heute, wo man kaum noch Zugtiere benötigt, der Hauptgrund, Wagyū-Rinder zu halten.
Wir leben hier und heute in einer Gesellschaft, in der körperliche Auseinandersetzungen für die meisten Erwachsenen keine Rolle spielen.
Kriegerische Auseinandersetzungen werden mit Mitteln ausgetragen, gegen die die der traditonellen KK zahnlose Tiger sind.
Da ist es IMO durchaus sinnvoll und akzeptabel KK in einer anderen Zielsetzung zu betreiben, als die Fähigkeit zu entwickeln andere Menschen effektiv zu töten oder schwer zu beschädigen.

panzerknacker
12-02-2017, 10:19
Und dann gibts Jigen-Ryû!
:D:D

hat ja wohl auch einwandfrei funktioniert

@topic ich frage mich immer, warum Leute irgendwas betreiben, was sie eigentlich gar nicht wollen
mal aus der Hüfte geschossen wären moderne Bewegungssportarten á a animal flow, Pilates, ... doch die deutlich bessere Wahl als eine wie auch immer geartete Kampfsport/-kunst/-blabla, wenn man denn so gar kein Interesse hat, sich zu prügeln, in welcher Intensität auch immer
zumal man ja durchaus in die Verlegenheit kommen kann, mit Leuten zu üben/spielen, die da einen deutlich rustikaleren Ansatz zeigen
Du wirfst irgendwen und der ist böse das die Brille verrutscht? totgelacht, ab zum Hallenhalma mit dem

ist ja auch nicht nur im Aikido so, ich staune auch so manches Mal im Karate und FMA, was da für Leute aufschlagen....

Nick_Nick
12-02-2017, 11:12
Mir geht es lediglich darum, daß ich es allen Ehren wert finde, wenn jemand, der ausdrücklich nicht etwas lernen und üben möchte, das dazu gedacht ist, anderen Menschen körperlichen Schaden zuzufügen, ein aikidô dôjô wieder verläßt, nachdem er festgestellt hat, daß aikidô diesen seinen Ansprüchen nicht gerecht wird.


Ich bin wie auch andere hier eher erstaunt, sich eine KAMPFkunst auszusuchen und den Anspruch zu haben, mit keiner wie auch immer gearteten Form von Kämpfen konfrontiert zu werden.


Interpretiert man Atemi als "liebevolle Berührung", dann ist das natürlich etwas völlig anderes.


Ich fürchte, da hast du ihn gründlich missverstanden. Wie carstenm schreibt, dient die „liebevolle Berührung“ dazu, das System des Gegners nicht zu stören. Der Körper des Partners/Gegners wird bei der liebevollen Berührung nicht Alarm schlagen, bei einer harten aber schon. Heißt letztlich, den Partner in völliger Arglosigkeit zu wiegen, obwohl er bereits in höchster Gefahr ist oder vielleicht schon verloren hat (was er bspw. mitbekommt, wenn er sich bewegen will). Die Folgeaktion wirkt dann wie ein Sucker Punch.



Robert Twigger (Angry White Pyjamas) und Ellis Amdur (Duelling with O'Sensei) berichten von eigenen Erlebnissen, wo man als Leser eine Prügelei erwarten würden, bei der sie ihre im Aikido erworbenen kämpferischen Fähigkeiten unter Beweis stellen könnten, die aber dann ohne körperlichen Kampf und überraschenden Wendungen deeskalierten.


Nach dem, was ich über Ellis Amdur gehört habe, kann der es sich leisten, einen Konflikt ganz entspannt zu deeskalieren. Weil er ihn auch ohne Probleme auf jede Stufe von Gewalt eskalieren lassen kann. Nebenbei ist er auch hoch qualifiziert in ziemlich harschen Koryu, wo mit ziemlicher Sicherheit nicht die Rede ist von friedlicher Deeskalation.
carstenm kennt Ellis Amdur aber wohl ziemlich gut, da kann er was zu ihm schreiben.

Grüße

ryoma
12-02-2017, 12:02
...Nach dem, was ich über Ellis Amdur gehört habe, kann der es sich leisten, einen Konflikt ganz entspannt zu deeskalieren. Weil er ihn auch ohne Probleme auf jede Stufe von Gewalt eskalieren lassen kann. Nebenbei ist er auch hoch qualifiziert in ziemlich harschen Koryu, wo mit ziemlicher Sicherheit nicht die Rede ist von friedlicher Deeskalation.
carstenm kennt Ellis Amdur aber wohl ziemlich gut, da kann er was zu ihm schreiben.

Ja, das hatte ich vorhin vergessen: Hier ausgerechnet Ellis Amdur quasi als Beleg für die Friedenskampfkunst des Aikidô anzuführen, passt nicht wirklich. Was nicht heissen soll, dass Amdur keinerlei positive Effekte für sich aus dieser Bewegungsform zog.
Aber Amdur selbst definiert sich schon seit vielen Jahren ausschliesslich durch sein Training des Araki-Ryû und Toda-ha Bukô-Ryû.

Um hier aber gewissen "Ungenauigkeiten" vorzubeugen: Auch in den klassischen jap. Koryû, welche tendenziell sicher ein wesentlich höheres/ausgeprägteres Gewaltpotential aufweisen als z.B. Aikidô oder Jûdô, wird eine ethisch-moralische Komponente keinesfalls ausgeschlossen.
Allerdings steht diese Komponente nicht ganz am Anfang des Trainings, wie dies bei vielen modernen KK der Fall ist.

Gast
12-02-2017, 12:46
@topic ich frage mich immer, warum Leute irgendwas betreiben, was sie eigentlich gar nicht wollen
mal aus der Hüfte geschossen wären moderne Bewegungssportarten á a animal flow, Pilates, ... doch die deutlich bessere Wahl als eine wie auch immer geartete Kampfsport/-kunst/-blabla, wenn man denn so gar kein Interesse hat, sich zu prügeln, in welcher Intensität auch immer


Mich würde mal interessieren, wie das folgende Shirakawa-Video auf das KKB-Fachpublikum wirkt:

pme6jdPvusw

In den YouTube-Kommentaren gibt es sowohl Bewunderung als auch typische Bemerkungen wie "What garbage, use this shit in a real self-defense scenario and you'd get fucking stomped."

Das ist für mich ein Aikido, das sich vom Kampfkunst-Charakter immer weiter löst und in dem die Freude an der Bewegung selbst im Vordergrund steht, was übrigens für Nage und Uke gleichermaßen gilt. Das ist der Stil, der für mich Vorbild* ist, auch wenn ich in meinem Alter sicher nicht mehr das gezeigte Level erreichen kann. Das ist, was mir Spaß macht und mich motiviert, was ich von Pilates und wahrscheinlich Yiquan nicht sagen könnte.

*) und in dem ich nebenbei bemerkt, auch keine Atemis sehe, außer denen, die zum Bewegungsablauf gehören.

Gast
12-02-2017, 13:38
Nebenbei ist er auch hoch qualifiziert in ziemlich harschen Koryu, wo mit ziemlicher Sicherheit nicht die Rede ist von friedlicher Deeskalation.
Weiß ich aus seinem Buch "Duelling with O'Sensei". Darin schreibt Amdur auch, dass er beim Üben in dieser harschen Kory einmal so die Kontrolle über sich verlor, dass er beinahe seinen bis dahin eng befreundeten Trainingspartner erschlagen hätte, wenn nicht sein Sensei eingegriffen hätte. Danach hatte er seinen Freund nie wieder gesehen. (Ellis Amdur, Duelling with O'Sensei, Hiding in the Shadows of the Warrior). Und das ist kein Vorbild für mich, nach solchen Erfahrungen zu suchen.

ryoma
12-02-2017, 14:03
Weiß ich aus seinem Buch "Duelling with O'Sensei". Darin schreibt Amdur auch, dass er beim Üben in dieser harschen Kory einmal so die Kontrolle über sich verlor, dass er beinahe seinen bis dahin eng befreundeten Trainingspartner erschlagen hätte, wenn nicht sein Sensei eingegriffen hätte. Danach hatte er seinen Freund nie wieder gesehen. (Ellis Amdur, Duelling with O'Sensei, Hiding in the Shadows of the Warrior). Und das ist kein Vorbild für mich, nach solchen Erfahrungen zu suchen.

Das war ein Beispiel wie sehr Amdur durch die schuleigene Philosophie und Psychologie durchdrungen war und somit ein Hinweis darauf, wie erfolgreich diese Schule das anzuwenden wusste.

Um das aber auch nur ansatzweise nachvollziehen und die Dynamik dahinter verstehen zu können, muss man schon Mitglied einer solchen Ryûha sein.

Nick_Nick
12-02-2017, 14:28
Weiß ich aus seinem Buch "Duelling with O'Sensei". Darin schreibt Amdur auch, dass er beim Üben in dieser harschen Kory einmal so die Kontrolle über sich verlor, dass er beinahe seinen bis dahin eng befreundeten Trainingspartner erschlagen hätte, wenn nicht sein Sensei eingegriffen hätte. Danach hatte er seinen Freund nie wieder gesehen. (Ellis Amdur, Duelling with O'Sensei, Hiding in the Shadows of the Warrior). Und das ist kein Vorbild für mich, nach solchen Erfahrungen zu suchen.

Ich kenne das Buch und die Geschichte drumherum nicht, aber ich denke nicht, dass das aus dem luftleeren Raum entstanden ist. Ich glaube mal nicht, dass Amdur einen Anfänger beinahe gekillt hätte, sondern vollkommen in seiner Kata war, mit einem Partner auf vergleichbarem Niveau. Vielleicht meint ryoma das mit seiner Aussage.

Irgendwo hatte ich auch mal gelesen, dass ein (sehr hoch qualifizierter) Koryu-Mann mit Amdur eine Kenjutsu-Kata geübt hat, am Ende steckte in Folge Amdurs Angriff ein Holzsplitter eines der Bokken in der Wand. Das nennt sich dann wohl „lebendige Kata“.
Das bleibt aber nur den sehr guten Leuten vorbehalten (wie auch das Üben mit Shinken), die allermeisten müssen sich darüber keine Gedanken machen.

Grüße

Gast
12-02-2017, 18:23
Habe vor Urzeiten mal ein Jahr Aikido betrieben.

Habe aber nicht mehr das Gefühl für die Kampfkunst.

Aber von aussen betrachtet:

Ihr unterhaltet Euch in allem Ernst darüber ob Atemi üben, anwenden Bestandteil von Aikido ist? Sein sollte?:rotfltota

Überlegt mal anders. Warum übt man im Aikido den Umgang mit tödlichen Waffen, macht sich aber gleichzeitig ins Höschen wenn es um Atemi geht? Man übt nicht nur Abwehr wenn es um Waffen geht.Widerspruch....

Gast
12-02-2017, 21:15
*) und in dem ich nebenbei bemerkt, auch keine Atemis sehe, außer denen, die zum Bewegungsablauf gehören.

Bei 2:50 sieht man z.B., wie er mit der Tegatana den Nacken schneidet, kann man machen, muss man aber nicht. Die Bewegung geht zwar auch ohne, aber wenn man es macht, ist es Bestandteil des Bewegungsablaufs.
Im Grunde genommen aber ist jeder Irimi-nage auch ein Atemi mit dem Wurfarm.
Atemi die nicht in den Bewegungsablauf integriert sind, machen doch keinen Sinn, sie sind völlig überflüssig.
Gibt es bei euch Atemi, die nicht zum Bewegungsablauf gehören?

Gast
12-02-2017, 21:30
Nein, ich habe das Dojo nicht verlassen. Aber ich möchte nicht ohne Not durch regelmäßiges Üben ein "Mindset" entwickeln, das darauf ausgerichtet ist, anderen Menschen körperlichen Schaden zuzufügen. Durch das kooperative Üben, das ich weder als Kampf oder Kampfvorbereitung empfinde, entwickelt sich ja eher das Gegenteil - jedenfalls erwarte ich das vom Aikido im allgemeinen und das ist auch meine Erfahrung im letzten Jahr. Robert Twigger (Angry White Pyjamas) und Ellis Amdur (Duelling with O'Sensei) berichten von eigenen Erlebnissen, wo man als Leser eine Prügelei erwarten würden, bei der sie ihre im Aikido erworbenen kämpferischen Fähigkeiten unter Beweis stellen könnten, die aber dann ohne körperlichen Kampf und überraschenden Wendungen deeskalierten.

Du sprichst von erworbenen Fähigkeiten, aber auch in diesem Fall ist es ein mindset, mit dem man in der Lage ist aggressiver Gewalt zu begegnen, sonst gelingt einem solche Deeskalation nicht.
Mit anderen Worten, man muss cool bleiben können, es bedeutet nicht unbedingt, anderen Menschen Schaden zufügen zu wollen.

Gast
12-02-2017, 22:24
Ich fürchte, da hast du ihn gründlich missverstanden. Wie carstenm schreibt, dient die „liebevolle Berührung“ dazu, das System des Gegners nicht zu stören.

"Aiki" ist doch eine Technik oder Methode, mit der Ukes Verlust der Kontrolle über sein System/seine Struktur bewirkt werden soll, das passt für mich nicht zusammen.

Nick_Nick
12-02-2017, 23:19
"Aiki" ist doch eine Technik oder Methode, mit der Ukes Verlust der Kontrolle über sein System/seine Struktur bewirkt werden soll, das passt für mich nicht zusammen.

Sorry, das musst du mit carstenm ausmachen (und ich hoffe mal, ich habe ihn richtig verstanden).

bilbo
13-02-2017, 10:42
Nach kurzem Überblick über die Diskussion möchte ich meinen Senf auch mal dazu geben.

Ich habe einige Zeit Aikido betrieben, davon mehrere Jahre als junger Erwachsener im Aikikai. Zugegeben - ich bin eingetreten, weil ich Steven Seagal sehr cool fand.

Das Training im Aikikai war aber sehr weit davon entfernt. Ich hatte damals nicht den Horizont um zu begreifen, was Aikido de facto eigentlich ist.

Aikido ist für mich im Nachhinein betrachtet eine Gymnastik in Partnerform, die ihren Ursprung im einer Kampfkunst hat. Sie wird von total netten Leuten betrieben, hält den Körper gesund und fit und fühlt sich auch toll an.

Wenn man Aikido aus dieser Sichtweise heraus betrachtet und keinen Anspruch an eine praktikable Selbstverteidigung hat, ist das ein schönes Hobby; es erinnert stark an Tanzen. Da gibt es dann auch keine Vorbehalte, weil es ein lohnenswertes Hobby ist.

Das Problem ist nur, dass diese netten Leute zu einem großen Teil tatsächlich glauben, dass sie sich mit Aikido (und nur mit Aikido) gegen einen hochaggressiven Angriff auf dieser ominösen Straße wehren können. Und das klappt einfach nicht. Im besten Fall bekommt man durch Aikido eine selbstsichere Ausstrahlung und wird dadurch nicht in einen Kampf hinein gezogen. Das ist ja auch schon was.

Ich finde aber, dass ein großes Maß an Ehrlichkeit hier angebracht wäre.

Zum Schutz der Schüler.

Gast
13-02-2017, 10:59
"Aiki" ist doch eine Technik oder Methode, mit der Ukes Verlust der Kontrolle über sein System/seine Struktur bewirkt werden soll, das passt für mich nicht zusammen.

So wie das hier dargestellt wurde soll nach meinem Verständnis nur vermieden werden, dass durch die Berührung eine Abwehrreaktion des Gegners verursacht wird.
Die Beeinflussung des Systems läuft dan quasi unter dem Radar des Uke.
Vergleiche die Schläge von Torsten Kanzmeier, die keinen Schutzreflex (Bauchhmuskeln anspannen) auslösen und daher richtig reinhauen (was dann natürlich das System stört, aber dann ist es für Gegenmaßnahmen zu spät).

Gast
13-02-2017, 23:06
Wenn Atemi von der "liebevollen Berührung" bis zum tödlichen Schlag zum Kehlkopf alles bedeuten kann, dann ist mir völlig unklar von was hier in diesem Thread die Rede ist. Die wörtliche Übersetzung (https://www.aikidokan.de/eingang-deutsch/aikid%C5%8D-ist/aikid%C5%8D-w%C3%B6rterbuch/) von atemi 当身 ist wohl einfach „Den Körper treffen“.

Unter Atemi habe ich bisher einen Schlag, Stoß oder Tritt mit der Absicht, den Gegner kampfunfähig zu machen, verstanden. Auf YouTube gibt es ein Video How to properly preform atemi in Aikido (https://www.youtube.com/watch?v=7pIut5rFeo4) wo jemand alles zusammengefasst hat, was Nishio in seinen DVDs zu Atemi gesagt und gezeigt hat. Was mir bisher nicht bewusst war, darin werden auch Atemis zu Augen, Kehlkopf und Genitalien gezeigt, ebenso eine Technik zum Genick brechen angedeutet.

Oder gibt es andere Definitionen oder Meinungen zur Bedeutung von Atemi?
Eine andere Frage ist dann, wie das in der regelmäßigen Praxis im Dojo aussieht.

Aus den Nishio-DVDs habe ich schon einiges gelernt und Anregungen auch für mein Üben übernommen (natürlich nicht diese Atemis). Aber Nishio-Aikido wäre nicht mein Stil, den ich regelmäßig üben möchte.


Atemi die nicht in den Bewegungsablauf integriert sind, machen doch keinen Sinn, sie sind völlig überflüssig.
Gibt es bei euch Atemi, die nicht zum Bewegungsablauf gehören?

Da ich habe ich mich wohl auch wieder unklar ausgedrückt. Gemeint habe ich, was man zum Beispiel in folgendem Video von Morihiro Saito (ab 1:35) sieht, z.B. 1:45, 1:57, 1:59, 2:04. (Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, wurde das Video auch mal im Aikiweb-Forum diskutiert, aber ich finde den Thread nicht mehr).

yQwq5x6QMSc#t=1m35


Bei 2:50 sieht man z.B., wie er mit der Tegatana den Nacken schneidet, kann man machen, muss man aber nicht. Die Bewegung geht zwar auch ohne, aber wenn man es macht, ist es Bestandteil des Bewegungsablaufs.
Im Grunde genommen aber ist jeder Irimi-nage auch ein Atemi mit dem Wurfarm. Mit diesem Verständnis des Begriffs Atemi, ist dann tatsächlich in allen Aikido-Techniken Atemi enthalten, sogar in denen, die ich bisher regelmäßig geübt habe.

Ich habe noch mal Ellis Amdurs Kapitel "Atemi: Striking to the Heart of the Matter" aus "Duelling with O'Sensei" durchgelesen. Schon die Einleitung ist bemerkenswert:


Atemi ('hitting body') is generally believed to be the act of striking the opponent. However, if that's all it is, aikidoka are in trouble. Remember the oft-cited saying of Ueshiba Morihei, "Atemi is (70-)99% of aikido." ... So, if atemi is 99% of aikido, and atemi is the art of striking one's opponent, then who is doing aikido? Ich jedenfalls nicht (bisher).*

Einen Gedanken am Schluss dieses Kapitel möchte ich noch aufgreifen:

Without atemi, aikido technique is empty, a collusion between two partners enjoying a pleasant physical communication exercise. With potential atemi filling every movement, your technique takes on integrity.
Selbst wenn ich nur an Partnergymnastik und Tanz interessiert bin (wie sich bilbo ausgedrückt hat): ohne die Logik von Angriff und Verteidigung, ohne das Potenzial, einen Atemi auszuführen (und zwar sowohl von Uke als auch Nage), werden die Bewegung beliebig (wie in einigen Ki-no-michi Videos) und würden mir dann auch keine Freude mehr bereiten.

Ein konkretes Beispiel aus meiner Praxis ist Tenchi-Nage gegen Gyakuhanmi-Katatedori. Dazu gibt es ein schönes Video von Tissier, in dem er zeigt, wie man es als Nage nicht machen sollte (1:05-1:11):

2SFtUzeVXho

Genau diese Situation habe ich des öfteren beim Üben dieser Technik erlebt. Als braver, kooperierender Uke lasse ich mich dann doch einfach zur Seite fallen, was auf Dauer dann doch frustrierend ist. In den ersten Monaten habe ich dann noch die Faust geballt, aber irgendwann sein lassen, bevor tatsächlich noch eine Faust aus Versehen das Gesicht trifft. Ich bin mir sicher, dass der Sensei die Technik richtig vorführt und den Fehler auch erkennt; aber offenbar sollen die Schüler so etwas selbst herausfinden. Als Nage habe ich das natürlich auch schon falsch gemacht und es gibt auch Fortgeschrittene, die mich dann korrigiert haben, dann aber in Form von Belehrungen. Ich denke mal, die effektivste Form, solche Fehler auszubügeln ist ein (freundschaftlicher) Leichtkontakt-Atemi, was ich übrigens durchaus beim individuellen Üben mit einem meiner Lehrer (bei anderen Techniken) schon erfahren durfte.


________________
*) Ich habe übrigens Arunas Anregung umgesetzt und in meinem Profil als Kampfkunst "keine" angegeben. Damit meine ich, dass ich persönlich Aikido nicht als Kampfkunst übe. Es heißt nicht, dass ich Aikido üben aufgegeben habe.

Captain Kürbis
14-02-2017, 08:44
Selbst wenn ich nur an Partnergymnastik und Tanz interessiert bin (wie sich bilbo ausgedrückt hat): ohne die Logik von Angriff und Verteidigung, ohne das Potenzial, einen Atemi auszuführen (und zwar sowohl von Uke als auch Nage), werden die Bewegung beliebig (wie in einigen Ki-no-michi Videos) und würden mir dann auch keine Freude mehr bereiten.



Hallo Aiki50+,
schön dass du dich dazu entschieden hast weiter hier aktiv zu sein und die Diskussion mit zu gestalten! Der von mir (!) fett markierte Bereich wirft für mich einige Fragen auf, bei denen du mir vielleicht weiterhelfen kannst. Ich habe dich bisher so verstanden, dass dein Dillemma darin bestand, dass du Atemi nicht als effektive Form/Möglichkeit üben wolltest deine/-n Partner/-in zu verletzen. Jetzt schreibst du aber genau dass, worauf ich im Post Nr. 8 schon verwiesen habe. Atemi ohne Wirkung ist leer und losgelöst von der Bewegung. Der Atemi in der Bewegung erfüllt sehr häufig einen Sinn, und zwar nur dadurch, dass er einen gefährlichen Moment innen hat, ansonsten würde er nichts in Uke (oder Nage) auslösen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf stelle ich mir die Frage, wo genau das Problem liegt? Oder ist es letztendlich nur der eigene Schatten über den dort gesprungen werden muss?

Beste Grüße

washi-te
14-02-2017, 09:13
Ich habe dich bisher so verstanden, dass dein Dillemma darin bestand, dass du Atemi nicht als effektive Form/Möglichkeit üben wolltest deine/-n Partner/-in zu verletzen. Jetzt schreibst du aber genau dass, worauf ich im Post Nr. 8 schon verwiesen habe. Atemi ohne Wirkung ist leer und losgelöst von der Bewegung. Der Atemi in der Bewegung erfüllt sehr häufig einen Sinn, und zwar nur dadurch, dass er einen gefährlichen Moment innen hat, ansonsten würde er nichts in Uke (oder Nage) auslösen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf stelle ich mir die Frage, wo genau das Problem liegt?
Beste Grüße

So seh ich das auch.

Terao
14-02-2017, 11:08
- "Aber du kannst doch keine Frauen und Kinder erschießen!"
- "Doch, ist ganz einfach. Man muss nur weit genug vorhalten."
:cool:

ryoma
14-02-2017, 11:20
Aiki50+ erwähnte ja nun des öftern Ellis Amdur.

Gut möglich, dass er (und andere) dieses sehr detaillierte Interview von vor ein paar Jahren mit ihm nicht kennt:

Interview with Ellis Amdur part 1 - Martial Journey from Aikido to koryu | Interviews of Aikido masters | Resources on the practice of Aikido (http://www.guillaumeerard.com/aikido/interviews/interview-with-ellis-amdur-part-1-martial-journey-from-aikido-to-koryu)

Das ist Teil 1, es gibt den Link zu Teil 2 dort.

Das mag vielleicht hilfreich sein für das Verständnis von Amdur und seinen Sichtweisen.

Gast
14-02-2017, 11:44
Unter Atemi habe ich bisher einen Schlag, Stoß oder Tritt mit der Absicht, den Gegner kampfunfähig zu machen, verstanden. [...]
Was mir bisher nicht bewusst war, darin werden auch Atemis zu Augen, Kehlkopf und Genitalien gezeigt, ebenso eine Technik zum Genick brechen angedeutet.


Was widerspricht sich da deiner Meinung nach? Kampfunfähig machen geht am schnellsten, wenn man vitale Punkte angreift.



Oder gibt es andere Definitionen oder Meinungen zur Bedeutung von Atemi?


Vielleicht findest du ja was in diesem Buch:

https://www.amazon.com/Atemi-Lightning-Walther-von-Krenner/dp/069267182X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1461342772&sr=8-1&keywords=atemi+#reader_069267182X

carstenm
14-02-2017, 13:45
Wenn Atemi von der "liebevollen Berührung" ...Ich habe mich da wohl ungschickt ausgedrückt: Es war nicht gemeint, daß wir atemi als liebevolle Berührung üben, sondern daß es sich um ein aikidô handelt, das beides enthält: Es gibt sowohl den Gedanken der liebevollen Berührung, als auch atemi.


Unter Atemi habe ich bisher einen Schlag, Stoß oder Tritt mit der Absicht, den Gegner kampfunfähig zu machen, verstanden. Das ist in der Tat auch ein Aspekt, unter dem wir atemi üben. Nicht alle atemi stehen im Dienst einer Technik, sondern sie haben einen eigenen Stellenwert.
Falls denn tatsächlich ein atemi zum Kehlkopf funktionieren sollte, dann ist die Technik damit zu Ende. Wenn es mir bei shiho nage tatsächlich gelingt, die Niere des Angreifers zu treffen, werde ich weder unter seinem Arm noch durchtauche können oder müssen.
Andere atemi dienen eher dazu, z.B. die Distanz zum Angreifer zu erhalten oder Öffnungen zu vermeiden.


Was mir bisher nicht bewusst war, darin werden auch Atemis zu Augen, Kehlkopf und Genitalien gezeigt, ebenso eine Technik zum Genick brechen angedeutet. Das alllehes und noch viel meeeehr ... habe ich tatsächlich von Beginn an so kennengelernt.
Ich kenne auch aikidôka, die das zwar kennen, aber ganz bewußt nicht üben. Zum Beispiel solche, die aus dem sog. Ki-Aikido herkommen. Sei es nun von Maruyama sensei oder Yoshigasaki sensei. Aber auch einzelne Lehrer oder dôjô.
Aber mir war bisher nicht bewußt, daß man eine beträchtliche Zeit üben kann, ohne zu wissen, daß es diesen Aspekt von aikidô gibt. Wie auch immer man sich zu ihm verhält. Das ist für mich tatsächlich hilfreich zu lernen und zu wissen. Danke.


Eine andere Frage ist dann, wie das in der regelmäßigen Praxis im Dojo aussieht. In dem dôjô, meines ersten Lerhrers hatten wir Sandsack und Pratzen. Ich habe lange Jahre einige Abhärtungsübungen für die Hände gemacht. (Jetzt schon lange nicht mehr.) Wir sind häufig auf crossover-Lehrgänge gefahren damals. undsoweiter
Naja und im eigentlichen Training sind ja die Möglichkeiten vielfältig ...


*) Ich habe übrigens Arunas Anregung umgesetzt und in meinem Profil als Kampfkunst "keine" angegeben. Damit meine ich, dass ich persönlich Aikido nicht als Kampfkunst übe. Es heißt nicht, dass ich Aikido üben aufgegeben habe.:-) Was das steht, ist wichtiger für dich, als für die anderen, denke ich. Bei mir steht - glaube ich? - im Moment auch nicht aikidô. Obwohl ich's jeden Tag stundenlang übe ...

Gast
14-02-2017, 14:52
Nicht alle atemi stehen im Dienst einer Technik, sondern sie haben einen eigenen Stellenwert.
Falls denn tatsächlich ein atemi zum Kehlkopf funktionieren sollte, dann ist die Technik damit zu Ende. Wenn es mir bei shiho nage tatsächlich gelingt, die Niere des Angreifers zu treffen, werde ich weder unter seinem Arm noch durchtauche können oder müssen.


In diesem Fall ist dann Atemi = Technik.
Nicht die Technik ist dann zu Ende, sondern evtl. der Kampf. Natürlich hat man immer die Option einer Anschlusstechnik, daraus ergeben sich Abläufe. Die geübten Techniken sind also eher Möglichkeiten eines Ablaufs, eben Kata. Es kann so sein, muss aber nicht.
Die erste Bewegung ist die entscheidende, daraus resultieren alle weiteren Möglichkeiten.

Techniken sind meist didaktische Formen, man übt daran, seinen Körper zu konditionieren. Wie Amdur sagt, sind es weniger feste Techniken denn Vektoren, die für einen Aspekt stehen.
Atemi ist oft die reinste Form, wie z.b. bei Krenner zu lesen ist, kein "secondary Aspekt" der zu vernachlässigen wäre, "since O-Sensei’s own teachings reveal that striking is the very core of the art".
Aikido ist Atemi und Irimi.

Gast
14-02-2017, 15:14
Da ich habe ich mich wohl auch wieder unklar ausgedrückt. Gemeint habe ich, was man zum Beispiel in folgendem Video von Morihiro Saito (ab 1:35) sieht, z.B. 1:45, 1:57, 1:59, 2:04.

Also, was du damit meinst ist mir immer noch nicht klar.
Ich wäre ja immer noch neugierig in welchem Verband euer Dojo angegliedert ist, nur so zur Orientierung...

carstenm
14-02-2017, 16:30
In diesem Fall ist dann Atemi = Technik.Ja. Genau so.

carstenm
14-02-2017, 17:05
So wie das hier dargestellt wurde soll nach meinem Verständnis nur vermieden werden, dass durch die Berührung eine Abwehrreaktion des Gegners verursacht wird.
Die Beeinflussung des Systems läuft dan quasi unter dem Radar des Uke.Ja. So ist es gemeint.
Es geht um die Art und Weise, wie man sich in das System des Angreifers "einlogged". Um es dann manipulieren zu können.


Das war ein Beispiel wie sehr Amdur durch die schuleigene Philosophie und Psychologie durchdrungen war und somit ein Hinweis darauf, wie erfolgreich diese Schule das anzuwenden wusste. Interessant ist, daß Ellis in der zweiten Auflage dieses Ereignis anders einordnet, als in der ersten. Seine Sicht darauf hat sich verändert im Laufe der Jahre und er spricht in der zweiten Auflage von einer Schuld, die er nicht auslöschen kann, sondern mit der er bis zu seinem Tode leben müsse. Er habe durch diesen Kontrollverlust gelernt, sich selber niemals aus den Augen zu lassen ...

Was nichts daran ändert, daß sein Verhalten einem Weiterüben in der Schule angemessen war. Während das Verhalten seines Freundes, der sich seiner Erschöpfung und seiner Angst geschlagen gegeben hatte, ihn genötigt hat, die Schule zu verlassen.

Ich glaube, dieses Erlebnis illustriert das, worum es in diesem thread geht, und was in einem budô u.a. zu lernen ist:
Ethisch betrachtet lädt man Schuld auf sich, wenn man die Kontrolle über sich selbst so vollständig verliert, daß der Lehrer einen davon abhalten muß während des keiko einen guten Freund schwer zu verletzen.
Aus der Sicht des budô hat Ellis aber gerade das verkörpert, was gelernt werden soll. Wohingegen sein Partner, der aus Schwäche "überreagiert" hat - und ja seinerseits die Kontrolle verloren hat und genauso zurückgehalten werden mußte, um Ellis nicht schwer zu verletzen - das Soll der Schule eben gerade nicht erfüllt hat.

@ aiki50+:
Aus meiner Sicht gibt es keine Möglichkeit, aikidô zu üben, ohne diesem Dilemma zu entgehen. Selbst wenn es einem denn gelänge, gedanklich alle aggressiven Anteile nur bei uke zu versammeln - auch diese Rolle muß man ja angemessen ausfüllen. Die heißt dann ggf. nicht "aikidôka", sondern "Angreifer". Aber auch die muß ich seriös erfüllen. Ich beschäftige mich eben dann als "Angreifer" mit Hauen und Stechen ... das bin immer noch ich, der dann eben in dieser Rolle Gewalt ausübt und - um es gut zu machen - ein entsprechendes mindset entwickeln muß.

Aber auch die Techniken selber haben ja alle ein heftiges Potential, andere Menschen zu schädigen. Die atemi sind nur das, was man auf den ersten Blick sieht. Ellenbogen kaputt machen. Oder die Halswirbelsäule. Oder ein Handgelenk, die Schulter ... und was man da alles übt ... ist doch auch nicht viel netter ....

Um mit diesem Dilemma umgehen zu lernen, ist ein dôjô genau der richtige Ort:
Es wird faktisch niemand verletzt. Im Gegenteil: Wir üben so, daß unsere Partner gesund bleiben.
Es gibt einen Lehrer und die sempai, die dieses Thema selber hinter sich haben und den Schülern in ihrer Entwicklung helfen können.
Es gibt rei, dôjôkun, das weltanschauliche Gerüst der jeweiligen Schule ... (Ich habe im dôjô meines ersten Lehrers z.B. auch Heilkunde in ihren Anfängen gelernt. Shiatsu, Akkupressur, Massagen ... auch das hat mit dazu gehört.)
Man hat also eine Art Experimentierbaukasten, in dem man üben kann, mit diesem Thema umzugehen. Man kann im wahrsten Sinne des Wortes damit spielen.

Und man wird meiner Erfahrung nach ganz sicher nicht über Nacht zum ethikfreien Gewaltäter, wenn man sich auf dieses Spiel einläßt. Diese Dinge sitzen zu tief.
Aber man lernt unendlich viel über sicht selbst und über das Leben, wenn man sich darauf einläßt.

Ich habe eine Parallele gefunden in dem, was im Buddhismus manchmal mit Klarheit bezeichnet wird.


Mich würde mal interessieren, wie das folgende Shirakawa-Video auf das KKB-Fachpublikum wirkt:
...
Ich habe noch nie bei Shirakawa sensei geübt. Aber ich habe den Eindruck, daß er auch mit nicht kooperativen Angreifer umgehen kann. Denn ich meine zu sehen, daß er nicht tanzt, sondern seine Partner sehr klar bewegt.
Was meinst du, wie das, was hier aufgrund des gekonnten ukemi so geschmeidig federleicht aussieht, auf jemanden einwirkt, der kein ukemi beherrscht?

Shirakawa liebt es ja, die Knie zu blockieren. Das ist ja auch im jiyu waza bei dan-Prüfungen ganz beliebt. Hast du mal erlebt, was passiert, wenn uke da nicht wegkommt?


*) und in dem ich nebenbei bemerkt, auch keine Atemis sehe, außer denen, die zum Bewegungsablauf gehören.Wie definierst du dieses zum Bewegungsablauf gehören?
Worin besteht für dich der Unterschied, ob ich irmi nage durch atemi zum Gesicht werfe oder "einfach so" atemi zum Gesicht mache? Warum ist atemi "zum Gesicht" anders als zum Kehlkopf oder zu den Augen?
An dieser Stelle habe ich das Gefühl, daß du dir selbst gegenüber nicht wirklich klar und ehrlich bist.


carstenm kennt Ellis Amdur aber wohl ziemlich gut, da kann er was zu ihm schreiben.Nur um das klar zu stellen: Ich kenn Ellis nicht persönlich. Allerdings haben wir uns vor einiger Zeit über einen längeren Zeitraum sehr intensiv schriftlich ausgetauscht. Früher hätte man gesagt: Wir haben korrespondiert.
Inhalte waren dabei das Manuskript der Neuauflage von Duelling with O Sensei.
Wir haben uns über bestimmte Lehrer ausgetauscht. Und über den Bezug von aikidô und koryû.
Zudem hat einer der Lehrer, bei denen ich übe, mit ihm zusammengearbeitet bei der Entstehung von HIPS.

Gast
14-02-2017, 22:47
Der von mir (!) fett markierte Bereich wirft für mich einige Fragen auf, bei denen du mir vielleicht weiterhelfen kannst. Ich habe dich bisher so verstanden, dass dein Dillemma darin bestand, dass du Atemi nicht als effektive Form/Möglichkeit üben wolltest deine/-n Partner/-in zu verletzen. Jetzt schreibst du aber genau dass, worauf ich im Post Nr. 8 schon verwiesen habe. Atemi ohne Wirkung ist leer und losgelöst von der Bewegung. Der Atemi in der Bewegung erfüllt sehr häufig einen Sinn, und zwar nur dadurch, dass er einen gefährlichen Moment innen hat, ansonsten würde er nichts in Uke (oder Nage) auslösen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf stelle ich mir die Frage, wo genau das Problem liegt? Oder ist es letztendlich nur der eigene Schatten über den dort gesprungen werden muss?
Ich kenne keinen eigenen Begriff für einen angedeuteten Atemi, also einen Faustschlag oder Tritt der vor dem Auftreffen gestoppt wird oder einfach nur eine geballte Faust als Signal, dass man seinen Gegner treffen könnte. Das sieht man zum Beispiel in dem Tissier-Video in 1:10. Ich habe Aikido nie anders als partnerschaftliches Üben von Kata und seltener auch mal als spielerisches Randori kennen gelernt. Wenn zum Beispiel Uke beim Üben eines Irimi-Nage (gegen Aihanmi Katatedori) nach dem ersten Kontakt einfach nur weglaufen möchte, Nage irgendwie umrundet, um sich am Ende der Runde fallen zu lassen, dann verliert dieses Üben jeden Sinn. Dem Lernen von richtigem Ukemi muss man meiner Meinung die gleiche Aufmerksamkeit widmen wie dem Lernen der Nage-Waza. Und ebenso sinnlos ist es, aus übertriebener bzw. falsch verstandener Kooperation sich als Uke fallen zu lassen, egal was Nage macht. Ein Bild von einer Faust ist da viel hilfreicher als viele erklärende Worte. Das ist das, was ich mit dem fett markiertem Satz gemeint habe.

Ich selber bin ja nicht so weit fortgeschritten und auch viele meiner Übungspartner auf einem ähnlichen Level würden einen Atemi als Drohung gar nicht erkennen. Deswegen spielt dieser Aspekt im Moment bei mir noch keine Rolle, wird aber sicher noch kommen.

Nicht nur deswegen muss ich mir eingestehen, dass ich im Moment kein Budo ausübe. Auf Carstens langen und sehr interessanten Beitrag muss ich in den nächsten Tagen antworten, heute ist es mir zu spät dafür.

Gast
15-02-2017, 09:22
. Ein Bild von einer Faust ist da viel hilfreicher als viele erklärende Worte. Das ist das, was ich mit dem fett markiertem Satz gemeint habe.


Wenn du so von der Wichtigkeit von Atemi überzeugt bist, welches Problem hast du eigentlich damit?

Gast
15-02-2017, 12:01
und auch viele meiner Übungspartner auf einem ähnlichen Level würden einen Atemi als Drohung gar nicht erkennen

Eine Bedrohung ist ja nur dann eine, wenn sie auch "ernst" gemeint ist.
Spätestens nach einem Treffer wird man verstehen, dass man Atemi ernst nehmen sollte.
Ich habe das vor vielen Jahren mal mit jemandem durchexerziert, der irgendwie keine Lust hatte sich durch einen yokomen uchi irgendwie genötigt zu fühlen, sich zu bewegen um dem Schlag auszuweichen, der Bestandteil der Technik war. Ich konnte ihn damals nicht so über den Körperkontakt führen wie heute, aber ich habe gesagt dass ich richtig schlagen würde wenn er sich nicht bewegt.
Er tat das nicht, und so traf ich ihn ziemlich hart. Der Lerneffekt war dann nachhaltig.
Natürlich ist es besser, wenn man es so rüberbringen kann, dass es vorher schon real spürbar ist, und es bei uke im Nacken kribbelt.


Wenn zum Beispiel Uke beim Üben eines Irimi-Nage (gegen Aihanmi Katatedori) nach dem ersten Kontakt einfach nur weglaufen möchte, Nage irgendwie umrundet, um sich am Ende der Runde fallen zu lassen, dann verliert dieses Üben jeden Sinn.

Richtig, da hat niemand etwas davon, oder lernt etwas. Aber das ist auch nur möglich wenn nage keine Kontrolle ausübt, und spätestens nach dem zweiten mal dass jemand sich alleine fallen lässt, werfe ich zu einem Zeitpunkt an dem dem er nicht damit rechnet.

Hier nochmal ein Beispiel: Technik Atemi, oder mit Folgetechnik

https://www.youtube.com/watch?v=yvvmy7X8ACQ

MasterKen
16-02-2017, 15:53
Ich muß bei der Liebe in Aikido auch immer an das "Frieden bringende Schwert" denken. Das ist genau so wie der Friedenspanzer(Die Ärzte).

Ich glaube als Anfänger darf man von sich selbts nicht zu viel erwarten. Was für die technischen Fertigkeiten gild, gilt auch für die Mentale Seite. Man wird das Gedankengut eines +2.Dan nie als Kyu erreichen, auch nicht durch Lesen vieler Aikidogedanken.

Ich für meinen Teil (Anfänger) empfinde es als äußerst hilfreich wenn man noch etwas anderes(Budo) vorher oder nebenher macht.
Jodo zum Beispiel, ist extrem strikt von allen Bewegungen, es gibt nur Richtig und Falsch, kein daziwschen. Der Jo wird absolut auf Abwehr/Angriff gehalten, damit absolut keine Lücke entsteht, usw.
Erst das Wissen darum lässt einen die schönen Dinge im Aikido erkennen.
Schwierig zum erklären, aber wenn man im Aikido Fassangriff auf den Jo trainiert, muß man erst eine Lücke öffnen die den Angreifer zum Fassen anregt und dann ist er schon in die Finte reingelaufen. Hält man dagegen den Jo wie im Jodo, kommt selbst der Anfänger nicht im Traum auf die Idee den Stock mit den Händen an zu fassen.

Ich glaube gerade am Anfang ist es gut, wenn man sich auch auf ein etwas "agresieveres" Gedankengut einlässt.
Das erhöht die Aufmerkasamkeit im Trainuing und lässt einen viele Dinge später auch mal in einem anderen Licht sehn.

@Pysiotherapie mit Aikido
Um pysiotherapeutisch etwas zu erreichen benötigt es kein Rezept oder Auftrag eines Therapeuten.
Es geht da ja nicht immer nur um Extremfälle mit Beschwerden und Verletzungen.
In unserer heutigen sitzenden Welt ist die Körperhaltung der meisten schon pysiotherapeutisch schlecht. Kückenbeschwerden, weil Oberschenkel und Gesäß "verkürtzt sind" usw.
Alleine das sitzen im Aikido ist therapeutisches arbeiten an einem selbst, dazu kommt aufrechte Körperhaltung etc.
Ich habe alleine 2 Jahre gebrauch um sitzen zu können.
Pysiotherapeutisch ist Aikido ein voller Erfolg :)

ryoma
16-02-2017, 18:05
Ich muß bei der Liebe in Aikido auch immer an das "Frieden bringende Schwert" denken. Das ist genau so wie der Friedenspanzer(Die Ärzte).

Ich glaube als Anfänger darf man von sich selbts nicht zu viel erwarten. Was für die technischen Fertigkeiten gild, gilt auch für die Mentale Seite. Man wird das Gedankengut eines +2.Dan nie als Kyu erreichen, auch nicht durch Lesen vieler Aikidogedanken...

Darauf hatte ich mich schon an anderer Stelle bezogen.

Meiner Ansicht nach haben leider die allermeisten Aikidôka ein völlig verkehrtes Bild ihrer Kampfkunst wie auch Kampfkunst allgemein.

Bei ihnen kommt Frieden und Gewaltlosigkeit an erster Stelle (noch bevor sie einen Fuss in ein Dôjô gesetzt haben)... und danach ganz lange nichts mehr. Frieden und Gewaltlosigkeit ist hier nicht ein Ergebnis des Trainings sondern die absolute Grundvoraussetzung.

Bei Ueshiba (er hängt ja als Bild und Vorbild in jedem Aiki-Dôjô) war es aber eben gerade umgekehrt. Er hat "Gewalt" erfahren. Ob dies nun in seinem Kenjutsu- oder Jûjutsu-Training oder während dem Krieg war. Aber er hat diese Entwicklung eben so durchgemacht und ist dann erst zu seiner schlussendlichen Philosophie gekommen.

Ich habe mich mit Ueshibas Biographie nur am Rande befasst. Aber können die Spezialisten hier etwas dazu sagen, ob er je auf diesen Aspekt zu sprechen kam, dass erst die Erfahrung von Gewalt ihn zu seiner späteren Sichtweise geleitet hat? Und vorallem: was hat er diesbezüglich für seine Schüler vorgesehen?

carstenm
16-02-2017, 18:42
.. ob (Ueshiba) er je auf diesen Aspekt zu sprechen kam, dass erst die Erfahrung von Gewalt ihn zu seiner späteren Sichtweise geleitet hat? Und vorallem: was hat er diesbezüglich für seine Schüler vorgesehen?Ich denke, in Bezug auf den Friedens-Begriff bei Ueshiba sensei sind sehr plakativ gesprochen zwei grundlegende Aspekte zu unterscheiden:

1. Der Begriff "Friede" kann sich im Denken von Ueshiba auf einen inneren Zustand beziehen, der das Ergebnis des in yô hô ist, wie es im daitô ryû / aiki budô / aikidô geübt wird.
Dieses Denken ist im Daoismus verwurzelt und "Friede" ist dabei der Name des 11. Hexagramm, bei dem die Basis gebildet wird von dem Trigramm Himmel und der obere Aspekt von dem Trigramm Erde. aiki ist also "Friede" im Sinne eines inneren alchemistischen Prozesses ...
Was auch immer das im Einzelnen bedeuten mag - es geht dabei in keinen Falle um einen irgendwie ethisch verstandenen Friedensbegriff.

2. Ueshiba sensei hat eine ultarnationalistische Polititk vertreten und hatte engste Kontakte zu militärischen, wirtschaftlichen und polititschen Eliten. Ebenso auch zu einigermaßen obskuren rechten Gruppen.
Für ihn haben der Abwurf der Atombomben und dann vor allem aber auch die Kapitulation des Kaisers ein tiefes Trauma bedeutet. Die bis dahin nicht vorstellbar Ohmmacht und die Unterordnung eines "Gottes" haben seine Weltsicht völlig verändert. Um nicht zu sagen, zerstört.
Seine politischen Aussagen zum Thema Frieden haben hier ihre Wurzeln. Sie sind also zunächst nicht individualethisch auf sein budô bezogen.

Schließlich:
Zu bedenken ist bei alledem, daß Ueshiba sensei zeitlebens nicht öffentlich gezeigt hat, was er "eigentlich" übt und unterrichtet. Erst 1955 hat sein Sohn überhaupt erst eine halböffentliche Vorführung erreichen können.
Zahlreiche Aussagen belegen, daß nichts von dem, was wir auf all den Videos von ihm sehen, das ist, was er tatsächlich für sich geübt hat. D.h. die Friedensaussagen, die so gerne mit dem fluffigen Ueshiba-Bild verbunden werden, verkennen, daß er "im Hintergrund" zeitlebens Dinge geübt hat, die sehr "intensiv" waren. .
Und auch viele seiner Schüler zeigen bis heute bestimmte Aspekte nur ihren eigentlichen Schülern. Es igibt auch im aikidô so etwas wie omote und ura. Wenn auch nicht so formalisiert, wie in koryû.

Gast
16-02-2017, 19:06
D.h. die Friedensaussagen, die so gerne mit dem fluffigen Ueshiba-Bild verbunden werden, verkennen daß er "im Hintergrund" zeitlebens Dinge geübt hat, die sehr "intensiv" waren.

Diese "intensiven" Dinge haben ihn allerdings nicht mal in die Lage versetzt, einen Wehrlosen unbewaffnet zu töten, weswegen er aus der eine Tugend machte und behauptete, er wolle nicht....

carstenm
16-02-2017, 19:22
@ Aruna:
So siehts aus.

ryoma
16-02-2017, 20:56
Ich denke, in Bezug auf den Friedens-Begriff bei Ueshiba sensei sind sehr plakativ gesprochen zwei grundlegende Aspekte zu unterscheiden:

1. Der Begriff "Friede" kann sich im Denken von Ueshiba auf einen inneren Zustand beziehen, der das Ergebnis des in yô hô ist, wie es im daitô ryû / aiki budô / aikidô geübt wird.
Dieses Denken ist im Daoismus verwurzelt und "Friede" ist dabei der Name des 11. Hexagramm, bei dem die Basis gebildet wird von dem Trigramm Himmel und der obere Aspekt von dem Trigramm Erde. aiki ist also "Friede" im Sinne eines inneren alchemistischen Prozesses ...
Was auch immer das im Einzelnen bedeuten mag - es geht dabei in keinen Falle um einen irgendwie ethisch verstandenen Friedensbegriff...

Ja, das macht Sinn. Hier mag wohl auch das sehr japanische (shintoistische) Verlangen nach Harmonie mit einfliessen.
Auch diese "Harmonie" hat nichts mit dem neuzeitlichen, westlichen Verständnis dieses Begriffs zu tun.
Harmonie ist dann erreicht, wenn die bestehende Ordnung erhalten bleibt. Das wiederum ist ein neokonfuzianisch geprägtes Verständnis.

Bei all dem frage ich mich eben wieder, wieviel davon die westlichen Aikidô-Übenden wirklich wissen oder wissen wollen.

carstenm
16-02-2017, 21:10
Harmonie ist dann erreicht, wenn die bestehende Ordnung erhalten bleibt. Das wiederum ist ein neokonfuzianisch geprägtes Verständnis.Richtig. Dieser Gedanke findet sich bei Ueshiba ganz ausdrücklich


Bei all dem frage ich mich eben wieder, wieviel davon die westlichen Aikidô-Übenden wirklich wissen oder wissen wollen.... seufz ...

Captain Kürbis
17-02-2017, 08:35
Diese "intensiven" Dinge haben ihn allerdings nicht mal in die Lage versetzt, einen Wehrlosen unbewaffnet zu töten, weswegen er aus der eine Tugend machte und behauptete, er wolle nicht....

Magst du das ausführen? Bei mir klingelt da nämlich nichts.


Zu bedenken ist bei alledem, daß Ueshiba sensei zeitlebens nicht öffentlich gezeigt hat, was er "eigentlich" übt und unterrichtet. Erst 1955 hat sein Sohn überhaupt erst eine halböffentliche Vorführung erreichen können.
Zahlreiche Aussagen belegen, daß nichts von dem, was wir auf all den Videos von ihm sehen, das ist, was er tatsächlich für sich geübt hat. D.h. die Friedensaussagen, die so gerne mit dem fluffigen Ueshiba-Bild verbunden werden, verkennen, daß er "im Hintergrund" zeitlebens Dinge geübt hat, die sehr "intensiv" waren. .
Und auch viele seiner Schüler zeigen bis heute bestimmte Aspekte nur ihren eigentlichen Schülern. Es igibt auch im aikidô so etwas wie omote und ura. Wenn auch nicht so formalisiert, wie in koryû.

Sowas hört man ja immer wieder leuten. Hast du da irgendwelche Quellen zu bei denen man in den Gedanken bzw. das Trainierte etwas tiefer einsteigen kann? Natürlich wird nirgendwo ein Trainingsprogramm verschriftlich sein, aber die Richtung des Trainings würde mich schon interessieren.

Gast
17-02-2017, 08:55
Diese "intensiven" Dinge haben ihn allerdings nicht mal in die Lage versetzt, einen Wehrlosen unbewaffnet zu töten, weswegen er aus der eine Tugend machte und behauptete, er wolle nicht....

Die Frage zu diskutieren ob er es gekonnt hätte ist müßig, das haben wir an anderer Stelle doch schon festgestellt.



Harmonie ist dann erreicht, wenn die bestehende Ordnung erhalten bleibt. Das wiederum ist ein neokonfuzianisch geprägtes Verständnis.

Bei all dem frage ich mich eben wieder, wieviel davon die westlichen Aikidô-Übenden wirklich wissen oder wissen wollen.

Das ist eigentlich von Anfang an so dargestellt worden, ein körperlicher Angriff ist eine aus dem Gleichgewicht geratene Situation, die durch eine Aiki-Handlung widerhergestellt werden kann oder soll.
Der Fehler war, Begriffe wie "den Gegner ins Herz schließen", "Liebe" und "Frieden" so zu interpretieren, dass dies ausschließlich gewaltfrei und defensiv vor sich gehen könnte.
Das wurde aber von den japanischen Shihan die in den Westen kamen, gar nicht so vermittelt, die haben einfach Aikido unterrichtet und wenig erklärt, und in den ersten Büchern die über Aikido erschienen sind, z.B. von Tadashi Abe, stellte sich das auch etwas anders dar.

Die Westler haben sich halt ihre eigenen Interpretationen gebastelt.

carstenm
17-02-2017, 09:00
Magst du das ausführen? Bei mir klingelt da nämlich nichts.Ich denke, Aruna bezieht sich auf diese sehr spannende Diskussion (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f76/ethische-aspekte-moderner-kampfkunst-180094/index8.html#post3531177).


Hast du da irgendwelche Quellen zu bei denen man in den Gedanken bzw. das Trainierte etwas tiefer einsteigen kann? Natürlich wird nirgendwo ein Trainingsprogramm verschriftlich sein, aber die Richtung des Trainings würde mich schon interessieren.Insgesamt eher Formen mit einem stärker martialen Charakter, wie er sie auch schon in den dreißiger Jahren gelernt und gelehrt hatte. Also weiterhin sehr nah an den Formen des daitô ryû.

Schriftlich kann man verstreut Aussagen dazu finden bei Schülern von Ueshiba. Am deutlichsten ist ein Zitat von Ueshiba Kisshomaru sensei, indem er betont, daß das aikidô seines Vaters zeitlebens vor allem aus atemi bestanden habe. Ich glaube, es findet sich in der Biographie seines Vaters.

Daß entspricht Aussagen, die ich - vermittelt durch einen seiner Schüler - von Yamaguchi sensei und unmittelbar von Endô sensei kenne.
Auch ein schwedischer aikidôka, der noch bei Ueshiba sensei geübt hat, hat das angedeutet.

Interessant ist dabei für mich einfach die Tatsache, daß Ueshiba unterschieden hat zwischen öffentlich und nicht öffentlich.
Es nicht so sehr darum, daß da irgendwelche geheimen Techniken zu entdecken wären.

Gast
17-02-2017, 09:28
Diese "intensiven" Dinge haben ihn allerdings nicht mal in die Lage versetzt, einen Wehrlosen unbewaffnet zu töten, weswegen er aus der eine Tugend machte und behauptete, er wolle nicht....

Magst du das ausführen? Bei mir klingelt da nämlich nichts.


das war ein Insider, siehe hier:


http://www.kampfkunst-board.info/forum/f76/ethische-aspekte-moderner-kampfkunst-180094/index17.html#post3538947

Ich persönlich empfinde da eine gewisse Ambivalenz, zwischen der unfriedlichen Einstellung Ueshibas und der "intensiven" Geheimübungen, die hier missverstanden wird und der tatsächlichen Unfähigkeit tödliche Gewalt ohne ein Schwert auszüben, bzw. das Fehlen jeglichen Beleges, dass er Aikdo abseits von Vorführungen erfolgreich eingesetzt hätte.

Naja, war sicher eine eher schwer ergründbare, vielschichtige Persönlichkeit...

Tohei Koichi, der ja immerhin an WWII teilgenommen hat, gebraucht zumindest in seinen Büchern nach meiner Erinnerung zumindest den Begriff "Liebe" durchaus in dem modernen Sinn:
Ich kann mich erinnern, dass er in einem Buch berichtet, einem Lehrer, der meint, er schlüge seine Schüler aus "Liebe", den Rat erteilte, er solle beim nächsten Mal, bevor er einen Schüler schlägt, sich auf das Gefühl der Liebe für diesen Schüler einlassen und dann schauen, wie hart er noch zuschlagen kann..
(Edit: ein Lehrer an einer Schule, kein Aikidolehrer)

Captain Kürbis
17-02-2017, 09:29
Interessant ist dabei für mich einfach die Tatsache, daß Ueshiba unterschieden hat zwischen öffentlich und nicht öffentlich.
Es nicht so sehr darum, daß da irgendwelche geheimen Techniken zu entdecken wären.

Vielen Dank für die Infos, ich schau mir die Diskussion gleich mal an!
Interesse an "geheimen Techniken" habe ich weiß Gott nicht. Aber es ist ja schon spannend, wenn die oft dargestellte Trennung zwischen Vor- und Nachkriegs-Aikido für O'Senseis eigenes Üben nie galt.

karate_Fan
17-02-2017, 09:50
Vielen Dank für die Infos, ich schau mir die Diskussion gleich mal an!
Interesse an "geheimen Techniken" habe ich weiß Gott nicht. Aber es ist ja schon spannend, wenn die oft dargestellte Trennung zwischen Vor- und Nachkriegs-Aikido für O'Senseis eigenes Üben nie galt.

Wobei ich ja der Meinung bin, das die Trennung ohnehin nicht viel Sinn ergibt. Kann aber gut sein, das mir was wesentliches als nicht Aikidoka entgeht, bin mehr an der Geschichte des Aikido interessiert als an den praktischen Aspekten dieser KK; aber so rein von den Videos her hat sich Aikido technisch gesehen nicht viel verändert. Die Techniken aus dem 1930er Video von Ueshiba sehen nicht viel anders als, als die Techniken Jahre später.

Wenn es einen Unterschied zwischen dem Vor und Nachkriegs Aikido gibt, dann ist der nicht in den Techniken zu suchen, zumindest nicht auf dem ersten Blick............ Finde es aber auch spannend wie sich Aikido entwickelt hat.

Und was für widersprüchliche Fakten es über Ueshiba gibt. Er und viele andere Aikido Lehrer sind wirklich interessante Persönlichkeiten.

Gast
17-02-2017, 10:03
Vielen Dank für die Infos, ich schau mir die Diskussion gleich mal an!

Ich würde an der von mir verlinkten Stelle beginnen, und mich evenentuell zurückhangeln.
Außer Du bist an einer Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Judowerten interessiert...

Gast
17-02-2017, 10:06
Zu bedenken ist bei alledem, daß Ueshiba sensei zeitlebens nicht öffentlich gezeigt hat, was er "eigentlich" übt und unterrichtet.

Er hat vieles von dem was er geübt hat, auch gar nicht unterrichtet.
Aber WAS er unterrichtet hat, weiß man doch sehr gut, was er in Tokio unterrichtet hat weiß ich von meinen eigenen Lehrer, und was er in Iwama unterrichtet hat, weiß man über Saito Sensei und andere Leute.

Dass es einige Lehrer gibt die nicht alles an jeden weitergeben, ist wohl eine persönliche Sache, die hat nichts mit ura und omote Inhalten einer Schule gemein hat, sondern ist die individuelle Unterrichtsmethode eines bestimmten Lehrers.
Ich binde auch nicht jedem gleich alles auf die Nase, was ich in jahrlanger Arbeit für mich selbst herausgefunden habe.
Erstens hat jeder selbst an sich zu arbeiten, und zweitens kann auch nicht auf jedem Level alles verstanden werden, die Kapazitäten hinsichtlich dessen was jemand aufnehmen kann, wachsen ja schließlich mit.



Es nicht so sehr darum, daß da irgendwelche geheimen Techniken zu entdecken wären.

Naja, es gab schon ein paar Sachen die er nur den uchideshi gezeigt hat, das weiß ich ziemlich sicher, aber das ist nicht so dass sowas jemals als "versteckte Technik" irgendwie Bestandteil einer tradierten formellen Weitergabe gewesen wären.

Gast
17-02-2017, 13:12
Wenn es einen Unterschied zwischen dem Vor und Nachkriegs Aikido gibt, dann ist der nicht in den Techniken zu suchen, zumindest nicht auf dem ersten Blick............ Finde es aber auch spannend wie sich Aikido entwickelt hat.


vielleicht mal dieses Interview mit Michio Hikitsuchi, einem Vor- als auch Nachkriegsschüler, lesen:

Interview with Michio Hikitsuchi Sensei, Aikido 10th Dan by Laurin Herr and Tim Detmer (http://members.aikidojournal.com/public/interview-with-michio-hikitsuchi-sensei-aikido-10th-dan-by-laurin-herr-and-tim-detmer/)


After the war, did O-Sensei also change how he taught?

The method of practice was the opposite of what it had been. We no longer attacked. We looked at our partners’ ki in order to see the whole of them. From the top of their head to the tips of their toes. Not just external appearances. We needed to become able to absorb our partners’ minds.

Training this way was more difficult. We couldn’t wait for a partner to attack. We had to have the ability to instantly perceive the partner’s suki (openings) and intent to attack.Where will they strike? How will they move? We had to train to cultivate these sensing abilities in ourselves.

Now all the techniques I teach are those of the postwar period. They are the true waza of O-Sensei’s Aikido.

MasterKen
17-02-2017, 13:47
Ueshiba ist für mich nur ein Bild an der Wand. O-Sensei trifft den Bezug den man als "Neuling" hat am besten, einfach zu weit weg.
Das Aikido von O-Sensei gibt es doch schon nach der ersten Schülergeneration nicht mehr. Jeder Lehrer erlebt und sieht das Aikido anders. Selbst wenn er versucht sich an das was/wie er gelernt hat zu halten, so ist das was er weitergibt immer mit seinem Selbst dabei.
Dazu kommen dann noch wissenschaftliche Erkentnisse die man damals noch nicht hatte.

Ich empfinde aber genau diese Freiheit das schöne am Aikido, man kann, selbst im eigenen Dojo, von jedem etwas anderes lernen.

carstenm
17-02-2017, 14:40
Ueshiba ist für mich nur ein Bild an der Wand.Falls du es tust: Warum verbeugst du dich vor einem Bild an einer Wand?


Das Aikido von O-Sensei gibt es doch schon nach der ersten Schülergeneration nicht mehr. Hast du das schon mal jemandem gesagt, der bei O sensei geübt hat?
Was hat er oder sie dazu gesagt?


Dazu kommen dann noch wissenschaftliche Erkentnisse die man damals noch nicht hatte.Was für wissenschaftliche Erkenntnisse meinst du?

Gast
17-02-2017, 17:31
Ich glaube, dieses Erlebnis illustriert das, worum es in diesem thread geht, und was in einem budô u.a. zu lernen ist:
Ethisch betrachtet lädt man Schuld auf sich, wenn man die Kontrolle über sich selbst so vollständig verliert, daß der Lehrer einen davon abhalten muß während des keiko einen guten Freund schwer zu verletzen.
Aus der Sicht des budô hat Ellis aber gerade das verkörpert, was gelernt werden soll. Wohingegen sein Partner, der aus Schwäche "überreagiert" hat - und ja seinerseits die Kontrolle verloren hat und genauso zurückgehalten werden mußte, um Ellis nicht schwer zu verletzen - das Soll der Schule eben gerade nicht erfüllt hat.

@ aiki50+:
Aus meiner Sicht gibt es keine Möglichkeit, aikidô zu üben, ohne diesem Dilemma zu entgehen. Selbst wenn es einem denn gelänge, gedanklich alle aggressiven Anteile nur bei uke zu versammeln - auch diese Rolle muß man ja angemessen ausfüllen. Die heißt dann ggf. nicht "aikidôka", sondern "Angreifer". Aber auch die muß ich seriös erfüllen. Ich beschäftige mich eben dann als "Angreifer" mit Hauen und Stechen ... das bin immer noch ich, der dann eben in dieser Rolle Gewalt ausübt und - um es gut zu machen - ein entsprechendes mindset entwickeln muß.
Ich kann diese Gedanken nachvollziehen, und halte es auch nicht für prinzipiell verwerflich Budo in diesem Sinn zu üben, als Vorbereitung zum Umgang mit Krieg oder Gewalt. Aber ich persönlich möchte Aikido nicht als SV üben, selbst wenn man es in letzter Konsequenz dann nicht mehr als Aikido oder Budo betrachten dürfte.

Früher (in meiner aktiven Zeit vor 30-25 Jahren) hatte ich auch an diese gedankliche Trennung zwischen aggressivem Angreifer und den nur verteidigenden Aikidoka geglaubt. Inzwischen bin ich zur der Überzeugung gekommen, dass es im Rahmen des Aikido-Trainings (wie ich es kenne), Uke und Nage unterschiedliche, aber zu einander passende Aspekte des selben Aikidos üben: Yoshigasaki hat das mal sehr schön formuliert, was ich vor einem halben Jahr auch schon mal zitiert hatte:



Da es im Aikido keine Angriffstechniken gibt, gibt es auch keine Gewinner oder Verlierer. Der Autor (Yoshigasaki) hat die Erfahrung gemacht, dass ein guter Nage (Verteidiger, Werfender) stets auch ein guter Uke (Angreifer, Geworfener) ist, weil beide sich in diesem Fall harmonisch und koordiniert bewegen. Die Fähigkeit eine Technik selbst auszuführen, und die Fähigkeit, sie mit sich ausführen zu lassen, sind ein und dasselbe. Uke muss immer im Kopf behalten, dass man beim Aikido nicht kämpft, sondern dass beide einander helfen, die Aikidotechniken immer besser auszuführen. Wenn Sie danach trachten, nicht aggressiv zu sein, keinen Widerstand zu leisten und als Nage Harmonie zu schaffen, wird sich Ihr gesamter Körper und Ihr gesamter Geist in dieser Richtung entwickeln. Natürlicherweise verhalten Sie sich dann auch im Alltag so, und in gleicher Weise, wenn sie die Rolle als Uke im Aikidotraining einnehmen. Aus diesem Grunde muss Aikido als Kunst aufgefasst werden, es kann weder Selbstverteidigung noch Kampfsport sein. Eine Kunst hat zwar ihren Ausgangspunkt in der Realität, aber sie erschafft eine neue Realität, die keine Kopie der Wirklichkeit ist.
(Hervorhebung von mir)


Aber auch die Techniken selber haben ja alle ein heftiges Potential, andere Menschen zu schädigen....
Um mit diesem Dilemma umgehen zu lernen, ist ein dôjô genau der richtige Ort:
Es wird faktisch niemand verletzt. Im Gegenteil: Wir üben so, daß unsere Partner gesund bleiben.
Das Aikido-Dojo ist für mich ein Ort des kooperativen Übens, bei dem ich mich immer auf den Partner einstellen muss, ob er Anfänger oder Fortgeschrittener, größer oder kleiner, leichter oder schwerer ist, schwächer oder stärker ist, ob er eher an Kampf oder an was anderes denkt. Das macht ja auch den Reiz des Trainings aus

Beispielsweise trainiere gerne mit Einsteigern in der Probestunde, weil ich glaube dabei viel lernen zu können. Um einem Anfänger nicht zu frustrieren, muss ich als Nage die Techniken so dosieren, dass ich ihn nicht gefährde, und noch mehr als Uke nicht blockieren, erfolgreiche Ansätze durch nachgeben und Rollen honorieren, ja sogar als Uke durch sanften Druck Nage so bewegen, dass er die gezeigte Technik am leichtesten ausführen kann.

Das gleiche machen die Dan-Träger mit mir. Die Intensität der Angriffe und Techniken steigert sich so allmählich mit der Zeit. Atemi ist für mich kein Problem, so lange es nicht mit der Absicht, den Partner zu verletzen ausgeübt wird. Auf einem fortgeschrittenen Level weiß Uke, dass bei einem Sokumen-Irimi-Nage die Faust oder Handkante auf das Gesicht zusaust und reagiert dann indem er sich fallen lässt. Das sieht man in dem von mir und dann von Inryoku zitierten Hikitsuchi-Video, aber auch in dem Shirakawa-Video.


Ich habe noch nie bei Shirakawa sensei geübt. Aber ich habe den Eindruck, daß er auch mit nicht kooperativen Angreifer umgehen kann. Denn ich meine zu sehen, daß er nicht tanzt, sondern seine Partner sehr klar bewegt.
Was meinst du, wie das, was hier aufgrund des gekonnten ukemi so geschmeidig federleicht aussieht, auf jemanden einwirkt, der kein ukemi beherrscht?
Natürlich macht diese Art des Übens nur Sinn, wenn Nage und Uke auf gleich hohem Niveau sind. Ich meine auch, dass Shirakawa seine Partner sehr klar bewegt, was ja zur Qualität seines Aikidos gehört. Wenn ich mir Shirakawa-Videos dieser Art anschaue, bekomme ich unweigerlich Lust, eine Matte zu betreten und das im Rahmen meiner Möglichkeiten nachzumachen. Bei dem von Inryoku verlinkten Kanai-Video ist das Gegenteil der Fall.

Das Interview mit Hikitsuchi (http://members.aikidojournal.com/public/interview-with-michio-hikitsuchi-sensei-aikido-10th-dan-by-laurin-herr-and-tim-detmer/) kenne ich auch schon seit fast einem Jahr. Der folgende Absatz hat mich besonders beeindruckt:


Would you say that O-Sensei had changed during the war years?

Yes. His thinking about Budo had changed radically. And the way he related to people also changed. ...

After the war, O-Sensei’s thinking about waza also changed enormously. Before the war, the purpose of waza had been to kill the attacker. And we had practiced like that. After the war, he urged us not to attack opponents or to think of beating them up. “If you do that,” he said, “it will be the same as before. I have changed how we do everything.”

O-Sensei told us that we must give our opponents joy. To do this, he said, we must become capable of immediately sensing their ki. ... The Budo of destroying others will become transformed into the Budo of offering joy and compassion to others.”
Oder ist das auch wieder falsch übersetzt oder nur in einem shintoistischen, daoistischen oder Omotokyo-Kontext ganz anders zu verstehen?

carstenm
17-02-2017, 23:13
... hatte ich auch an diese gedankliche Trennung zwischen aggressivem Angreifer und den nur verteidigenden Aikidoka geglaubt. Inzwischen bin ich zur der Überzeugung gekommen, dass es im Rahmen des Aikido-Trainings (wie ich es kenne), Uke und Nage unterschiedliche, aber zu einander passende Aspekte des selben Aikidos üben:Verstehe ich das richtig, daß du auch also auch die Angriffe/Aktionen von uke nicht so übst, daß sie die Intention haben, tori zu betreffen?

Nebenbemerkung:
Ich teile nicht die Vorstellung von einem "aggressivem Angreifer" und einem "nur verteidigenden Aikidoka".


Yoshigasaki hat das mal sehr schön formuliert ...Soweit ich es verstehe, hat sich Yoshigasaki sensei mit seinem Ki-Aikido einigermaßen deutlich und auch ganz bewußt von den Vorstellungen gelöst, die das aikidô nach Ueshiba sensei bestimmen. Nicht umsonst nennt er sich dôshu. Er folgt einem anderen Weg.
Ich halte es daher für schwierig, ihn als Referenz zu nehmen, wenn man nicht sein Aikido übt.


Das Aikido-Dojo ist für mich ein Ort des kooperativen Übens, bei dem ich mich immer auf den Partner einstellen muss, ob er Anfänger oder Fortgeschrittener, größer oder kleiner, leichter oder schwerer ist, schwächer oder stärker ist, ob er eher an Kampf oder an was anderes denkt. Hm, bei diesem Abschnitt verstehe ich nicht, wie er sich auf das bezieht, was ich geschrieben hatte. Denn das gilt ja für mein Üben ganz genauso. Soll das also Gemeinsamkeit ausdrücken?


Atemi ist für mich kein Problem, so lange es nicht mit der Absicht, den Partner zu verletzen ausgeübt wird. Was ist dann in deinen Augen der Sinn von atemi?
Und vor allem, wenn uke weiß, daß ein atemi ihn nicht betreffen wird, warum "läßt er sich dann fallen"?
Wir üben es tatsächlich, abzuschätzen, ob uns atemi betrifft oder nicht.


Auf einem fortgeschrittenen Level weiß Uke, dass bei einem Sokumen-Irimi-Nage die Faust oder Handkante auf das Gesicht zusaust und reagiert dann indem er sich fallen lässt.


Der folgende Absatz hat mich besonders beeindruckt:
...
Oder ist das auch wieder falsch übersetzt oder nur in einem shintoistischen, daoistischen oder Omotokyo-Kontext ganz anders zu verstehen?Mir ist nicht klar, was du aus diesem Absatz über den Gebrauch von atemi ableitest?

Mal ganz abgesehen von der Frage, wie diese Aussage von Hikitsuchi sensei in Beziehung zu setzen ist zu Aussagen anderer Lehrer, die eine Kontinuität des Geübten behaupten.

Btw: Da Buch Journey to the heart of aikido von Linda Holiday ist wundervoll! Kann ich sehrstens empfehlen. Und es atmet und versprüht genau den Geist von aikidô, der dir so wichtig zu sein scheint.

Gast
18-02-2017, 09:01
Yoshigasaki hat das mal sehr schön formuliert, was ich vor einem halben Jahr auch schon mal zitiert hatte:


Da es im Aikido keine Angriffstechniken gibt, gibt es auch keine Gewinner oder Verlierer. Der Autor (Yoshigasaki) hat die Erfahrung gemacht, dass ein guter Nage (Verteidiger, Werfender) stets auch ein guter Uke (Angreifer, Geworfener) ist, weil beide sich in diesem Fall harmonisch und koordiniert bewegen. Die Fähigkeit eine Technik selbst auszuführen, und die Fähigkeit, sie mit sich ausführen zu lassen, sind ein und dasselbe. Uke muss immer im Kopf behalten, dass man beim Aikido nicht kämpft, sondern dass beide einander helfen, die Aikidotechniken immer besser auszuführen. Wenn Sie danach trachten, nicht aggressiv zu sein, keinen Widerstand zu leisten und als Nage Harmonie zu schaffen, wird sich Ihr gesamter Körper und Ihr gesamter Geist in dieser Richtung entwickeln. Natürlicherweise verhalten Sie sich dann auch im Alltag so, und in gleicher Weise, wenn sie die Rolle als Uke im Aikidotraining einnehmen. Aus diesem Grunde muss Aikido als Kunst aufgefasst werden, es kann weder Selbstverteidigung noch Kampfsport sein. Eine Kunst hat zwar ihren Ausgangspunkt in der Realität, aber sie erschafft eine neue Realität, die keine Kopie der Wirklichkeit ist.

(Hervorhebung von mir)


Ich habe ja nur einen winzigen praktischen Einblick in Aikido, aber dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Techniken des Aikido (auch des Ki-Aikido) dazu dienen sollen, auch mit einem unkooperativen Partner umgehen zu können.
Mit diesem Eindrucks betrachte ich diesen Satz:


"Uke muss immer im Kopf behalten, dass man beim Aikido nicht kämpft, sondern dass beide einander helfen, die Aikidotechniken immer besser auszuführen.
Wenn Sie danach trachten, nicht aggressiv zu sein, keinen Widerstand zu leisten und als Nage Harmonie zu schaffen [...]"

Ich kann noch nachvollziehen, dass Nage "Harmonie" schaffen soll. Das kenne ich aus Taijiquan auch so ("Wir sind entspannt und helfen dem Angreifer dabei, sich zu entspannen....notfalls schlagen wir den Angreifer bewusstlos, das entspannt auch...":blume:)
Wenn Nage allerdings üben soll, Harmonie zu schaffen, dann braucht er einen Partner, der die Harmonie stört.
Wenn er üben soll, mit Aggressionen umzugehen, dann braucht er einen aggressiven Partner.
Wenn er lernen soll, mit Schlägen umzugehen, die ihn treffen können, dann braucht er einen Partner, der ihn mit seinen Schlägen treffen will.
Ich war z.B. mal auf einem Ki-Aikido-Einführungskurs.
Da waren einige erfahrene Kampfsportler und mindestens ein diesbezüglich eher Unerfahrener.
Mit den erfahrenen Kampfsportlern konnte ich die Techniken prima üben, aber mit dem Unerfahrenen war es schwer, da der nicht wusste, wie er sich verhalten soll.
Für mich wäre das Übungsziel, dass ich auch den Unerfahrenen so harmonisiere, dass ich ihn geschmeidig überwinde, anstatt ihm beizubringen, wie er korrekt kooperiert....
Auf einem TJQ-Anwendungsseminar übte ich mal Hebel mit einer Frau.
Da der Hebel nicht saß, ließ ich mich nicht bewegen.
Dann kam eine andere, sehr fortgeschrittene Frau vorbei und meinte, ich solle doch nachgeben, damit meine Partnerin was lernt.
Nun, dann habe ich nachgegeben, damit die zweite Dame Ruhe gibt...
Ich denke allerdings, dass meine Partnerin gerade dadurch um einen möglichen Lernerfolg gebracht wurde.
Denn ich habe sie nicht, trotz unübersehbarer körperlicher Überlegenheit, überpowert, sondern ihr Hebel saß eben nicht.
Die Technik, bzw. das Gefühl dafür, wie sie auf meinen Körper einwirken muss, war nicht da.
Sobald ich merke, dass auch ein körperlich Unterlegener "drin" ist, gehe ich gerne mit und muss nicht versuchen irgendwie mit Kraft dagegenzuhalten.
Das ist für mich richtige Kooperation beim Üben.
Falsche Kooperation wäre für mich mitzuspringen, wenn gar keine Wirkung erzeugt wird oder so anzugreifen (z.B.: zu schlagen), dass gar keine Abwehr nötig ist, weil der Schlag z.B. ohnehin nicht trifft.
Falscher Widerstand wäre für mich, den anderen bei reinem Techniktraining zu überpowern oder das Setting zu verlassen.
Ich kannte mal so einen Spezialisten, der beim langsamen Üben des Umgangs mit Fauststößen meinte, er müsse dann während des Schlages die Richtung des Schlages ändern..:o

Der zumindest teilweise unkooperative Partner ist für mich der Unterschied für mich zwischen Kampfkunst und (Mehrpersonen-)Tanz.
Beim Paartanz z.b. bemühen sich (im Idealfall) beide Partner um Harmonie.
Der Herr führt und die Dame lässt sich führen.
Ich hab mal eine Weile Salsa getanzt.
Wenn man da eine gute Tanzpartnerin in einer Doppelt- oder Dreifachdrehung führte, dann braucht man dazu einen oder zwei Finger.
Denn man gibt mit der Hand nur die Info, welche Bewegung gewünscht ist, den Rest macht die Partnerin selbst.
Eine weniger gute Partnerin muss man dann mit Kraft aktiv kurbeln, d.h. bei der Bewegung unterstützen oder etwas deutlicher Zeigen, was man denn will.
In einer Kampfkunst erwarte ich, dass der Partner nicht freiwillig macht, was ich will und mich durch der Übungssituation angemessenen Widerstand bei meinem jeweiligen Lernziel unterstützt.



Um einem Anfänger nicht zu frustrieren, muss ich als Nage die Techniken so dosieren, dass ich ihn nicht gefährde, und noch mehr als Uke nicht blockieren, erfolgreiche Ansätze durch nachgeben und Rollen honoriere


Eben, erfolgreiche Ansätze werden honoriert, aber bei nicht erfolgreiche werden durch Nichtnachgeben auf den Fehler hingewiesen.
Da Du bei einem Anfänger weniger blockierst, heißt dass, dass Du bei einem Fortgeschrittenen mehr blockierst bzw. blockieren kannst und bei einem Könner das Blockieren nix mehr nützt, bzw. Dich selbst gefährdet, weil die Technik dann unschöner wird.
Letzteres birgt dann allerdings die Gefahr in sich, dass sich Lehrer kooperierende Schüler heranzüchten und gar nicht mehr den Reality-Check eines unkooperativen Gegners haben.
Aus dem Sport-Judo kenne ich (von früher) z.B.: Wurfdrills: Ein Wurf wird möglichst oft auf Zeit durchgeführt.
Da wollte ich auch keinen Partner, der aktiv blockiert. (aber auch keinen, der aktiv mitspringt.)
Allerdings gibt es auch Randori, bei dem der Partner alles innerhalb der Regeln versucht, mich an der Wurfausführung zu hindern bzw. selbst zu werfen.




Soweit ich es verstehe, hat sich Yoshigasaki sensei mit seinem Ki-Aikido einigermaßen deutlich und auch ganz bewußt von den Vorstellungen gelöst, die das aikidô nach Ueshiba sensei bestimmen. Nicht umsonst nennt er sich dôshu. Er folgt einem anderen Weg.

Folgt er auch einem anderen Weg, als es Tohei Koichi tat?
Z.B. die "Ki-Tests" basieren doch darauf, dass man mit dem gleich unkooperativen Partner auf unterschiedliche Art und Weise umgeht und damit unterschiedliche Wirkungen erzielt?:

YbgRGgcBAUg

War nicht Tohei der Meinung, im Ki-Aikido einen wesentlichen Aspekt des (Ueshiba-)Aikido zu übermitteln, der bei den offiziellen Nachfolgern weniger Berücksichtigung findet?



Nebenbemerkung:
Ich teile nicht die Vorstellung von einem "aggressivem Angreifer" und einem "nur verteidigenden Aikidoka".


Ich vermute mal, die Abweichung ist bei dem "nur verteidigenden Aikidoka" und weniger bei dem "aggressivem Angreifer"?
D.h. während der Text von Yoshigasaki sogar dazu anzuregen scheint, dass auch der Angreifer nicht aggressiv sein sollte, könnte ich mir vorstellen, dass Du es auch dem Aikidoka (Nage) zugestehst, aggressiv anzugreifen?

ryoma
18-02-2017, 09:20
Atemi, Atemi, Atemi.... schön und gut.

Nur: Der Durchschnitts-Aikidôka (der wegen dem Frieden ins Dôjô geht) imitiert ja meistens nur Atemi, weil er/sie kaum je eine "schlagende" KK ausgeübt hat. Somit ist ihnen auch die Schlagmechanik gänzlich unbekannt, was man bei so vielen Demos leider auch nur allzugut erkennen kann.

carstenm
18-02-2017, 11:47
Ich habe ja nur einen winzigen praktischen Einblick in Aikido, aber dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Techniken des Aikido (auch des Ki-Aikido) dazu dienen sollen, auch mit einem unkooperativen Partner umgehen zu können.Nach meiner persönlichen und ganz sicher nicht repräsentativen Erfahrung handelt es sich im Ki-Aikido nach Yoshigasiki sensei dabei nur noch um eine rein abstrakte Form von nicht-Kooperation.


Wenn Nage allerdings üben soll, Harmonie zu schaffen, dann braucht er einen Partner, der die Harmonie stört. Das ist m.E. der wesentliche Aspekt von budô. Udn zwar sowohl äußerlich, also auf den eigenen Körper bezogen oder auch ein bestimmtes gesellschaftliches Gefüge. Als auch innerlich. Also bezogen auf die Harmonie mit und in sich selbst und die Harmonie des Indiviuums mit seinem Lebenskontext.

Es gibt eine nette Geschichte über einen tibetischen buddhistischen Mönch, der über Jahre hin in einer Höhle einsam für sich die Fähigkeiten des Gleichmutes und der Geduld übt und verfeinert.
Eines Tages kommt eine anderer Mönch. Und provoziert ihn. So sinngemäßt: Alle halten dich für nahezu heilig. Aber wir beiden wissen, wie geil so ein Höhlenleben ist, nicht wahr? Die Leute bringen das beste Essen vorbei. Sie himmeln dich an und verehren dich. Wir werden um Rat gefragt bei jedem Quatsch und sie machen, was wir ihnen erzählen. Naja, und ab und an schicken sie ein hübsches Mädchen aus dem Dorf, damit wir nicht verkümmern und vertrocknen ... zwinker zwinker.
Der Höhlenasket (der tatsächlich asketisch gelebt hat) rastet völlig aus und schmeißt den Mönchskollegen raus.
Der sagt von draußen: Naja, Geduld und Gleichmut zu perfektionen so lange einen keiner ärgert, ist Kinderkram.
Geduld und Gleichmut zu üben, während die Seele gekitzelt und gequält wird. DAS ist die wahre Kunst!

Nach allem, was ich über die Zeit meine, verstanden zu haben, ist budô ein Weg, der sich genau damit beschäftigt, mit Störungen konstruktiv umzugehen. Und zwar mit Störungen von Außen ebenso wie mit den Störungen, die aus dem eigenen Inneren erwachsen.
Lernen und üben, daß und wie die Welt nicht vergeht, wenn sie in Unordnung gerät. ran dori.


Für mich wäre das Übungsziel, dass ich auch den Unerfahrenen so harmonisiere, dass ich ihn geschmeidig überwinde, anstatt ihm beizubringen, wie er korrekt kooperiert....Das genau war es, was mich an meinem ersten Lehrer am allermeisten fasziniert hat: Er konnte mit jedem Menschen, der oder die ins dôjô gestolpert ist - oder in einem Fall auch von seiner Mutter hereingestützt wurde - die Techniken ausführen und zeigen - und zwar genau so, wie sie gedacht waren, wie sie laut Textbook aussehen sollten. Er war nicht darauf angewiesen, daß seine Partner ihm dabei geholfen haben.
Und immer und jedesmal und ohne Ausnahme so, daß es deren Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen exakt genau richtig angemessen war.
Ich halte das für eine hohe Kunst.


Folgt er auch einem anderen Weg, als es Tohei Koichi tat?Ja. Er hat sich davon abgegrenzt.


War nicht Tohei der Meinung, im Ki-Aikido einen wesentlichen Aspekt des (Ueshiba-)Aikido zu übermitteln, der bei den offiziellen Nachfolgern weniger Berücksichtigung findet?Nein. Tohei sensei hat mehrfach öffentlich gesagt, daß er von Ueshiba gelernt habe, wie man tatsächlich entspannt. Das aber sei das Einzige gewesen, was er von ihm mitgenommen habe.

Der wesentliche Inhalt des Ki-Aikido von Tohei sensei stammt von Tempu Nakamura sensei und dessen tempu kai.

Tohei sensei hatte zunächst zugesichert und auch aus eigenem Entschluß aktiv vertreten, das, was er übt, nicht aikidô zu nennen. Weil es ein anderer Weg sei. So hängt ja in Ki-Aikido dôjô auch kein Bild von Ueshiba sensei und häufig auch nur eine Kalligraphie von ki, nicht aikidô.
Daß es dennoch bei diesem Namen geblieben ist, hängt mit der Situation in den USA zusammen, wo ja Tohei sensei vor allem vertreten war. Die Spaltung war ohnehin schwierig genug - für beide Seiten. Durch viele dôjô ging der Schnitt mitten hindurch. Und ich denke, es schien wichtig zu betonen, daß man einen Weg des aikidô weiter geht, einen besonderen eben. Zu sagen, es würde sich um etwas Neues handeln, wäre wohl kaum erfolgreich gewesen.
Ich stelle immer wieder fest, daß vielen Übenden nicht bewußt ist, daß die wesentlichen Inhalte des Ki-Aikido nicht von Ueshiba sensei oder Tohei sensei stammen, sondern von Tempu sensei.


D.h. während der Text von Yoshigasaki sogar dazu anzuregen scheint, dass auch der Angreifer nicht aggressiv sein sollte, könnte ich mir vorstellen, dass Du es auch dem Aikidoka (Nage) zugestehst, aggressiv anzugreifen?Ja. So meinte ich das.
Was dann "aggressiv" tatsächlich bedeutet und was "angreifen" meint, wäre dann ein interessanes Thema ... ;-)

Hm, im Bild gesprochen, geht es mir dabei um eine Form von intuitiver, weiser Klarheit. So, wie manche Aussagen des Dalai Lama zum Beispiel - aber auch anderer spiritueller LehrerInnen - ganz und gar nicht aggressiv sind und auch keinen Angriff darstellen. Aber doch sind sie so klar und so geerdet und ruhen in sich in einer solchen Stabilität, daß man nicht um sie herum kommt, sich ihnen nicht verweigern kann. Durch sie betroffen und bewegt wird.
Das gibt es vergleichbar auch auf der körperlichen Ebene.

Aber dafür - und darauf verweist ryoma ganz zu Recht - muß man eben auch auf der körperlichen Ebene üben, eine solche "Klarheit" in seiner Bewegung und Körperstruktur zu haben. Aus einem wannabe atemi ein wirkliches, lebendiges atemi machen.

Gast
18-02-2017, 22:54
Sobald ich merke, dass auch ein körperlich Unterlegener "drin" ist, gehe ich gerne mit und muss nicht versuchen irgendwie mit Kraft dagegenzuhalten.
Das ist für mich richtige Kooperation beim Üben.
Falsche Kooperation wäre für mich mitzuspringen, wenn gar keine Wirkung erzeugt wird oder so anzugreifen (z.B.: zu schlagen), dass gar keine Abwehr nötig ist, weil der Schlag z.B. ohnehin nicht trifft.
Hier sprichst du von richtiger und falscher Kooperation, aber es geht um Kooperation, mit dem Ziel "einander zu helfen die (Aikido)-Techniken immer besser zu verstehen.


Falscher Widerstand wäre für mich, den anderen bei reinem Techniktraining zu überpowern oder das Setting zu verlassen.
Nach meiner Erfahrung ist es ein immer wiederkehrendes Problem, das vom Lehrer gezeigte Setting nicht zu verlassen. Meistens liegt es an einem falschen Verständnis von dem zu übenden Angriff. Wenn ich zum Beispiel als Nage mit einem Tenkan-Schritt Kraft "weiterleiten soll", aber Uke kraftlos agiert, was soll ich machen? Wenn ich die Tenkan-Drehung ausführe, kann ich noch hoffen, dass Uke der Hand hinterher rennt, was ja meist passiert. Dann sieht die äußere Form noch einigermaßen wiedererkennbar aus, aber das Übungsziel ist verfehlt. Wenn ich keinen Tenkan ausführe und mit Irimi oder gar angedeutetem Atemi agiere, habe ich das Setting auch wieder verlassen.

Wenn wir eine bestimmte Technik länger üben, dann geht einer meiner Lehrer manchmal zu jedem Paar und übt dann kurz individuell mit jedem einzelnen (als Nage). Dabei korrigiert er ziemlich oft meine Haltung oder die Art meines Angriffs; beim erstem Mal, indem er eine alternative Technik anwendet oder einfach einen Atemi andeutet; nach ein paar Erklärungen und Versuchen habe ich dann die richtige Form des Ukemi verstanden - so was ist dann schon lehrreich und interessant.




Eine weniger gute Partnerin muss man dann mit Kraft aktiv kurbeln, d.h. bei der Bewegung unterstützen oder etwas deutlicher Zeigen, was man denn will. In diesem Sinn übe ich tatsächlich als Uke, falls nötig, mit Anfängern. Und manchen Fortgeschrittene haben als Uke mit mir so geübt. Das ist natürlich nur ein erster Schritt, um ein Verständnis für den Bewegungsablauf zu erwerben.


Da Du bei einem Anfänger weniger blockierst, heißt dass, dass Du bei einem Fortgeschrittenen mehr blockierst bzw. blockieren kannst und bei einem Könner das Blockieren nix mehr nützt, bzw. Dich selbst gefährdet, weil die Technik dann unschöner wird.
Letzteres birgt dann allerdings die Gefahr in sich, dass sich Lehrer kooperierende Schüler heranzüchten und gar nicht mehr den Reality-Check eines unkooperativen Gegners haben.
Aus dem Sport-Judo kenne ich (von früher) z.B.: Wurfdrills: Ein Wurf wird möglichst oft auf Zeit durchgeführt.
Da wollte ich auch keinen Partner, der aktiv blockiert. (aber auch keinen, der aktiv mitspringt.)
Allerdings gibt es auch Randori, bei dem der Partner alles innerhalb der Regeln versucht, mich an der Wurfausführung zu hindern bzw. selbst zu werfen.
Grundsätzlich sollen wir beim Üben nie blockieren, weder als Uke noch als Nage. Die entspannte, durchlässige Haltung soll nicht aufgegeben werden und demnach Situationen, die auf ein Kräftemessen hinauslaufen vermieden werden.
Wenn ich mal die Gelegenheit habe, mit Dan-Trägern (ohne Brille :p) zu üben, dann versuche ich schon non-verbale Fragen zu stellen. Wenn mir die Technik (meist eine Halte-Technik wie Ikkyo) nicht zwingend erscheint, dann versuche ich gegen zu halten oder sogar mit einer eigenen Aikido-Technik zu kontern. Wenn es mir gelingt die Technik zu blockieren, dann besteht die Antwort meines Partners in der Regel in der Anwendung einer alternativen Technik.

Gelegentlich üben wir Randori, bei dem der Angriff (meist Katatedori, also Greifen eines Handgelenks) festgelegt, aber die Verteidigung frei ist. Dabei empfinde ich es sogar als hilfreich, wenn Uke gegen eine geplante Technik blockiert oder es versucht, weil ich dann auf eine Alternative umschalten muss, für die er sich durch den Blockade-Versuch geöffnet hat.



Ich vermute mal, die Abweichung ist bei dem "nur verteidigenden Aikidoka" und weniger bei dem "aggressivem Angreifer"?
D.h. während der Text von Yoshigasaki sogar dazu anzuregen scheint, dass auch der Angreifer nicht aggressiv sein sollte, könnte ich mir vorstellen, dass Du es auch dem Aikidoka (Nage) zugestehst, aggressiv anzugreifen?
Beim Üben von Aikido entwickle ich weder als Uke noch als Nage aggressive Gefühle zu meinem Partner. Das schließt ja nicht aus, dass ich mit wachsendem Können von mir und meinen Partnern die Intensität der Angriffe oder Abwehr steigern kann - ja das wird sogar erwartet.

Die Beziehung zwischen Uke und Nage ist ja auch eine Vertrauenssache. Es kostet mich Überwindung, als Uke die Intensität der Angriffe zu steigern und vor allem den Angriff oder Kontakt so lange fortzusetzen, bis ich wirklich rollen oder fallen muss. Ich muss mich als Uke darauf verlassen können, dass Nage die Hebel oder Würfe nicht in der Absicht mich zu verletzen ausführt. Im Rahmen des Aikido-Trainings stellt sich Uke ja freiwillig als Übungspartner zur Verfügung; daher sehe ich es als Pflicht für Nage, die zu übenden Techniken dem Könnens des Partner anzupassen und das Verletzungsrisiko zu minimieren.

Gast
19-02-2017, 12:02
Soweit ich es verstehe, hat sich Yoshigasaki sensei mit seinem Ki-Aikido einigermaßen deutlich und auch ganz bewußt von den Vorstellungen gelöst, die das aikidô nach Ueshiba sensei bestimmen. Nicht umsonst nennt er sich dôshu. Er folgt einem anderen Weg.
Ich halte es daher für schwierig, ihn als Referenz zu nehmen, wenn man nicht sein Aikido übt.
Dieses Zitat (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f12/aikido-atemi-gegen-vitalpunkte-181785/index6.html#post3561443) gibt jedenfalls ziemlich genau meine persönliche Einstellung zum Aikido Üben wieder, einschließlich der Schlussfolgerung, dass Aikido keine Selbstverteidigung oder Kampfsport sein könne. Mir ist klar, dass kein Doshu, Shihan und Sensei des Aikikai in Frage stellen würde, das Aikido ein Budo ist.


Was ist dann in deinen Augen der Sinn von atemi?
Und vor allem, wenn uke weiß, daß ein atemi ihn nicht betreffen wird, warum "läßt er sich dann fallen"?
Wir üben es tatsächlich, abzuschätzen, ob uns atemi betrifft oder nicht.
Um den Einwand zu entkräften, dass ich mich immer auf Seitenlinien des Aikido beziehe, zitiere ich mal folgendes Video vom Doshu Moriteru Ueshiba, Principles of Aikido (http://www.dailymotion.com/video/x21le31_doshu-moriteru-ueshiba-principles-of-aikido_sport):

In einigen Szenen, z.B. 18:44, 26:10 und 40:25 werden von ihm Atemi gezeigt. Wenn der Sprecher nicht explizit darauf hingewiesen hätte, hätte ich das nicht als Atemi erkannt. Darin sehe ich nur noch eine symbolische Form des Atemi. Und das entspricht auch meinen Erfahrungen aus Studentengruppen, Dojos und Vereinen der FDAV, Aikikai, BDAL und Tendoryu.

Dass wie bei Carsten die Schlagmechanik z.B. mit Pratzentraining geübt wird, oder wie z.B. im Nishio-Video gezielt Atemi auf Vitalpunkte geübt werden oder ein "Vollkontakt-Atemi" habe ich bisher in keinem vom mir besuchten Dojo oder Lehrgang gesehen. Das wird ja von anderen KK-lern (z.B. hier von ryoma (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f12/aikido-atemi-gegen-vitalpunkte-181785/index6.html#post3561446)) immer wieder kritisiert, dass Atemis nur imitiert würden.



Mal ganz abgesehen von der Frage, wie diese Aussage von Hikitsuchi sensei in Beziehung zu setzen ist zu Aussagen anderer Lehrer, die eine Kontinuität des Geübten behaupten.


It must be emphasized that the spirit of Aikido is to treat in respect each other and also conduct training to friendly rivalry. So you don't even have to worry about it.

Anyone can practise aikido. Here in the aikido world headquarters we have a wide range of peoples from 5 years to people in the mid of 70ths who are practising. Aikido has the benefit that the method of practise can be adjusted depending on the physical strength and age. And since there's no concept to compete against one another people can adjust their way on their age. Of cause, for those people around 20 years old there are strenuous activities that is suitable for hard training. For those in the mid 50ths and 60ths there are also suitable methods as well. You can say that aikido offers a wide spectrum of any type of training. In that sense you can say aikido is a life long martial art.

Nach meinen Erfahrungen bisher spiegelt mein Zitat von Yoshigasaki die Realität in den Dojos, in denen ich bisher geübt hatte, besser und ehrlicher wieder als der Anspruch, Aikido sei eine Kampfkunst oder ein Budo. Da ich aber noch nicht so weit fortgeschritten bin und war, kann das auch eine verzerrte Wahrnehmung sein, die nur das Anfänger-Training betrifft. Deswegen ist es auch denkbar, dass ich Aikido als Weg verlassen muss; in dem Fall wäre das Ki-Aikido nach Yoshigasaki (das ich bisher nur aus seinem Buch kenne) vielleicht wirklich eine passende Alternative für mich.

Solaris1980
19-02-2017, 12:33
Das Training im Aikikai war aber sehr weit davon entfernt. Ich hatte damals nicht den Horizont um zu begreifen, was Aikido de facto eigentlich ist.

Aikido ist für mich im Nachhinein betrachtet eine Gymnastik in Partnerform, die ihren Ursprung im einer Kampfkunst hat. Sie wird von total netten Leuten betrieben, hält den Körper gesund und fit und fühlt sich auch toll an.

Wenn man Aikido aus dieser Sichtweise heraus betrachtet und keinen Anspruch an eine praktikable Selbstverteidigung hat, ist das ein schönes Hobby; es erinnert stark an Tanzen. Da gibt es dann auch keine Vorbehalte, weil es ein lohnenswertes Hobby ist.

Das Problem ist nur, dass diese netten Leute zu einem großen Teil tatsächlich glauben, dass sie sich mit Aikido (und nur mit Aikido) gegen einen hochaggressiven Angriff auf dieser ominösen Straße wehren können. Und das klappt einfach nicht. Im besten Fall bekommt man durch Aikido eine selbstsichere Ausstrahlung und wird dadurch nicht in einen Kampf hinein gezogen. Das ist ja auch schon was.

Ich finde aber, dass ein großes Maß an Ehrlichkeit hier angebracht wäre.

Zum Schutz der Schüler.

Genau so habe ich Aikido im DAB kennengelernt. Der Knackpunkt ist natürlich dass Aikido nicht gleich Aikido ist, es kommt ganz auf den Stil bzw. Verband an.

Ich bin vor 1,5 Jahren vom DAB zum Nishio Aikido gewechselt.
(Die Gründe waren: Ich hatte es satt, dass es im DAB Verein fast nur noch darum ging die Techniken für die jeweils nächste Gurtprüfung "vorzuturnen"; ich wollte lange schon gerne regelmäßig auch Iaido trainieren; die Trainingszeiten beim Nishio Aikido sind für mich besser, auch wenn ich dafür eine etwas längere Autofahrt zum Training in kauf nehmen muss.)

Das erste Training beim Nishio Aikido war für mich ein regelrechter "Kulturschock". Im DAB war ich an die Ansicht gewohnt, dass Schläge grundsätzlich etwas "böses" sind, und ein Aikidoka so etwas nicht macht, höchstens einen angedeuteten Atemi um den Angreifer "zu schocken".
Beim Nishio Aikido beginnt fast jede Verteidigung mit mindestens einem (richtigen) Atemi.

Dass Nishio Aikido ein "härterer" Stil ist war für mich ursprünglich also nicht der Grund zum Wechseln, inzwischen finde ich es aber besser, ein Aikido zu trainieren, welches vielleicht im Ernstfall wirklich zur Selbstverteidigung geeignet ist. Und das ist bei den Stilen, die meinen komplett auf Atemi verzichten zu müssen m.E. nicht unbedingt gegeben.

Also ich denke, Aiki50+ hat Aikido nicht mißverstanden. Er hat lediglich festgestellt, dass Aikido nicht gleich Aikido ist.

Was nun "richtiges" oder "falsches" Aikido ist, darüber lässt sich sicher ewig diskutieren... Ich denke jeder soll das machen was ihm am besten liegt. Aber dass sich in einigen Verbänden Aikido von einer Kampfkunst mehr zu einer Gymnastik gewandelt hat sehe ich persönlich inzwischen sehr kritisch.

carstenm
19-02-2017, 17:19
... Schlussfolgerung, dass Aikido keine Selbstverteidigung oder Kampfsport sein könne. Mir ist klar, dass kein Doshu, Shihan und Sensei des Aikikai in Frage stellen würde, das Aikido ein Budo ist.Ich bin mir nicht klar, wie präzise du die Formulierungen hier gewählt hast: Ein budô ist weder Kampfsport, noch dient es der Selbstverteidigung. Von daher enthält dein Satz keinerlei Widerspruch. Und ich bin ebenfalls der Meinung, daß aikidô, so wie ich es kennengelernt habe, weder den Zweck der Selbstverteidigung hat - das sage ich auch meinen Schülern so - noch eine Kampfsport ist. Wohl aber ist es ein budô.

Nebenbei: Daß es nur einen dôshu des aikikai gibt und geben kann, ist deutlich? Ich vermute, daß ist einfach nur mißverständlich formuliert?


Um den Einwand zu entkräften, dass ich mich immer auf Seitenlinien des Aikido beziehe, ...Falls du mich so verstanden haben solltest, wäre das ein Mißverständnis: Von mir kam und kommt dieser Einwand nicht.


Wenn ... nicht ..., hätte ich das nicht als Atemi erkannt. Das beschreibt vielleicht einen Aspekt dieses Themas. Du wirst ja nicht sehen, wie jemand getroffen wird und dann umfällt wie beim Boxen oder so. Und wenn doch mal, so wie hier (https://youtu.be/zi2lg3sdINk?t=83), dann ist es schwer nachzuvollziehen, wenn man noch nie erlebt hat, was in dieser scheinbar belanglosen Bewegung (https://youtu.be/Mao4JKPTi1o?t=12)steckt.
Im Training wird die Wirkung von atemi, wie diesen z.B. (https://youtu.be/Mao4JKPTi1o?t=77) natürlich nicht voll entfaltet und mag dann als "eine symbolische Form" erscheinen.





Darin sehe ich nur noch eine symbolische Form des Atemi. Und das entspricht auch meinen Erfahrungen aus Studentengruppen, Dojos und Vereinen der ...
- FDAV - Es gibt neben unserem Verein in unserer kleinen Stadt ein dôjô der FDAV. Ein bißchen und sehr indirekt kenne ich dieses aikidô daher. Ich habe aber seit Jahren nicht mehr dort geübt, weil mir dieses Üben zu sehr auf Selbstverteidigung hin ausgerichtet war, so wie ich es damals erlebt habe.
In dem Buch "Aikido, Dojo und andere Unverständlichkeiten", hg.v. Enshiro Dojo Salzburg, das ebenso wieder der FDAV von Tamura sensei herkommt, gibt es ein eigenes Kapitel zum Thema atemi. Darin heißt es: "Unglücklicherweise glauben einige Aikidokas, dass Atemi eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist aber ein Irttum, die Existenz und den Sinn von Atemi in Zweifel zu ziehen, nur weil man selbst keine Atemi erkennen kann, wenn höchstgraudierte Aikido Meister ihre Bewegungen in spielerisch anmutender Harmonie ausführen."

- BDAL - Ich war selbst etwa 12 Jahre Mitglied im BDAL und habe dort meinen shodan gemacht. In meine BDAL Zeit fällt auch das Üben mit Sandsack und Pratzen. Auf der Homepage eines BDAL dôjô, das ich ebenfalls persönlich gut kenne, liest man: "Die Techniken aus dem Basistraining werden weiter vertieft: um das Gefühl für Angriff und Technik zu verbessern, wird zum einen der Bezug zu Schwerttechniken besonders herausgearbeitet. Zum Anderen finden Waffen wie Stock, Kurzstock und Tanto zur Unterstreichung des Angriffsimpulses Anwendung, korrektes waffenloses Angreifen wird teilweise an Pratzen geübt. Dabei fließen auch Aspekte aus den anderen unterrichteten Kampfkünsten mit ein."

- Aikikai - Ich übe seit etwa 11 Jahren im aikikai und habe dort auch meine weiteren Graduierungen abgelegt. Endô sensei, von dem ich ja Videos gepostet habe, wie auch Christian Tissier betonen beide atemi.
Bodo Rödel, ein wichtiger Schüler von Christian in Deutschland, beschreibt in seinen Büchern u.a. z.B. die korrekte Fausthaltung.

- Tendô ryû - Das aikidô von Shimizu Kenji kenne ich durch einen Freund, der lange Schüler von Shimizu sensei war und ein dôjô der Tendô ryû geleitet hat, bevor er begonnen hat, sich an Endô sensei zu orientieren.
Auch im aikidô nach Shimizu sensei wird - jedenfalls unter den Fortgeschrittenen - sehr, sehr deutlich mit atemi gearbeitet. Tendoryu (https://youtu.be/BXlJBNvdvvk?t=33).


... ein "Vollkontakt-Atemi" habe ich bisher in keinem vom mir besuchten Dojo oder Lehrgang gesehen. Ich kenne das Üben von atemi auch immer nur in abgestuften Formen. Ein Vollkontakt atemi zum Kehlkopf kann man mit jedem Partner nur einmal üben. Ein atemi mit Leichtkontakt dagegen kann man sehr gut üben. Und selbst das - von Endô sensei der einem Schüler an mir etwas zeigen wollte - hinterläßt schon einen tiefen Eindruck, der lange anhält. Wenn ich das mal so sagen darf ...
Und mit Stichen zur Niere oder den Augen ist es doch nicht anders. Aber man kann z.B. aufgesetzte atemi üben oder dergleichen. Oder leichten Kontakt nehmen oder ...


Nach meinen Erfahrungen bisher spiegelt mein Zitat von Yoshigasaki die Realität in den Dojos, in denen ich bisher geübt hatte, besser und ehrlicher wieder als der Anspruch, Aikido sei eine Kampfkunst oder ein Budo.
Eine Spitzenerfahrung beim Ki-Aikido war die Aussage meines - yudansha - Partners am Ende seiner Technik, ich könne jetzt fallen, wenn ich wolle. Ich müsse aber nicht, denn darum ginge es im Ki-Aikido nicht in erster Linie. Auch gab es - ganz bewußt - keinerlei kuzushi.
Und atemi wurde - ebenfalls ganz bewußt - so ausgeführt, daß es den Partner nicht erreichen kann.
Nebenbei: An meinem Training hat einige Zeit lang ein Ki-Aikidoka teilgenommen, mit dem ich einen sehr interessanten Austausch hatte.

Diese Erfahrungen und auch der Gedankenaustausch mit Ki-Aikidoka haben mich etwas grundlegend anderes erleben lassen als ich es selbst in den w"esoterischsten" dôjô vorgefunden habe, die aikidô nach Ueshbia sensei unterrichten. Selbst das Ki no michi, das ich ein ganz bißchen kennenlernen konnte, hatte einen klareren Bezug zum Partner.


Deswegen ist es auch denkbar, dass ich Aikido als Weg verlassen muss; ....Ich möchte noch einmal betonen, daß nach meiner Erfahrung aikidô ein wunderbarer Weg ist zu lernen, mit den aggressiven Anteilen in sich selbst und in seiner Umwelt auf eine friedvolle und konstruktive Art umzugehen.
Und dazu gehört auch das Üben von atemi. Die Beispiele aus dem Video des dôshu, die dir kaum als atemi wahrnehmbar sind, haben ein massives Potential. Der Mann hat gelernt, seine Hände zu benutzen. Ich kenne Menschen, die mit ihm geübt haben, als er jünger war und die das kennenlernen durften. Aber: Inzwischen drücken diese atemi "nur noch" eine schlichte Klarheit aus, die nicht zerstören muß um zu wirken.

Ich glaube, daß das ein Kern von budô ist.

Ich denke, wir üben aikidô um selber als Persönlichkeit zu wachsen und frei zu werden zu unserer wahren Natur. Und um einander zu helfen, zu wachsen und frei zu werden zu unserer wahren Natur.
Das Ego zerschneiden um zum selbst zu finden.
atemi ist eines der Werkzeuge dazu.

Gast
19-02-2017, 18:22
Ich finde es falsch Aikido als nicht tauglich abzutun nur weil die Mehrheit der Leute lieber den Streichelkurs verfolgen.

Die Frage ist doch: Funktionieren die Prinzipien des Aikido? Das brechen des Zentrums, die Würfe, die Hebel etc. Waffenarbeit?

Ich sage ja.

Zweite Frage: Ist das alltägliche Training welches in den meisten Schulen betrieben wird kämpferisch genug um damit in einer unkooperativen Auseinandersetzung zu bestehen?

Ich sage nein.

Dritte und letzte Frage:
Kann man das Training dementsprechend anpassen?

Warum nicht? Man muss sicher zuerst über den Tellerrand schauen und dazulernen. Und dieses dann umsetzen. Aber den Aikidoweg verlassen muss man sicher nicht.

Ich denke es ist wohl eher ein Einstellungsproblem vorhanden...

Gast
19-02-2017, 19:40
- BDAL - Ich war selbst etwa 12 Jahre Mitglied im BDAL und habe dort meinen shodan gemacht.

Carsten, du warst nie ein Mitglied des BDAL, du warst Schüler eines BDAL-Lehrers.
Schüler sind dort keine Mitglieder, nur die Lehrer, dass weißt du doch?
Auf der Homepage des BDAL kann man die Vorraussetzungen für eine Mitgliedschaft nachlesen, ein Shodan kann dort nicht Mitglied werden.

carstenm
19-02-2017, 22:49
Richtig.

Meine Aussage war tatsächlich falsch, da sie zwar dem bei uns im Alltag üblichen Sprachgebrauch gefolgt ist, aber sachlich und juristisch falsch ist:
"Der Besitz eines Passes (des BDAS damals noch, d.Verf.) besagt, daß sein Inhaber von einem Aikido-Lehrer betreut wird, der Mitglied im BDAS ist. Der Paßinhaber wird nicht zum Verbandsmitglied."

Auch meine Dan-Urkunde des BDAS begründet natürlich keine Mitgliedschaft.

Wichtig ist diese Klarstellung deshalb, weil die Formulierung "Mitgliedschaft im BDAL" eine Graduierung suggeriert, und zwar mindestens sandan.
Diese Graduierung hatte ich zum damaligen Zeitpunkt nicht.

Es muß also heißen:

Ich war selbst etwa 12 Jahre Mitglied in zwei Aikidoschulen, deren Leiter jeweils Mitglied im BDAS und - nach dessen Umbenennung - im BDAL waren und habe meine shodan Prüfung vor einem Mitglied des Lehrerkommitees des BDAS (5. dan) abgelegt.

--------------

Anmerkung 1: Im BDAS gab damals es nicht die Voraussetzung einer bestimmten Graduierung. Kriterium für die Mitgliedschaft war zu jener Zeit "eine ständige Lehrtätigkeit und organisatorische Verantwortung in einer eigenen Schule, oder einem Verein". Mein Lehrer, Mitglied im BDAS, war zurZeit meiner shodan-Prüfung nidan.
Damals hing unser Gefühl zum BDAS nicht an irgendeiner Graduierung, welcher auch immer. Sondern an dem Haibtus, eine eigene Schule zu betreiben.

Anmerkung 2: Ich sehe deinen Namen nicht auf den Mitgliederliste, dich ich aus jener Zeit vor mir habe.
Ich sehe allerdings sowohl den Namen meines damaligen, als auch meines gegenwärtigen Lehrers.
Ich sehe die Namen vieler Lehrer, mit denen ich heute durch die AFD verbunden bin. Dabei sämtliche Mitglieder der verschiedenen Prüfungsjuries, die mich in späteren Jahren seitdem graduiert haben.
Ich sehe die Namen vieler Lehrer, die nicht in der AFD sind, mit denen ich über das Üben bei Endô sensei verbunden bin.
Und ich sehe den Namen des Lehrers bei dem ich meine allerersten aikidô-Schritte überhaupt gemacht habe.
Manche dieser Menschen sind bis heute Mitglied im BDAL. Andere sind es lange schon nicht mehr.

Anmerkung 3: Es gab zu jener Zeit eine enge Verbindung zu einem französischen Lehrer der FFAAA, dessen langjährige Schüler viele der BDAS-Lehrer damals waren. Diese Schüler waren zu jener Zeit ein geradezu konstituierendes Element des BDAS. DAher hatte dieser Lehrer auch die Berechtigung, Dan-Prüfungen im Rahmen des BDAS abzunehmen. Im BDAL war das dann nicht mehr möglich.

Anmerkung 4: Ich werde aller Voraussicht nach im kommenden Jahr mit einem Lehrer des BDAL einen gemeinsamen Lehrgang geben.

Gast
20-02-2017, 07:54
Wichtig ist diese Klarstellung deshalb, weil die Formulierung "Mitgliedschaft im BDAL" eine Graduierung suggeriert

Das ist nicht der Punkt. Es könnte mir auch völlig egal sein, aber bin selbst ein paar Jahre Mitglied dieses Verbandes gewesen und ziemlich im Bilde, wer dort Mitglied ist.

Ich verstehe daher nicht, was du mit deinen Anmerkungen sagen willst.

darklord
20-02-2017, 07:57
... vielen Dank Carsten für die ausführliche und unmissverständliche Richtigstellung.

Ich konnte schon nicht mehr richtig schlafen .... Du ein BDAL-Lehrer !

:ups::ups::ups:
;););)

carstenm
20-02-2017, 09:48
... vielen Dank Carsten für die ausführliche und unmissverständliche Richtigstellung.Natürlich. Inryoku hat ja vollkommen recht.


Ich konnte schon nicht mehr richtig schlafen .... Du ein BDAL-Lehrer !Aber nein. Aber deinundmein Lehrer war damals im BDAS Mitglied. Und Jean-Luc hat damals im BDAS Dan-Prüfungen abgenommen. Und dieses "Familiengefühl" um ihn herum das haben wir halt damals auch mit dem BDAS in Verbindung gebracht. Klar waren wir keine echten Mitglieder. Aber es war damals eben gefühlt "unser" Verband.

Im BDAS lag auch eine ganz wesentliche Wurzel der [edit] AikidoFöderationDeutschland. Und auch die ersten Trainings mit Endô sensei in Deutschland wurden von (echten) BDAS Mitgliedern organisiert.

Daß du nicht schlafen konntest tut mir leid! Ich selber hab auch eine kurze Nacht hinter mir.

Gast
20-02-2017, 10:03
Im BDAS lag auch eine ganz wesentliche Wurzel der AFD.

keine Politik :-§ :p

Gast
20-02-2017, 10:24
Ich konnte schon nicht mehr richtig schlafen

Dort draußen im Moor muss es sehr einsam sein :rolleyes:

washi-te
20-02-2017, 10:40
keine Politik :-§ :p

.. ich hab auch erstmal gegoogelt.... :D

carstenm
20-02-2017, 10:47
Hab's mal geeditet.

washi-te
20-02-2017, 10:50
Ein budô ist weder Kampfsport, noch dient es der Selbstverteidigung.

Budo heißt in Kurzfassung "Weg der Kampfkunst". Das dient nicht der Selbstverteidigung?

Im Gegenteil. Selbst wenn ich das Training direkter SV-Situationen vermeide, ist ein Training von SV-relevanten skills gar nicht zu umgehen.

ryoma
20-02-2017, 11:31
Budo heißt in Kurzfassung "Weg der Kampfkunst". Das dient nicht der Selbstverteidigung?

Im Gegenteil. Selbst wenn ich das Training direkter SV-Situationen vermeide, ist ein Training von SV-relevanten skills gar nicht zu umgehen.

Nun ja, im Klugscheisser-Modus :D heisst Budô eigentlich "militärischer (kriegerischer) Weg".

Captain Kürbis
20-02-2017, 11:31
ich bin ebenfalls der Meinung, daß aikidô, so wie ich es kennengelernt habe, weder den Zweck der Selbstverteidigung hat - das sage ich auch meinen Schülern so - noch eine Kampfsport ist. Wohl aber ist es ein budô.


Kannst du diesen Aspekt etwas genauer erörtern? Hättest du geschrieben, dass Aikido kein KampfSPORT ist und dass es auch nicht nur auf SV ausgelegt ist hätten wir keinen Dissenz, aber so frage ich mich etwas, wie genau du dann Budo verstehst wenn es von all dem gar nichts enthällt.

Gast
20-02-2017, 11:36
An Aikidoka should be able to consistently cut down an opponent with the first blow. This it the true Budo aspect of Aikido. It is precisely because we are confident that we will always able to do this. This confidence gives us two things, our strength and the ability to choose a less deadly outcome, both of which we should have as a prerequisite to our training.

Hiroshi Tada

Gast
20-02-2017, 12:19
Nun ja, im Klugscheisser-Modus :D heisst Budô eigentlich "militärischer (kriegerischer) Weg".

Jup, sonst müsste es ja Bugeidô heißen. :cool:

Edit:

Bujutsu/Budo, Goshinjutsu und auch Kakutogi sind alles Dinge das eine bestimmte Schnittmenge
zueinander haben.Verfolgt werden aber verschiedene Ziele mit verschiedenen Mitteln.
@washi-te:
Das Prinzip einer "Selbstverteidigung" im europäischen Sinne ist in Japan recht neu. Daher halte ich carstens deutliche Kommunikation mit seinen Schülern bzw. Trainingsteilnehmern nur mehr als fair.

darklord
20-02-2017, 14:21
Dort draußen im Moor muss es sehr einsam sein :rolleyes:

... noch viel schlimmer als Du es dir vorstellen kannst ... ich bin eingekesselt von Emsländern, Niederländern und dem Wattenmeer.
:ups::ups::ups:
:D:D:D

MasterKen
20-02-2017, 16:15
Aikido und die Liebe.

So habe den Textausschnitt eines Gewaltpreventionsbuches gefunden.
Ich finde das trifft es sehr gut.

"Bisweilen können sogar in lang anhaltenden, wiederholten Auseinandersetzungen ähnlich starke Bindungskräfte mobilisiert werden, wie sie im sonst eher gegensätzlichen Phänomen der Liebe auftreten.
....Der Konfliktsoziologe Coser (1972) bemerkt dazu, dass oft erst durch Kampf Beziehungen geschaffen werden, die es vorher nicht gab und die mit dem Ende der Kampfhandlung in friedliche und fruchtbare Gestaltungsformen überführt werden können"
Quelle: Kämpfen-lernen als Gelegenheit zur Gewaltprävention?! - Harald Lange, Thomas Leffler(Hrsg.)

Gast
20-02-2017, 23:22
Das erste Training beim Nishio Aikido war für mich ein regelrechter "Kulturschock". Im DAB war ich an die Ansicht gewohnt, dass Schläge grundsätzlich etwas "böses" sind, und ein Aikidoka so etwas nicht macht, höchstens einen angedeuteten Atemi um den Angreifer "zu schocken".
Beim Nishio Aikido beginnt fast jede Verteidigung mit mindestens einem (richtigen) Atemi.
Gibt es auf YouTube Beispiele von diesem richtigen Atemi, mit dem bei euch fast jede Verteidigung beginnt?

Ich schaue mir die auf YouTube verfügbaren Nishio-DVDs gerne an, um die in meinem Dojo gezeigten Techniken mit denen von Nishio zu vergleichen. Bei den von mir bisher geübten Kombinationen von Angriff und Verteidigung sehe ich da wenig Atemis bei Nishio. Atemis zeigt er nach meinem Verständnis hauptsächlich, um mögliche Fehler oder Lücken bei in den Techniken von Nage oder den Angriffen von Uke zu demonstrieren.


"Unglücklicherweise glauben einige Aikidokas, dass Atemi eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist aber ein Irttum, die Existenz und den Sinn von Atemi in Zweifel zu ziehen, nur weil man selbst keine Atemi erkennen kann, wenn höchstgraudierte Aikido Meister ihre Bewegungen in spielerisch anmutender Harmonie ausführen." (Tamura) Vielleicht konnte ich deshalb nie nennenswerte Fortschritte in meinem Aikido machen, weil ich es nicht verstanden habe, die gezeigten Atemis zu erkennen, noch war ich feinfühlig genug, um sie zu spüren. :rolleyes:


Du wirst ja nicht sehen, wie jemand getroffen wird und dann umfällt wie beim Boxen oder so. Und wenn doch mal, so wie hier (https://youtu.be/zi2lg3sdINk?t=83), dann ist es schwer nachzuvollziehen, wenn man noch nie erlebt hat, was in dieser scheinbar belanglosen Bewegung (https://youtu.be/Mao4JKPTi1o?t=12)steckt.
Im Training wird die Wirkung von atemi, wie diesen z.B. (https://youtu.be/Mao4JKPTi1o?t=77) natürlich nicht voll entfaltet und mag dann als "eine symbolische Form" erscheinen.
In den von dir verlinkten Beispielen von Seishiro Endo sind die Atemis auch für mich deutlich sichtbar und erscheinen mir auch als Beispiel, wie man Atemis sinnvoll zeigen und üben kann.


Ich möchte noch einmal betonen, daß nach meiner Erfahrung aikidô ein wunderbarer Weg ist zu lernen, mit den aggressiven Anteilen in sich selbst und in seiner Umwelt auf eine friedvolle und konstruktive Art umzugehen.
Und dazu gehört auch das Üben von atemi. Die Beispiele aus dem Video des dôshu, die dir kaum als atemi wahrnehmbar sind, haben ein massives Potential. Der Mann hat gelernt, seine Hände zu benutzen. Ich kenne Menschen, die mit ihm geübt haben, als er jünger war und die das kennenlernen durften. Aber: Inzwischen drücken diese atemi "nur noch" eine schlichte Klarheit aus, die nicht zerstören muß um zu wirken.

Ich glaube, daß das ein Kern von budô ist.

Ich denke, wir üben aikidô um selber als Persönlichkeit zu wachsen und frei zu werden zu unserer wahren Natur. Und um einander zu helfen, zu wachsen und frei zu werden zu unserer wahren Natur.
Das Ego zerschneiden um zum selbst zu finden.
atemi ist eines der Werkzeuge dazu.
Danke sehr für diese schönen Gedanken zu Aikido als Weg, die ich auch teilen und mitgehen kann. Aber ob das ein Kern von Budo ist, darüber gibt es auch unter den Aikido geteilte Meinungen wie die nachfolgenden Beiträge in diesem Thread zeigen.

Gast
21-02-2017, 09:13
Vielleicht konnte ich deshalb nie nennenswerte Fortschritte in meinem Aikido machen, weil ich es nicht verstanden habe, die gezeigten Atemis zu erkennen, noch war ich feinfühlig genug, um sie zu spüren. :rolleyes:


Wenn niemand bei euch richtig Atemi macht, kann man ja auch nichts spüren.
Gegen Atemi die wirklich treffen muss man sich schützen, diese Reaktion wird natürlich nicht geschult wenn nichts vernünftiges kommt.




In den von dir verlinkten Beispielen von Seishiro Endo sind die Atemis auch für mich deutlich sichtbar und erscheinen mir auch als Beispiel, wie man Atemis sinnvoll zeigen und üben kann.


Na das sind doch eher spontan ausgeführte "Klapse", die zwar für einen Moment irritieren können, aber ansonsten keinen nennenswerten Effekt haben.
So was haben wir früher auf dem Schulhof gemacht.
Manches was man da als Atemi sieht, sind auch eigentlich von der Herkunft Waffentechniken, Messer oder Schwert.

carstenm
21-02-2017, 12:49
So was haben wir früher auf dem Schulhof gemacht."Das glaube ich nicht, Tim." (https://youtu.be/cyahbRmlhW8)

Gast
21-02-2017, 13:58
Gibt's da was zu sehen? Ich sehe nur ein weißes Feld.
Davon abgesehen, falls es sich auf diese Atemi bezieht, da guckt einer bisschen komisch und zieht das Kinn nach hinten, aber das hätte er auch wenn er gar nicht getroffen worden wäre.

carstenm
21-02-2017, 18:12
Aber ob das ein Kern von Budo ist, darüber gibt es auch unter den Aikido geteilte Meinungen wie die nachfolgenden Beiträge in diesem Thread zeigen.Ich selber sehe interessanterweise keinen Widerspruch zwischen dem, was ich geschrieben habe und den nachfolgenden Beiträgen.
Ich erlebe das Üben eines budô als dialektisch: Ich übe etwas, das dazu gedacht ist, Menschen schweren, nachhaltigen Schaden zuzufügen. Einige Techniken werden bis heute von manchen Lerhern mit einem ritualisierten finalen Schlag ausgeführt. Und gleichzeitig übe ich etwas, das Menschen frei machen soll, mit sich selbst und mit den Mitmenschen verbinden soll. Ihnen -platt gesagt - gut tun soll an Körper und Seele.
Das ist ein scheinbares Paradox. Aber ich erlebe, das es funktioniert.

Mein Lehrer ist mal über die Friedensbewegung zum aikidô gekommen. Er übt eine koryû, eine Kriegskunst, in der auch shinken, scharfe Schwerter, Naginata, etc. benutzt werden. Das erscheint als ein fundamentaler Widerspruch. Aber tatsächlich verbindet sich beides miteinander zu einem Ganzen durch das langjährige Üben.

yin und yang?

In "Yurusu Budo" von Nishio sensei ist der allererste Satz:
"Aikido ist nicht einfach die Kultivierung von Fähigekeiten, einen Gegner zu besiegen/vernichten (defeat); sondern es ist eine Methode, eins zu werden mit jenen, die sich dir entgegenstellen und, in dieser Einheit, Wege zu finden zu einem gegenseitigen Miteinander (mutual coexistence)."
Das - und dann noch sehr viel mehr in diesem Sinne - steht auf Seite 13: Aikido ist ein Weg der gegenseitigen Anerkennung, Akzeptanz, Vergebung.

Auf den Seiten 22 bis 25 werden dann atemi beschrieben: "If you are serious about aikido training, then I very much urge you to acquire at least a minimum knowledge of striking."

Bei dir Aiki50+ lese ich eine Art "entweder/oder" heraus, eine eindimensionale Betrachtung der martialen Aspekte.
Ich glaube, das Geheimnis liegt darin, beide Facetten in sich zu verbinden.

Gast
21-02-2017, 22:05
Ich selber sehe interessanterweise keinen Widerspruch zwischen dem, was ich geschrieben habe und den nachfolgenden Beiträgen.
Ich erlebe das Üben eines budô als dialektisch: Ich übe etwas, das dazu gedacht ist, Menschen schweren, nachhaltigen Schaden zuzufügen. Einige Techniken werden bis heute von manchen Lerhern mit einem ritualisierten finalen Schlag ausgeführt. Und gleichzeitig übe ich etwas, das Menschen frei machen soll, mit sich selbst und mit den Mitmenschen verbinden soll. Ihnen -platt gesagt - gut tun soll an Körper und Seele.
Das ist ein scheinbares Paradox. Aber ich erlebe, das es funktioniert.

Bei dir Aiki50+ lese ich eine Art "entweder/oder" heraus, eine eindimensionale Betrachtung der martialen Aspekte.
Ich glaube, das Geheimnis liegt darin, beide Facetten in sich zu verbinden.

Über Worte - und in diesem Fall über (ein) Zeichen 武 - kann man trefflich streiten. Die kompetente Diskussion in On Kanji, 「武」, and Memes - AikiWeb Aikido Forums (http://www.aikiweb.com/forums/showthread.php?t=22230) belegt ja eher die umfassende, dialektische Bedeutung von Budo. Mit fehlt das Hintergrundwissen, um da mitreden zu können. Und ob ich mein Aikido Üben Budo nennen kann oder nicht, darauf kommt es mir auch nicht an.


"If you are serious about aikido training, then I very much urge you to acquire at least a minimum knowledge of striking." (Nishio)

An Aikidoka should be able to consistently cut down an opponent with the first blow. This it the true Budo aspect of Aikido. It is precisely because we are confident that we will always able to do this. This confidence gives us two things, our strength and the ability to choose a less deadly outcome, both of which we should have as a prerequisite to our training.

Hiroshi Tada
Ich werde sicherlich keine Vollkontakt-KK mehr anfangen. Da ich Aikido nicht als Vorbereitung für einen SV-Fall übe, kann ich auch nicht ernsthaft in diesem Sinne Aikido üben und lernen. Die symbolische Form des Atemi hat dann für mich nur den Zweck, die Aikido-Bewegungen besser zu verstehen, analog zum Training mit Bokken und Jo, das ja auch keine Vorbereitung für einen realen Schwert- oder Stock-kampf ist.

ryoma
22-02-2017, 07:33
... analog zum Training mit Bokken und Jo, das ja auch keine Vorbereitung für einen realen Schwert- oder Stock-kampf ist.

Und warum nicht?

carstenm
22-02-2017, 11:48
Über Worte - und in diesem Fall über (ein) Zeichen 武 - kann man trefflich streiten. ...Mir geht es hier doch gar nicht um eine theoretische Begriffsdiskussion. Sondern mir geht es ganz praktisch um die Frage: Was ist zu üben und auf welche Weise ist zu üben? Wie ist das keiko zu gestalten, wenn man ein budô übt?


Die kompetente Diskussion ...Spannend ist ja auch, wer dort diskutiert: Peter und Ellis sind beide schon von ihrer Berufsbiographie her Versöhner. Bei der Krisenintervention von Ellis geht es ja letztendlich darum, daß die Menschen nach dem jeweiligen Konflikt gemeinsam weiterleben können. Und die Leistung von Peter in Bezug auf die Welt des aikidô ist ja vor allem die unermüdliche und immer wieder gelungene Vermittlung zwischen der Struktur des hombu und den demokratischen demokratischen Strukturen vieler aikidô-Verbände.
Was Bernd beruflich macht, weiß ich nicht, aber ich habe auch ihn als einen vermittelnden, ruhigen Menschen kennengelernt.
Es diskutieren dort also Menschen, denen Friede, Vermittlung, Harmonie am Herzen liegt und die auch ein entsprechendes Wesen haben, über den Begriff budô, der auch die Komponente "Krieg" enthält ...

Und genau diese erstaunliche Konstellation findet sich immer und immer wieder. Praktisch. Im Leben. Nicht nur im aikidô, sondern auch in anderen Schulen.


Und ob ich mein Aikido Üben Budo nennen kann oder nicht, darauf kommt es mir auch nicht an.Ueshiba sensei: aikiôda wa budô desu. Das ist einer seiner Kernsätze. aikidô ist budô. Dahinter kann niemand von uns zurück. Wir können überlegen, wie wir diesen Satz, diese Aussage für uns persönlich verstehen und üben und leben.
Aber ob aikidô ein budô sei oder nicht, diese Frage stellt sich schlicht nicht. Denn die Antwort darauf liegt uns schon immer voraus. Es gehört zum Wesen des aikidô, daß es ein budô ist. aikidô ohne das ist nicht zu haben.
Die Frage kann immer nur sein, was das im Einzelnen für unser Üben bedeutet.

Wenn man sich entscheidet, etwas das aus dem aikidô herkommt zu üben und dabei ganz bewußt dieses Wesen eines budô aufzugeben, dann entsteht etwas Neues.
Das Ki no michi von Noro sensei ist ein wundervolles, kraftvolles Beispiel dafür.
Ich vermute, daß auch das Ki-Aikido nach Yoshigasaki sensei letztlich so zu verstehen ist.


Ich werde sicherlich keine Vollkontakt-KK mehr anfangen.Diese Aussage verstehe ich nicht? aikidô wird doch mit "vollem Kontakt" geübt?! Wir fassen uns an, werfen uns, sehr körperlich, und der Kontakt von Körper zu Körper ist doch gerade unser Werkzeug?
Und was die hier diskutierten atemi angeht, so habe ich mit Ausnahme eines Lehrers noch nie gehört, daß im Training tatsächlich versucht wird, Wirkungstreffer zu erzielen.


Da ich Aikido nicht als Vorbereitung für einen SV-Fall übe, kann ich auch nicht ernsthaft in diesem Sinne Aikido üben und lernen.Ich habe ja schon einige male geschrieben, daß ich selber aikidô auch nicht unter dem Aspekt von SV übe und unterrichte.
Ich habe einige Jahre Seminare zum Thema "Selbstschutz und Eigensicherung" gegeben und das Üben von SV unterscheidet sich - nach meinem Dafürhalten - fundamental vom Üben eines klassischen budô.

Ich finde die Frage, wie denn aikidô zu üben sei, immer wieder ausserordentlich spannend! Aber ich bin vollkommen einig mit dir, daß es dabe nicht um SV geht. Und wie auch schon gesagt: Das erkläre ich so auch Schülern, die das in meinem Unterricht suchen.


Die symbolische Form des Atemi hat dann für mich nur den Zweck, die Aikido-Bewegungen besser zu verstehen ...Es interessiert mich, wie das gemeint ist: Wenn doch allen klar ist, daß die atemi gar nicht treffen sollen, auf welche Weise können sie dann zu einem besseren Verständnis der "aikidô Bewegungen" führen? (Ich vermute, du meinst die Techniken? Ich verstehe unter aikidô-Bewegungen eher die Qualität, die Art und Weise auf die man sich im aikidô bewegt.)

Ich habe bei Ausflügen in das Ki-Aikido erlebt, daß atemi ganz bewußt in sehr großer Distanz ausgeführt und dann auch angehalten wurden. Es sollte weder körperlich noch psychisch eine Bedrohung erfolgen. Ich wurde dann gebeten, diese atemi "zu respektieren". Ich habe mich dann wie gewünscht bewegt, aber das war eben nicht eine Wirkung oder Konsequenz der atemi selber. Sondern es bedurfte der Erläuterung von außen mir zu sagen, was geschehen müsse.

Wie kann solches atemi, das von vornherein so angelegt ist, daß es nicht aus sich heraus wirken kann und soll, die Technik/Bewegung verdeutlichen?


... analog zum Training mit Bokken und Jo, das ja auch keine Vorbereitung für einen realen Schwert- oder Stock-kampf ist.Mit welcher Intention übt ihr denn bei euch im dôjô Schwert und Stab?

Ich habe es so kennengelernt, daß neben aiki ken und aiki jô auch kenjutsu und jô jutsu geübt wurden. Für mich geht es also durchaus um das Üben für "einen realen Schwert- oder Stock-kampf". Wenn auch auf einem Niveau, das mich inbrünstig hoffen läßt, nie in einen solchen verwickelt zu werden.
Und in dôjô, die ausschließlich aiki ken und aiki jô üben, wurde es - wenn ich es denn richtig verstanden habe - immer in der Haltung geübt, daß es als Schwert- oder Stockarbeit aus sich selbst heraus funktionieren würde.
Worum geht es dir oder euch denn dabei?

HawkEyes
22-02-2017, 12:21
Hallo Carsten,

ich möchte die Diskussion nicht unterbrechen, aber genau dieser Themenkomplex beschäftigt mich (mal gerade wieder sehr):


Ich habe ja schon einige male geschrieben, daß ich selber aikidô auch nicht unter dem Aspekt von SV übe und unterrichte.
Ich habe einige Jahre Seminare zum Thema "Selbstschutz und Eigensicherung" gegeben und das Üben von SV unterscheidet sich - nach meinem Dafürhalten - fundamental vom Üben eines klassischen budô.

Ich finde die Frage, wie denn aikidô zu üben sei, immer wieder ausserordentlich spannend! Aber ich bin vollkommen einig mit dir, daß es dabe nicht um SV geht. Und wie auch schon gesagt: Das erkläre ich so auch Schülern, die das in meinem Unterricht suchen.

Um SV im weitesten Sinne geht es aber doch immer auch? Auch im Budo (was auch immer das bedeutet). Das ist für mich auch nach all den Jahren immer noch ein Paradoxon... Magst du vielleicht noch ein paar Sätze zu dienen Überlegung hinsichtlich der Unterschiede schreiben? Gerne auch per PN.

Danke und viele Grüße
Marcus

Gast
22-02-2017, 13:10
Für mich geht es also durchaus um das Üben für "einen realen Schwert- oder Stock-kampf".

Interessant, es passt gar nicht zu deinen sonstigen Aussagen, das Aiki-ken betreffend (jedenfalls wie ich sie verstanden habe).

Wer Kämpfen kann, der hat ja auch gute Chancen, seine kämpferische Fähigkeit als Selbstverteidigung anzuwenden.
Wieso denkst du dass du im Aikido mit dem Schwert oder Jo real kämpfen lernst, mit den Tai-jutsu Techniken aber nicht?
Aikido ist ja ein in sich geschlossenes System, in dem Taijutsu- und Waffentechniken eine Einheit bilden, auf den gleichen Prinzipien beruhen.
Wenn die Taijutsu-techniken nur ein Trainingstool sind um Aiki oder sonst was zu üben, dann gilt das auch für die buki-waza, wenn man mit den buki-waza kämpfen kann, dann gilt umgekehrt dies auch für die taijutsu-waza.
Aber wenn es um Kämpfen lernen geht, dann steht natürlich auch immer die Frage der Selbstverteidigung im Raum.
Für jemanden wie Tada z.B. ist das überhaupt keine Frage, ob ein Budo auch Selbstverteidigung ist.
Ob es jemanden persönlich interessiert sich verteidigen zu können, ist eine andere Frage.

HawkEyes
22-02-2017, 14:20
Danke Inryoku, diese Richtung meine ich.

Es gibt (so hörte ich) einen hochgraduierten Lehrer, der atemi für sich verneint. Ist für mich grundsätzlich in Ordnung, passt aber dann, für mich jedenfalls, nicht zum Budo (SV, whatever)...

edit: habe ich dich richtig verstanden, dass für Tada Budo auch SV bedeutet? Oder nicht?

Gast
22-02-2017, 15:33
edit: habe ich dich richtig verstanden, dass für Tada Budo auch SV bedeutet? Oder nicht?

Ja, er unterscheidet auch Technikausführung auf der Matte, und in der SV- oder Kampfsituation

carstenm
22-02-2017, 17:24
Um SV im weitesten Sinne geht es aber doch immer auch?Hm, vielleicht habe ich einen Knoten im Kopf?!

Jetzt mal nur ganz fix und nicht bis ins Letzte zu Ende formuliert:

Das Üben von Selbstverteidigung - so wie ich es verstehe und kennengelernt habe - geht von einem Bedrohungsszenario aus und sucht entsprechend nach der richtigen Lösung.
Dazu gehören zunächst immer auch die Aspekte der Vermeidung und der Deeskalation.
Wenn beides nicht möglich ist und also die Eskalationsstufe eines körperlichen Angriffes erreicht wird, dann werden frei die Mittel gewählt, mit denen - ausgehend von dem jeweiligen Szenario - dieser Angriff erfolgreich abgewendet werden kann.
Da vom Szenario her gedacht wird, sind SV-Systeme in aller Regel Hybridsysteme. Und verändern sich auch relativ schnell.

Zudem wird in aller Regel die sog. Verhältnismäßigkeit betont, auch wenn sie im Notwehrparagraphen nicht verankert ist. So unterrichten z.B. viele KM Instructoren keine Angriffe gegen den Kehlkopf oder zu den Augen.

Die Motivation, sich mit Selbstverteidigung zu befassen, besteht meiner Erfahrung nach oft darin, daß die Umwelt in irgendeiner Form als bedrohlich erlebt wird.

Das Üben eines budô ist dagegen - nach meiner Auffassung und Erfahrung - gerade nicht Szenario-orientiert. Das Üben von kata, ist interessanterweise das gerade nicht.
Es werden kodifizierte Inhalte gewisssermaßen "um ihrere Selbst willen" geübt, um den Übenden ein Repertoire an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe er dann in einer entsprechenden Situation agieren kann.

Zudem bietet dieses Handlungsrepertoire bestimmte Handlungsmöglichkeiten, die sich nicht an Notwehrrecht und schon gar nicht an dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit orientieren müssen, sondern davon frei sind.
(Es gab hier mal eine Diskussion zum tödlichen Potential von aikidô-Techniken. So etwas wäre z.B. nach meiner Wahrnehmung für zivil unterrichtetes KM zunächst kein Thema.)

Die Motivation, ein budô zu üben, besteht meiner Erfahrung nach häufig in dem Interesse an einer Form von persönlichem Wachstum.

Kurz:
SV wird gedacht und geübt von Bedrohungszenarien her.
budô wird gedacht und geübt von der tradierten Form des jeweiligen budô her.

Hilft diese Antwort weiter?

Grüße aus dem verregneten Norden. Und alles Gute für deine Krawatte ....

Solaris1980
22-02-2017, 19:46
Gibt es auf YouTube Beispiele von diesem richtigen Atemi, mit dem bei euch fast jede Verteidigung beginnt?

Ich schaue mir die auf YouTube verfügbaren Nishio-DVDs gerne an, um die in meinem Dojo gezeigten Techniken mit denen von Nishio zu vergleichen. Bei den von mir bisher geübten Kombinationen von Angriff und Verteidigung sehe ich da wenig Atemis bei Nishio. Atemis zeigt er nach meinem Verständnis hauptsächlich, um mögliche Fehler oder Lücken bei in den Techniken von Nage oder den Angriffen von Uke zu demonstrieren.

Hallo, mit "richtigem" Atemi meinte ich, dass der Zweck im Ernstfall tatsächlich ist, den Angreifer mit einem Schlag zu treffen. (Im Gegensatz zu den seltenen Atemi die ich aus dem DAB Training kannte, bei welchen der Zweck eher ist, den Angreifer zu "erschrecken" um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.)

Natürlich heißt das nicht, dass im Nishio Aikido in "Vollkontakt" aufeinander eingeschlagen wird. Bekanntlich lassen sich Atemi auf den Kehlkopf etc. nur schwer in Vollkontakt trainieren, wenn man in der nächsten Woche wieder mit seinem Trainingspartner trainieren möchte ;)
Der Unterschied liegt darin, dass wir eben sagen, im Ernstfall ist es ein Atemi zum Kehlkopf. Im DAB gilt so etwas (zumindest meiner Erfahrung nach) als etwas "böses", was man als Aikidoka nicht macht.

Im Training stoppen wir natürlich vorher ab, oder ein geübterer Uke weiß, wann er sich mit der Hand schützen muss, dann schlagen wir als Tori auf die Hand.

Ich glaube, Nishio hast du dann falsch verstanden, mag sein, dass er auch Lücken aufzeigt, aber es gibt einen Zusammenschnitt von seinen Videos mit dem Thema Atemi.
Zu Anfang erzählt er eine Anekdote, von zwei Judoka, die auf der Straße von mehreren Schlägern angegriffen wurden. Nur der erste und letzte Angreifer wurde von diesen mit einem Wurf abgewehrt, die anderen alle mit Schlägen / Atemi.
Damit weißt er darauf hin wie wichtig in seinen Augen Atemi sind um Aikido Techniken durchführen zu können.

https://www.youtube.com/watch?v=7pIut5rFeo4

Gast
22-02-2017, 20:34
Diese Aussage verstehe ich nicht? aikidô wird doch mit "vollem Kontakt" geübt?! Wir fassen uns an, werfen uns, sehr körperlich, und der Kontakt von Körper zu Körper ist doch gerade unser Werkzeug?
Und was die hier diskutierten atemi angeht, so habe ich mit Ausnahme eines Lehrers noch nie gehört, daß im Training tatsächlich versucht wird, Wirkungstreffer zu erzielen.
Ich dachte im KKB versteht man unter (waffenlosem) VK-KS/KK immer Schlagen und Treten, also was man im z.B. im (Kick)-Boxen, Karate, Taekwondo oder MMA lernt und übt. So war es von mir gemeint, dass ich nicht mehr Boxen oder Karate oder der gleichen anfangen werde, um eine gute Schlagmechanik zu lernen.


Es interessiert mich, wie das gemeint ist: Wenn doch allen klar ist, daß die atemi gar nicht treffen sollen, auf welche Weise können sie dann zu einem besseren Verständnis der "aikidô Bewegungen" führen? (Ich vermute, du meinst die Techniken? Ich verstehe unter aikidô-Bewegungen eher die Qualität, die Art und Weise auf die man sich im aikidô bewegt.)
Ich meine tatsächlich die Qualität, die Art und Weise, in der man sich im aikidô bewegt. Das ist doch der Sinn des Aikido-Übens, die Qualität der Bewegungen kontinuierlich zu verbessern und nicht das Sammeln von Techniken.


Wie kann solches atemi, das von vornherein so angelegt ist, daß es nicht aus sich heraus wirken kann und soll, die Technik/Bewegung verdeutlichen? In der Regel üben wir (in den für mich geeigneten Trainingseinheiten) die Techniken ohne Atemi, oder mit symbolischen Atemis, "die der Technik dienen", in dem Sinn, wie es der Doshu auf der DVD "Principles of Aikido" gezeigt hat.

Eine Ausnahme ist das individuelle Üben mit einem Fortgeschrittenen oder einem meiner Lehrer, die gelegentlich Atemi einsetzen, um "Öffnungen" also meine Fehler als Uke oder Nage aufzeigen, ohne viel Worte zu verlieren. Die Intensität ist dann maximal so, dass sie eine intuitive Reaktion herausfordert, aber es sind keine schmerzhaften Treffer. Kann man sich vielleicht so vorstellen wie Nishio auf seinen Lehr-DVDs, als er Atemi zeigte, um manche Techniken zu erklären. Der schlug ja auch nicht seinen Uke K.O.


Mit welcher Intention übt ihr denn bei euch im dôjô Schwert und Stab? :o Da muss ich passen. Es gibt bei uns 1 mal in der Woche eine Trainingseinheit mit Jo und Bokken, die für mich aber terminlich so ungünstig liegt, dass ich da nicht teilnehmen kann.

In den Aikido-Stunden für Anfänger werden manchmal Ken und seltener Jo-Suburi-Übungen eingestreut. Gelegentlich üben wir als Nage Irimi-Nage oder Shiho-Nage mit Tanto oder Bokken, eben um die Verwandschaft mit Schwertbewegungen (Schneiden) zu verinnerlichen.

Gast
22-02-2017, 21:51
Im Training stoppen wir natürlich vorher ab, oder ein geübterer Uke weiß, wann er sich mit der Hand schützen muss, dann schlagen wir als Tori auf die Hand.
Mich hätte interessiert, wie man praktisch im Rahmen eines Aikido-Trainings "richtige" Atemis üben kann. Und wie man sich vergewissern kann, ob oder wie wirkungsvoll die Atemis im SV-Fall wirklich sind.

Ellis Amdur schreibt von einer Episode, wo er am Anfang seiner Zeit in Japan mit einem französischem Kickboxer und Aikidoka namens Lilou Nadenicek (https://www.youtube.com/watch?v=MhaM6ZtH3LE) Aikido geübt hatte:

Every time I tried to apply the technique, he resisted, and I would deliver an atemi to his head, stopping short at the last second. However, he ignored the threatening blow, and simply stood there. I said, "You have to move. I am (theoretically) hitting you in the head".

He smiled at me scornfully and said, "But, mon ami, from that angle, with that blow, you could not hurt me. Why should I move?"

So eine "wir tun nur so als ob" SV wurde ja immer wieder in KKB-Threads thematisiert und kritisiert. Es ist für mich irgendwie die Quadratur des Kreises, im Rahmen des (mir bekannten) Aikido-Übens wirkungsvolle Schlagfertigkeiten lernen zu können. Nishio selber konnte ja schon Karate als er mit Aikido anfing und er empfahl seinen Schülern, Karate und Judo zu lernen. Christian Tissier hat neben Aikido gleichzeitg Kickboxen gelernt. Weiß jemand wie Ueshibas direkte Schüler Atemis gelernt und geübt hatten? Oder ist das etwas, was sich mit "Aiki" von selbst entwickelt?



Ich glaube, Nishio hast du dann falsch verstanden, mag sein, dass er auch Lücken aufzeigt, aber es gibt einen Zusammenschnitt von seinen Videos mit dem Thema Atemi.

Damit weißt er darauf hin wie wichtig in seinen Augen Atemi sind um Aikido Techniken durchführen zu können.

https://www.youtube.com/watch?v=7pIut5rFeo4
Dieses Video habe ich selber schon im Post #51 (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f12/aikido-atemi-gegen-vitalpunkte-181785/index4.html#post3560563) zitiert.

Solaris1980
23-02-2017, 04:54
Mich hätte interessiert, wie man praktisch im Rahmen eines Aikido-Trainings "richtige" Atemis üben kann. Und wie man sich vergewissern kann, ob oder wie wirkungsvoll die Atemis im SV-Fall wirklich sind.

Dieses Video habe ich selber schon im Post #51 (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f12/aikido-atemi-gegen-vitalpunkte-181785/index4.html#post3560563) zitiert.

Ach so, ich bin erst später in den Thread eingestiegen und habe das meiste ehrlich gesagt nur überflogen.


Auf YouTube gibt es ein Video How to properly preform atemi in Aikido (https://www.youtube.com/watch?v=7pIut5rFeo4) wo jemand alles zusammengefasst hat, was Nishio in seinen DVDs zu Atemi gesagt und gezeigt hat. Was mir bisher nicht bewusst war, darin werden auch Atemis zu Augen, Kehlkopf und Genitalien gezeigt, ebenso eine Technik zum Genick brechen angedeutet.


Dann ist mir aber ein Rätsel wieso du später schreibst, du siehst wenig Atemi in den Nishio Videos.
Nishio zeigt in den Videos auch viel zu dem er sagt: "So wird es meistens gemacht." Und dann zeigt er wie er es macht.

Solche Atemi kann man einfach nicht "realistisch" üben. Wie ich schrieb:


Bekanntlich lassen sich Atemi auf den Kehlkopf etc. nur schwer in Vollkontakt trainieren, wenn man in der nächsten Woche wieder mit seinem Trainingspartner trainieren möchte ;)


Das gleiche gilt für Atemi zu den Augen, den Genitalien etc.
Wenn Uke einen Vollschutzanzug tragen würde könnte Tori zwar das Schlagen richtig üben, aber die Wirkung wäre dann natürlich auch wieder nicht wie im Ernstfall ;)

Meines Erachtens sollten aber Atemi auch nicht mit Kyusho Jitsu gleichgesetzt werden. Auch wenn ein Atemi im Idealfall den Angreifer schon kampfunfähig machen soll und auch auf die Vitalpunkte ziehlt denke ich, das ist etwas anderes. Weiß nicht ob das hier schon thematisiert wurde.
Ich dachte es ginge allgemein darum, dass es Aikido Stile gibt in denen Tori zur Verteidigung Atemi oder allgemein Schläge einsetzt.

Gast
23-02-2017, 09:01
Das Üben eines budô ist dagegen - nach meiner Auffassung und Erfahrung - gerade nicht Szenario-orientiert. Das Üben von kata, ist interessanterweise das gerade nicht.

1. gibt es im Budô nicht ausschließlich kata, das ist eine Traingsmethode, wenn auch eine sehr wichtige, unter anderen.

2. werden auch in SV Systemen Techniken einfach mal geübt, ohne das vorherige Durchexerzieren von Deeskalationsstufen, also im Grunde genommen genau wie im Budô werden die Rollen von Angreifer und Verteidiger festgelegt, und dann wird der Ablauf der Technik eingeübt, auch hier ist das eine Trainingsmethode unter anderen.

Das Nachstellen von Bedrohungssitationen spielt da in unterschiedlichen Systemen wohl auch eine unterschiedlich große Rolle.

3. gibt es auch Kata, die ganz eindeutig Szenario orientiert sind, bzw. ganz konkrete Situationen nachstellen.



So war es von mir gemeint, dass ich nicht mehr Boxen oder Karate oder der gleichen anfangen werde, um eine gute Schlagmechanik zu lernen.

Vielleicht würde es ja schon reichen, die im Aikido enthaltene Schlagmechanik zu üben (die gibt es nämlich). Die Qualität der Atemi kann dadurch schon gesteigert werden.


Ich meine tatsächlich die Qualität, die Art und Weise, in der man sich im aikidô bewegt. Das ist doch der Sinn des Aikido-Übens, die Qualität der Bewegungen kontinuierlich zu verbessern und nicht das Sammeln von Techniken..

Über das theoretische Verstehen von Atemi wirst du nicht die Qualität der Bewegung verbessern.
du kannst aber über die allgemeine Verbesserung der Bewegungsqualität die Qualität der Atemi verbessern, das geht aber nur durch üben.


In den Aikido-Stunden für Anfänger werden manchmal Ken und seltener Jo-Suburi-Übungen eingestreut.

Das ist etwas, was man prima für sich alleine üben kann wenn man Zeit hat.

HawkEyes
23-02-2017, 09:08
@Carsten

vielen Dank für deine Erläuterung, du hast keinen Knoten im Kopf. Ich würde das für mich ähnlich beschreiben wollen.

Krawattenangst brauche ich nicht zu haben, werde mich nachher aufs Sofa legen. Männerschnupfen.

@Inryoku


Ja, er unterscheidet auch Technikausführung auf der Matte, und in der SV- oder Kampfsituation

das kann ich mir vorstellen. Magst du dazu vielleicht noch ein, zwei Sätze schreiben? Oder gibt es dazu vielleicht etwas zu lesen? Asai Sensei habe ich dazu leider nie gehört (oder ich war damals nicht aufnahmefähig genug), ich würde mich freuen, wenn Du diesbezüglich Erfahrungen hast, diese vielleicht mit uns zu teilen?

Viele Grüße
Marcus

Gast
23-02-2017, 09:12
Es ist für mich irgendwie die Quadratur des Kreises, im Rahmen des (mir bekannten) Aikido-Übens wirkungsvolle Schlagfertigkeiten lernen zu können.

Natürlich kann man Karate oder Boxen üben, um Schlagen zu lernen.
Aber die Mechanik passt dann oft nicht zusammen. ich finde das z.B. bei Nishio, das die Eingangsatemi nicht wirklich zur darauf folgenden Bewegung passen. Er erklärt immer welche Fehler im "üblichen" Aikido gemacht werden, aber ich finde es oft nicht schlüssig.

Wie gesagt, über die Verbesserung der Bewegung selbst verbessert sich das Verständnis für Atemi, nicht umgekehrt.

So haben auch Ueshibas Schüler das vorwiegend gelernt, und dadurch dass die Präsenz von Atemi früher noch eine andere war. Zudem war es zu bestimmten Zeiten noch "erlaubt" zu schlagen, wenn uke blockiert hat, und zwar so dass es auch eine Wirkung hatte.

carstenm
23-02-2017, 10:05
Über das theoretische Verstehen von Atemi wirst du nicht die Qualität der Bewegung verbessern.
du kannst aber über die allgemeine Verbesserung der Bewegungsqualität die Qualität der Atemi verbessern, das geht aber nur durch üben.

Das ist etwas, was man prima für sich alleine üben kann wenn man Zeit hat.Nur der Klarheit halber: Die Zitate, auf die du dich da beziehst, stammen nicht von mir, sondern von Aiki50+.

Gast
23-02-2017, 10:14
Oh, habe ich falsch kopiert, Entschuldigung!

carstenm
23-02-2017, 11:17
Interessant, es passt gar nicht zu deinen sonstigen Aussagen, das Aiki-ken betreffend (jedenfalls wie ich sie verstanden habe).Hm, ich meine eigentlich mich schon immer unbeliebt gemacht zu haben, weil aus meiner Sicht sowohl aiki ken als auch aiki jô die Funktionalität eigentlicher ken jutsu oder jô jutsu fehlt und sie mit solchen Systemen nicht verglichen werden können? Und entsprechend kenne ich es ja eben auch so, daß in meinem aikidô Umfeld zwei alte Schulen des ken jutsu unterrichtet werden.
Ich weiß aber eben auch, daß viele Lehrer aiki ken und aiki jô durchaus mit dem Gedanken unterrichten, es handele sich dabei tatsächlich um eine vollwertige Schwert- oder Stockarbeit, die mit anderen ken jutsu oder jô jutsu verglichen werden könne.

Daher meine Frage an aiki50+, wie das Üben mit Stab und Schwert dort aufgefaßt wird.


Ja, er unterscheidet auch Technikausführung auf der Matte, und in der SV- oder KampfsituationMit dieser Unterscheidung bin ich auch "aufgewachsen". Das Üben der "Anwendungen" war auch im Training ein klar umrissener Bereich, der ganz regelmäßig geübt wurde. (Auch das war ja neulich in dem Todesthread mal Thema.)
Seit einigen Jahren kommt diese Unterscheidung in meinem Üben nicht mehr vor. Die sog. "Anwendungen" sind in dem, was geübt wird, immer schon enthalten ...


Wieso denkst du dass du im Aikido mit dem Schwert oder Jo real kämpfen lernst, mit den Tai-jutsu Techniken aber nicht?Puh, mit "Kämpfen lernen" machst du ja nun noch einmal ein anderes Faß auf ...
Ich bin nicht sicher, ob es hilfreich ist, daß hier zu diskutieren?
Aber mal in aller Kürze: Im ken jutsu gibt es - auf einem Niveau, das ich aufgrund meiner sehr geringen Trainingsintensität nie erreichen werde - shiai. Und das durchaus auch mit Vertretern anderer Schulen. Also auch, wenn mein persönlicher Weg mich dort nicht hinführt, ist das Üben auf shiai angelegt. Und shiai ist u.U. sogar ein Kriterium für das Weiterkommen im Curriculum der jeweiligen Schule.

Im aikidô gibt es kein shiai. Gibt's einfach nicht. Und das Üben ist auch in keiner Weise darauf angelegt. Und nie gewesen. Diejenigen, denen das wichtig war, mußten sich in Kneipen begeben, lauthals ein Alt in der falschen Stadt bestellen und dazu "Helau" rufen. Sozusagen. Und dann konnten sie aikidô shiai erleben. Oder sie mußten Vertreter rivalisierender dôjô zu sich bitten um herausgefordert zu werden. Oder auf Judômatten gehen. Und dergleichen Dinge mehr.

Aber im regulären aikidô keiko gibt es - nach allem, was ich zu wissen glaube -kein shiai als "offziellen" Teil des Übens. Das allerhöchste der Gefühle ist meines Wissens randori. Das aber eben im Unterschied z.B. zum judô noch immer festgelegte Rollen hat.

"Kämpfen" ist für mich zu unterscheiden von "Selbstverteidigung".

"Selbstverteidigung" ist für mich ein terminus technicus und noch einmal zu unterscheiden von "Selbstschutz und Eigensicherung". (Dazu habe ich einige Jahre lang Seminare gegeben und mußte angesichts identischer Bedrohungsszenarien beides konzeptionell und auch in Bezug auf die praktischen Anwendungen klar voneinander abgrenzen.)

Was nun mein Üben von aikidô angeht, so ist die konkrete Verteidigungsfähigkeit, die - jedenfalls meiner Erfahrung nach - natürlich damit einhergeht, schlicht nicht das betimmende Ziel von keiko.
Wenn Selbstverteidigung das unmittelbare Ziel des Übens sein sollte, dann müßte es auf der Matte Szenariotraining geben. Ebenso wie Streßdrills. Es müßten unmittelbare Antworten auf konkrete, "aktuelle" Angriffe geübt werden. Und vor allem auch eine völlig anders geartete Arbeit gegen Waffen.
So etwas wird ja gefordert. Und es gibt durchaus Lehrer, die so etwas unterrichten. Und ich habe in meinen Seminaren im Grunde nichts anderes getan.

Das ist aber - nach meinem persönlichen Verständnis - nicht das, was das Üben von aikidô dem Wesen nach ausmacht. Du schreibst ja selbst: "Aikido ist ja ein in sich geschlossenes System, ..." und ich übe dieses System, ich gebrauche lieber das Wort "Schule" oder auch "Tradition", und versuche es weiter zu geben.
Ich versuche nicht die Situation zu verstehen und eine darauf ausgerichtete Antwort zu finden und zu üben.
Sondern ich versuche, aikidô zu "verstehen", es zu üben und zu lernen. Und lasse mich von den Antworten erstaunen, die es mir immer wieder neu bietet.

aikidô ist für mich kein Weg, Kämpfen zu lernen, denn es strebt m.E. von seinem Wesen her nicht danach, zu kämpfen. (Problemanzeige: Es ist also aus meiner Sicht wenn überhaupt, dann nur im historischen Sinne eine Kriegskunst. Wie ist also budô zu verstehen?)
aikidô ist für mich nicht Selbstverteidigung, da ich meine Lebenswelt (und die Welt überhaupt) nicht als aus verschiedenen Bedrohungsszenarien komponiert erlebe, auf die ich durch mein Üben Antworten finden müßte.
aikidô ist für mich ein Weg persönlichen Wachstums in Austausch und Verbindung mit der Welt, in der ich lebe. Im Rahmen des keiko insbesondere mit den Menschen, mit denen ich übe. Und die ich inzwischen als meine Wahl-Familie bezeichne.
Möglich ist das, weil aiki und das Üben von aiki sich aus bestimmten Formen daoistischer Körperarbeit herleitet, die genau diese Intention hat. aikidô ist also in erster Linie ein spiritueller Weg. (Ich denke, Christian Tissier meint vom spirituellen Gehalt her etwas anderes, wenn er von aikidô als einem "Erziehungssystem" spricht. Die Parallele besteht darin, daß aikidô auch für ihn in erster Linie ein System der Persönlichkeitsbildung ist.)
Was aikidô - aus meiner Sicht - als ein budô auszeichnet, ist, daß es dem Übenden auf der körperlichen Ebene die Möglichkeit verschafft, der Klarheit Ausdruck zu verleihen, die er auf spiritueller Ebene gewinnt. Oder - sehr pathetisch gesagt - aikidô hilft dazu, dem Unrecht, dem Bösen, der Aggression, der Disharmonie, dem Unfrieden ... nicht weichen zu müssen.

Der Gedanke aus der Bibel, körperlicher Gewalt nicht sklavisch zu weichen, sondern sich gerade zu machen auch und gerade dann, wenn es körperlich wird, ist für mich interessantes Bild:
Wenn dich jemand mit dem Handrücken (seiner rechten Hand) auf die rechte Wange schlägt, weil man nämlich einen Unfreien nicht "richtig" schlägt, dann halte ihm auch die linke Wange hin, wie ein freier Mensch.

Das Vertrauen, sich in einer Situation, in der ein Konflikt körperlich wird, nicht fürchten zu müssen und geeignete Mittel zur Verfügung zu haben, diesen Konflikt körperlich so dominieren zu können, daß eine Klärung herbeigeführt werden kann, ist aus meiner Sicht wesentlich für aikidô.
Das aber ist nach meinem Verständnis etwas anderes sowohl als Selbstverteidigung, wie auch als Kämpfen.

Gast
23-02-2017, 11:18
das kann ich mir vorstellen. Magst du dazu vielleicht noch ein, zwei Sätze schreiben? Oder gibt es dazu vielleicht etwas zu lesen?

Ein Aspekt ist die Richtung in die man wirft, im Training auf der Matte wirft man nach vorne, u.a. um kokyu zu üben. Wendet man Techniken im Kampf an, wirft man sehr direkt nach unten.

Es ist aber nicht so dass das immer ein großes Thema ist, bei Tada geht es um die Körper-Geist Koordination, was macht der Geist, lässt er sich "fangen" oder ist er frei. Das ist das Entscheidende.

Das Zitat dass ich weiter oben gepostet habe ist aus einem Vortrag den er 2002 in Italien gehalten hat, ist auch zitiert als Vorspann zu einem achtteiligen Interview dass man auf aikidosangenkai.org nachlesesen kann (the Budo Body)




Asai Sensei habe ich dazu leider nie gehört


Bei Asai ist ganz klar deutlich zu hören (und auch zu sehen), dass Kampftechniken sich in der Anwendung von Übungstechniken unterscheiden.

Gast
23-02-2017, 11:22
Die sog. "Anwendungen" sind in dem, was geübt wird, immer schon enthalten ...


Das waren sie schon immer.


Puh, mit "Kämpfen lernen" machst du ja nun noch einmal ein anderes Faß auf ...

Nein, das Fass hast du selbst aufgemacht:


Für mich geht es also durchaus um das Üben für "einen realen Schwert- oder Stock-kampf".

carstenm
23-02-2017, 11:42
Das waren sie schon immer.Dann hab ich dich vielleicht falsch verstanden. Wie ist es denn gemeint, wenn du schreibst, daß sich Kampftechniken von den Übungstechniken unterscheiden?

MasterKen
23-02-2017, 11:52
Das Vertrauen, sich in einer Situation, in der ein Konflikt körperlich wird, nicht fürchten zu müssen und geeignete Mittel zur Verfügung zu haben, diesen Konflikt körperlich so dominieren zu können, daß eine Klärung herbeigeführt werden kann, ist aus meiner Sicht wesentlich für aikidô.


Das ist exakt das, was ich als Selbstverteidigung definieren würde.
Mehr Selbstverteidugung braucht es auch nicht in einem Job und Leben ohne Gewalt.

Gast
23-02-2017, 12:09
Dann hab ich dich vielleicht falsch verstanden. Wie ist es denn gemeint, wenn du schreibst, daß sich Kampftechniken von den Übungstechniken unterscheiden?

Naja, das kaputtmach-zeug ist doch im Grunde genommen die Basis, bzw. ist als Potential vorhanden.
Es gibt genügend Momente in denen Atemi und andere noch unschönere Dinge anzubringen wären, man kann es gesondert üben, man kann es aber auch lassen.

carstenm
23-02-2017, 12:17
Ah, ja. Danke! :)

Gast
23-02-2017, 13:30
Das Vertrauen, sich in einer Situation, in der ein Konflikt körperlich wird, nicht fürchten zu müssen und geeignete Mittel zur Verfügung zu haben, diesen Konflikt körperlich so dominieren zu können, daß eine Klärung herbeigeführt werden kann, ist aus meiner Sicht wesentlich für aikidô.
Das aber ist nach meinem Verständnis etwas anderes sowohl als Selbstverteidigung, wie auch als Kämpfen.

Wo wäre denn der Unterschied da zu treffen?
Ja nachdem, wie sehr die Auseinandersetzung da "körperlich" wird, und mit welchem Aggressionslevel da agiert wird, gibt es doch unterschiedliche Anforderungen an die Mittel, und für das sichere Anwenden ist etwas erforderlich, was ich als "kämpfen können", oder sich Verteidigen können, bezeichnen würde.
Es klingt für mich ein bisschen nach Haare spalten.

carstenm
23-02-2017, 13:40
Wo wäre denn der Unterschied da zu treffen?Mir geht es um die Unterschiede in der Übungsweise und die Unterschiede in der Haltung.
Und ja: Ich kann gut nachvollziehen, daß das in der Theorie nach Haarspalterei klingt. In der Praxis werden aber - jedenfalls nach meiner Erfahrung - die Unterschiede sehr gut deutlich.

Gast
23-02-2017, 14:12
In der Praxis werden aber - jedenfalls nach meiner Erfahrung - die Unterschiede sehr gut deutlich.


Wenn zwei verschiedene Methoden, Systeme oder Übungsansätze zum gleichen Ziel führen, nämlich einen Konflikt körperlich dominieren zu können und sich davor nicht fürchten zu müssen, dann ist es im Ergebnis zumindest was diesen Aspekt betrifft das Gleiche, (wenn auch nicht das Selbe), auch wenn noch andere Übungsziele mit eine Rolle spielen, oder vielleicht für den einen oder anderen sogar wichtiger sind.
ES kann ja auch sein dass jemand z.B. KM trainiert, für den der Spaß und die körperliche Fitness die Hauptrolle spielt, und die SV ein interessanter Nebenaspekt ist.
Beide lernen sich zu Verteidigen, denn genau dass tut man, wenn man in der Lage ist, einen Angreifer körperlich zu dominieren. Ob da jetzt Szenario Spiele vorausgegangen ist, ist doch unerheblich, solange das Können ein Ergebnis des Übens ist. Ob es wirklich so ist, sei dahingestellt, wir unterstellen jetzt einfach mal dass du durch dein Aikidotraining einem Angreifer körperlich überlegen bist.
Ob es ein "Kampf" wird, bei dem laut Definition ja zwei Kontrahenten versuchen sich gegenseitig zu besiegen, oder ob man mit einer guten Aktion den Kampf direkt beendet wie es das Ziel eines Budôka ist, das ist vielleicht nochmal ein anderer Aspekt.

Gast
23-02-2017, 15:14
"Selbstverteidigung" ist für mich ein terminus technicus und noch einmal zu unterscheiden von "Selbstschutz und Eigensicherung". (Dazu habe ich einige Jahre lang Seminare gegeben und mußte angesichts identischer Bedrohungsszenarien beides konzeptionell und auch in Bezug auf die praktischen Anwendungen klar voneinander abgrenzen.)


Waren das eher theoretische, oder praktische Seminare, und auf welcher Basis oder auf welchem System waren die aufgebaut oder konzipiert?

carstenm
23-02-2017, 16:37
Waren das eher theoretische, oder praktische Seminare, und aufgrund welcher Basis oder welchem System waren die Aufgebaut?Das waren zweitägige Seminare mit eine Praxisanteil von etwa 90 %, für den ich zuständig war. Der Theorieteil zu Konfliktvermeidung, Deeskalation und Notwehrrecht war so kurz gehalten, weil die Seminare dort einsetzen sollten, wo körperliche Intervention beginnt.
Ein wesentlicher Teil der Seminare bestand darin, auf konkrete Szenarien der TeilnehmerInnen einzugehen und ihnen Lösungsansätze an die Hand zu geben.

Das System wurde von einem israelischen Lehrer auf der Basis von Jiu Jitsu - und ein wenig KM - entwickelt. Ich habe nach einiger Zeit auch Lösungen entwickelt und eingebracht auf der Basis meines aikidô-Übens.

Das System hat bestimmte Besonderheiten gegenüber anderen SV Systemen, zum einen, weil es Teamorientiert ist. Vor allem aber, nicht für "die Straße" entwickelt wurde, sondern für Szenarien wie Krankenhäuser, dabei in erster Linie Psychiatrie, Wohnheime, Justizvollzug etc. . Aufgrunddessen sollten die Techniken nicht über Schmerz und vor allem nicht über Verletzung funktionieren. Und das ist m.E. ein wesentlicher Unterschied zu echten SV-Systemen. Jedenfalls so, wie ich sie kennengelernt habe.
Und es wurde in unserer Sitution auch tatsächlich genauso beschrieben: Die Vorgängerfortbildung, die SV orientiert war, wurde durch unser System ersetzt.

carstenm
23-02-2017, 16:41
Wenn zwei verschiedene Methoden, Systeme oder Übungsansätze zum gleichen Ziel führen, ... dann ist es im Ergebnis zumindest was diesen Aspekt betrifft das Gleiche, ... auch wenn noch andere Übungsziele mit eine Rolle spielen, ... Ich habe ja versucht, deutlich zu machen, daß aus meiner Sicht der Unterschied eben gerade darin besteht, daß in dem einen Fall - SV System - vom Ziel her gedacht wird, während in dem anderen Falle - aikdiô - vom Übungsweg her gedacht wird. Bei letzterem ist - jedenfalls aus meiner Sicht - der Übungsweg das Ziel.

Gast
23-02-2017, 16:58
. Bei letzterem ist - jedenfalls aus meiner Sicht - der Übungsweg das Ziel.

Auch SV lastige Systeme neigen ja irgendwann dazu sich dieses Do-Konzeptes zu bedienen.
Ich warte noch auf Krav Maga Do.
Ein Weg ist aber nur ein guter Weg, wenn man darauf auch mal irgendwo ankommt. So kann es durchaus Ziele innerhalb des Übungsweges geben.

carstenm
23-02-2017, 19:32
@ aiki50+:

Fällt das, was Stephane hier - und im folgenden - zeigt (https://youtu.be/bwiMwLXTAac?t=252), für dich unter "symbolische atemi"? Oder ist das schon etwas, das du nicht üben möchtest?

carstenm
23-02-2017, 19:42
Auch SV lastige Systeme neigen ja irgendwann dazu sich dieses Do-Konzeptes zu bedienen.Hm, also hierumzu kann beobachte ich das eigentlich nicht. Das einzige dô, das mit Selbstverteidigung auftaucht, ist das aikidô anderer dôjô/Vereine.


Ein Weg ist aber nur ein guter Weg, wenn man darauf auch malnirgendwo ankommt. Ich freue mich über deinen Verschreiber, weil ich tatsächlich der Auffassng bin, daß es im Leben nirgendwo ein Ankommen gibt, außer bei sich selber.
Klar kann man sich bestimmte technische Dinge vornehmen. Oder eine Graduierung. Oder was auch immer sich jemand definieren mag als Ziel. Aber doch nur um dann festzustellen, daß damit nichts, aber auch gar nichts erreicht ist. Nur das Wissen darum, daß der Weg immer wieder neu beginnt und eben nirgendwo endet ...

Ich meinte es hier aber viel profaner, ganz banal bezogen auf das Denken von einem Szenario her und der Lösung dazu. Im Gegensatz zum Denken vom Üben her.

Gast
23-02-2017, 20:06
Dann ist mir aber ein Rätsel wieso du später schreibst, du siehst wenig Atemi in den Nishio Videos.
Dieses Video ist ein Zusammenschnitt aller Szenen von der ersten 7 DVDs, in denen Nishio etwas zu Atemi erklärt oder gezeigt hat; insgesamt gesehen sind die Atemi in diesen DVDs nicht so dominant. Die relativ häufigsten Übungen bei uns im Anfänger-Training sind Aihanmi Katatedori Iriminage (https://www.youtube.com/watch?v=5bDSgcSP19g&nohtml5=False#t=22m56) und Aihanmi Katedori Ikkyo Omote (https://www.youtube.com/watch?v=5bDSgcSP19g&nohtml5=False#t=9m24). Beides führt Nishio in der Grundform ohne Atemi aus. Im zweiten Beispiel zeigt er als Variante einen Atemi am Anfang.

Wie die Praxis in einem Nishio-Aikido Dojo aussieht, weiß ich nicht; daher frage ich ja.


Solche Atemi kann man einfach nicht "realistisch" üben. Warum übt man sie dann oder mit welchem Ziel im Nishio-Aikido? Gute, allgemeine Antworten dazu gab es ja schon in diesem Thread.

Gast
23-02-2017, 20:31
@ aiki50+:

Fällt das, was Stephane hier - und im folgenden - zeigt (https://youtu.be/bwiMwLXTAac?t=252), für dich unter "symbolische atemi"? Oder ist das schon etwas, das du nicht üben möchtest?
Ja, mit den meisten hätte ich kein Problem* , oder mit dem, was Doshu im Video "Priniples of Aikido" gezeigt und der Sprecher als Atemi bezeichnet hat.

Einzelne Atemis wie in 4:19 sind allerdings schon mehr als symbolisch.

So lange Atemis im Rahmen des Übens nicht mit der Absicht, den Übungspartner zu verletzen, ausgeführt werden, sehe ich für mich auch kein Problem. Wenn man solche Atemis wie die zum Kehlkopf übt, dann ist die entscheidende Frage mit welchem Übungsziel. Ist es das Ziel, sich bewusst zu machen, dass und wie während einer Form die Möglichkeit zu einem gefährlichen Atemi entsteht, oder übt man mit dem Ziel, in einem SV-Fall den Kehlkopf oder andere Vitalpunkte wirksam treffen zu wollen und können?

P.S.: Wegen anderer Videos mit Stephane Goffin vermute ich mal eine Fangfrage dahinter. In den anderen Videos mit ihm sehe ich einen teils sehr athletischen Stil, der hohe Anforderungen an den Uke stellt. Das ist jetzt kein "ethisches" Problem, nur wäre das ein Stil, den ich möglicherweise in meinem Alter und meiner Fitness so nicht nachmachen könnte.
_______
*) Außer wenn - wie in 1:36 zu sehen - der Übungspartner einen Hakama und eine Brille trägt. :D

carstenm
23-02-2017, 21:35
So lange Atemis im Rahmen des Übens nicht mit der Absicht, den Übungspartner zu verletzen, ausgeführt werden, sehe ich für mich auch kein Problem. Naja, das ist ja doch schon verschiedentlich deutlich geworden, daß wohl niemand mit der Intention übt, seine Partner verletzen zu wollen. Im Gegenteil.


Ist es das Ziel, sich bewusst zu machen, dass und wie während einer Form die Möglichkeit zu einem gefährlichen Atemi entsteht, oder übt man mit dem Ziel, in einem SV-Fall den Kehlkopf oder andere Vitalpunkte wirksam treffen zu wollen und können?atemi, wie ich sie kenne, haben unterschiedliche Ziel: Manche sollen "nur" Öffnungen vermeiden oder Distanz erhalten. Andere sollen - durch Kontakt - den Körper des Partners bewegen. Und wieder andere, ja, die sollen Wirkungstreffer erzielen.
Dabei fällt mir ein hüstel ... über das Benutzen der Beine haben wir ja noch gar nicht gesprochen ... aber z.B. bei kaiten nage das Gesicht des Angreifers zum Knie führen, ist ja auch ein ganz klassisches atemi dieser Art.

Ich persönlich übe nicht, um mir etwas theoretisch bewußt zu machen, sondenr immer mit der Intention, daß auch zur Anwendung bringen zu können.


Wegen anderer Videos mit Stephane Goffin vermute ich mal eine Fangfrage dahinter. Äh, nein, keine Fangfrage. Ich stelle keine Fangfragen. Und mir ist an einem Austausch zu diesem Thema wirklich gelegen.
Bei mir hat sehr lange jemand geübt, der sich zu atemi und vergleichbaren Aspekten ganz genauso geäußert hat, wie du. Der war aus einem schlagenden KS zu uns gekommen, weil er genau das nicht mehr wollte.

Ich habe noch nie bei Stephane (oder mit ihm als Partner) geübt, kenne ihn nur als Mitübenden bei Lehrgängen von früher. Aber was ich von Videos kenne, sieht für mich eigentlich "ganz normal" aus. Hier sieht man ihn mit Christian Tissier. Und der hat ihn ein Stück weit gegprägt und drum wirkt es für mich wohl einigermaßen vertraut ...
http://togishidojo.com/wp-content/uploads/2016/01/Christian-Tissier-3.jpg.


*) Außer wenn - wie in 1:36 zu sehen - der Übungspartner einen Hakama und eine Brille trägt. :DSchmunzel. Der Herr mit Brille und Hakama heißt Bernhard Wardein und ist derjenige, der z.B. Stephane nach Wien einlädt. Und ausgerechnet der hat nun zu atemi eine recht unkomplizierte Einstellung. ;)

Gast
23-02-2017, 22:46
Nur das Wissen darum, daß der Weg immer wieder neu beginnt und eben nirgendwo endet ...


Ja, das kommt mir sehr bekannt vor. Ich kann es manchmal einfach nicht mehr hören...

Gast
23-02-2017, 23:17
[QUOTE=Aiki50+;3562515 Ist es das Ziel, sich bewusst zu machen, dass und wie während einer Form die Möglichkeit zu einem gefährlichen Atemi entsteht, oder übt man mit dem Ziel, in einem SV-Fall den Kehlkopf oder andere Vitalpunkte wirksam treffen zu wollen und können?
[/QUOTE]

Eigentlich übt man es einfach, weil es halt Aikido ist. Muss es dafür einen Grund geben? Es fragt sich auch niemand, was das Ziel beim Üben von Nikyo ist, und es sagt auch keiner, dass Nikyo ethisch ok ist, solange niemand dabei verletzt wird (und das ist durchaus möglich)
Aikidô üben beinhaltet das alles, es ist einfach normal, es zu üben.
Wenn du mit einem Schwert trainierst, sollte dir klar sein dass es ein Mordinstrument ist.

Solaris1980
24-02-2017, 05:14
Dieses Video ist ein Zusammenschnitt aller Szenen von der ersten 7 DVDs, in denen Nishio etwas zu Atemi erklärt oder gezeigt hat; insgesamt gesehen sind die Atemi in diesen DVDs nicht so dominant.

Wie die Praxis in einem Nishio-Aikido Dojo aussieht, weiß ich nicht; daher frage ich ja.
Warum übt man sie dann oder mit welchem Ziel im Nishio-Aikido? Gute, allgemeine Antworten dazu gab es ja schon in diesem Thread.

Ach so, ok.
Ja, insgesamt sieht man natürlich nicht so viel Atemi, weil es halt immer noch Aikido ist, würde ich sagen. Dementsprechend sind die Atemi nicht so dominant, das stimmt. Und wenn Nishio der Ansicht ist, eine Technik funktioniert auch ohne, dann kann es sein, dass er gar keinen macht, ja.

Ich denke. ob es "viel" oder "wenig" ist, das kommt auch auf die Perspektive an. Ich weiß nicht ob du mal geschrieben hattest, in welchem Verband / Stil du Aikido betreibst. Ich als ehemaliges DAB Mitglied sehe halt im Vergleich sehr viel Atemi und vor allem "richtige" (s.o.) bei Nishio.

Die Praxis (zumindest in unserem) Nishio Aikido Dojo sieht in etwa so aus wie in den Nishio Videos.
Allgemein läuft ein Nishio Aikido Training in drei Teilen ab: Wir beginnen mit den Aikido Toho Iai Kata mit Iaito (oder Anfänger Bokken). Dann folgt Training mit Bokken und / oder Jo (Bokken vs. Bokken, Bokken vs. Jo oder Jo vs. waffenlos) die japanischen Begriffe dafür habe ich leider grad nicht im Kopf ;)
Als letztes Drittel dann waffenlos. Manchmal schauen wir am Ende auch ein wenig über den Tellerrand und trainieren Dinge aus anderen Kampfkünsten.

Meist sucht sich unser Trainer eine Technik heraus, die wir schwerpunktmäßig in allen drei Teilen machen (bis auf die erste und letzte entsprechen die Aikido Toho Iai Formen in den Bewegungen waffenlosen Aikido Techniken) und die von allen gemeinsam trainiert wird.

Das ist übrigens der Hauptgrund, warum mir Aikido beim Nishio Aikido wieder Spaß macht. Im DAB Verein wurde zu Anfang ein wenig gemeinsam gemacht, aber hauptsächlich lag tatsächlich die Prüfungsordnung am Mattenrand und es hieß: "Orange macht das, Grün macht dies, Blau jenes"...
Die Farbgurte hatten mich sowieso immer gestört, und auf Graduierungen lege ich auch keinen großen Wert.
Ich habe mal mit Aikido begonnen mit dem Hauptziel zu mehr innerer Ruhe und Frieden mit mir selbst zu kommen, und dabei noch etwas zur Selbstverteidigung zu lernen. Für beides ist es in meinen Augen relativ unwichtig welche Graduierung ich habe...

Im Nishio Aikido gibt es keine Farbgurte (wie bei den meisten Stilen glaube ich) und jeder darf von Anfang an einen schwarzen Hakama tragen (das hängt auch damit zusammen, dass wir auch Iaido betreiben, dort gehört der Hakama ja auch zur normalen Trainingsbekleidung und ist kein Statussymbol,)

War jetzt ein wenig off topic aber vielleicht für einige ganz interessant, Nishio Aikido ist ja ziemlich selten.

Zurück zu den Atemi:


Warum übt man sie dann oder mit welchem Ziel im Nishio-Aikido? Gute, allgemeine Antworten dazu gab es ja schon in diesem Thread.

Der Grund ist, dass wir Aikido als Kampfkunst betrachten, die im Notfall tatsächlich auch zur Selbstverteidigung geeignet sein soll.

Ich kannte im DAB Aikido als die "Kunst sich zu verteidigen möglichst ohne den Angreifer zu verletzen", daher auch die Ablehnung von Atemi im DAB.
Ich achte immer noch die Haltung von jedem der das so sieht, aber ob das in der Realität so funktioniert fand ich immer fraglich...

Im Training war das im DAB dann zum Beispiel so, dass geübt wurde den Arm bei einem Schlagangriff zu fassen um einen Hebel anzusetzen. Dazu wurde gesagt: "Wir wissen, dass das so nicht funktioniert, weil ein echter Angreifer den Arm sofort zurückzieht, aber das ist eben Grundschule."

Im Nishio Aikido haben wir immer den SV Aspekt im Auge und trainieren nichts, von dem wir wissen, dass es nicht funktioniert.
Der Eingang bei einem Schlagangriff ist bei uns dann halt meist Irimi + Atemi.

carstenm
24-02-2017, 06:14
Ja, das kommt mir sehr bekannt vor. Ich kann es manchmal einfach nicht mehr hören...Ja, das ist auch sehr bekannt, aus Buddhismus, Daoismus und jüdisch-christlicher Tradition ... Eine Kernaussage spirituellen Lebens gewissermaßen.

Was ist das Ziel des Baumes,
wenn er wächst?
Was ist das Ziel der Wolken,
wenn sie ziehen?
Zwischen Erde und Himmel,
der Mensch.


Eigentlich übt man es einfach, weil es halt Aikido ist.Danke!
Dein Satz faßt ganz wunderbar und drückt ganz klar und entspannt aus, was ich hier oft auf meine verquere Weise versucht habe, deutlich zu machen.
Merci.

Gast
24-02-2017, 08:03
Ja, das ist auch sehr bekannt, aus Buddhismus, Daoismus und jüdisch-christlicher Tradition ... Eine Kernaussage spirituellen Lebens gewissermaßen.


Nein, das Zitat "der Weg ist das Ziel" stammt von Konfuzius ("Zhi yu Dao" aus Lunyu 7.6. Kapitel Shu Er "Die Lehren des Konfuzius"), und ist falsch übersetzt.
Es bedeutet: "Richte Deinen Willen (oder dein Streben) auf das Dao."
Es gab wohl hier schon öfter Diskussionen dazu.
Diesen Spruch einfach allen anderen spirituellen Traditionen überzustülpen, finde ich sinnfrei, es wird so einfach eine leere Phrase.

Der Weg ist auch nicht irgendein Weg, sondern bei Konfuzius ganz klar benannt, und auch eigentlich, wohin er führt.



Was ist das Ziel des Baumes,
wenn er wächst?


Ein Baum zu werden?

carstenm
24-02-2017, 08:11
... Videos mit Stephane Goffin ...
In den anderen Videos mit ihm sehe ich einen teils sehr athletischen Stil, der hohe Anforderungen an den Uke stellt. Das ist jetzt kein "ethisches" Problem, nur wäre das ein Stil, den ich möglicherweise in meinem Alter und meiner Fitness so nicht nachmachen könnte.Nach deinen Erläuterungen zu dem Stellenwert von atemi in eurem aikidô und jetzt dieser Aussage zu ukemi und zu dem Aspekt, den du "athletisch" nennst, wäre es vielleicht doch hilfreich, wenn du etwas dazu sagen könntest, in welcher Traditionslinie oder Richtung ihr übt.

Der Kontext, in dem man übt, ist ja entscheidend für viele Aspekte. Und wie Solaris schön beschreibt, hat z.B. atemi in einem "klassischen" DAB-Verein eine ganz andere Bedeutung als in einem dôjô, das z.B. Nishio sensei folgt. Aber das hat ja auch seinen Sinn: Es wäre ja Quatsch, Aspekte aus dem eine Übungskontext in einen anderen hinein fordern zu wollen.

Und vielleiht reden wir ja so betrachtet hier die ganze Zeit aneinander vorbei ...

carstenm
24-02-2017, 08:34
Nein, das Zitat "der Weg ist das Ziel" stammt von Konfuzius ("Zhi yu Dao" aus Lunyu 7.6. Kapitel Shu Er "Die Lehren des Konfuzius"), und ist falsch übersetzt.
Es bedeutet: "Richte Deinen Willen (oder dein Streben) auf das Dao."
Es gab wohl hier schon öfter Diskussionen dazu.
Diesen Spruch einfach allen anderen spirituellen Traditionen überzustülpen, finde ich sinnfrei, es wird so einfach eine leere Phrase.

Der Weg ist auch nicht irgendein Weg, sondern bei Konfuzius ganz klar benannt, und auch eigentlich, wohin er führt.Autsch.

Ja, zu dem Zitat von Konfuzius gab es Diskussionen hier und anderorts ...
... so habe ich z.B. eine Zeitlang zu dem "interreligiösen Vergleich von Wegkonzepten" gearbeitet ...
... und darf mich in meiner ganz persönlichen spirituellen Praxis, wie auch der beruflichen Praxis jeden Tag existentiell genau damit befassen. Ziemlich genau darum geht's eigentlich die ganze Zeit ...

Hier allerdings ging es mir nicht darum, Konfuzius zu zitieren, sondern deutlich zu machen, daß es nach meiner Erfahrung und Auffassung beim Üben von aikidô ausschließlich um das Üben von aikidô geht. Es gibt nach meiner Ansicht kein anderes Ziel als das Üben um des Übens willen.
Aber auch das hatten wir ja schon und ich habe hier allerlei Kritik für diese Haltung bekommen ...

Wer seinen Willen auf das Dao richtet - der muß ihn von seinen eigenen Zielen lösen, sie loslassen. Mit eben dieser Aussage beginnt das Dao de jing.
In der Bibel findest du genau gleichlautende Aussagen. Massenhaft.
Und in der buddhistischen Tradition sowieso.

Es geht darum, den Weg zu gehen. Jetzt, hier. Ein "wohin" ist immer nur Illusion. Im Daoismus, im Buddhismus, im Christentum.
Wie bringt man Gott zum Lachen? - Man erzählt ihm von seinen Plänen ...


Ein Baum zu werden?Wann ist ein Baum ein Baum?
Ist der Baum schon im Samen? So sagen ja viele Traditionen.
Ist ein Baum noch ein Baum, wenn er verrottend am Boden liegt?
Wann ist der Moment gekommen, an dem der Baum ganz und gar Baum geworden ist?
Und was ist er in dem Moment danach?

Nachtrag:

Es gibt eine schöne Geschichte von zwei buddhistischen Lehrern, die stundenlang in einem Park sitzen. Ohne ein Wort zu sagen. Ihre Schüler sitzen dabei und hören ihnen beim Schweigen zu. Schließlich bricht einer der Beiden die ewige Stille und lacht aus vollem Halse. In einer Prustepause zeigt er auf einen der Bäume im Park und gnikkert: "Sie nennen es Baum!" Worauf auch der andere Lehrer in schallendes Lachen ausbricht ...

HawkEyes
24-02-2017, 09:10
So, vielen Dank für Eure Erläuterungen lieber Carsten und Inryoku.

Ihr lauft mir in einem Tempo, da komme ich ja kaum hinterher :-)

Gast
24-02-2017, 09:50
... und darf mich in meiner ganz persönlichen spirituellen Praxis, wie auch der beruflichen Praxis jeden Tag existentiell genau damit befassen. Ziemlich genau darum geht's eigentlich die ganze Zeit ...


Das ist schön, ich gönn es dir.



Hier allerdings ging es mir nicht darum, Konfuzius zu zitieren, sondern deutlich zu machen, daß es nach meiner Erfahrung und Auffassung beim Üben von aikidô ausschließlich um das Üben von aikidô geht.

Ja, das habe ich ja geschrieben. Und trotzdem übt man ganz konkrete Dinge, Abstand, Timing, Intent, u.s.w.
Und dann gibt es so Sachen wie masakatsu agatsu katsuhayabi, ame no ukihashi... Ohne einen bestimmten Zustand erreicht zu haben, wären diese Aussagen (ich stehe auf der...), oder was Aikido ist oder sein soll, nicht möglich.
Der Weg zu irgendwas, einfach unterwegs sein, das ist nicht Aikido.

Und natürlich ist es möglich zu sagen was ein Baum ist, ganz konkret.
Natürlich ist alles im Wandel, im Werden und Vergehen begriffen, aber darüber braucht man sich doch nicht unterhalten.
Es gibt auch in der Physik Theorien, dass alles nur Ideen sind, und die Dinge sind nur Abbilder dieser Ideen...

Ich verstehe dieses Weg-Konzept, aber es ist eine Phrase wenn man es nicht füllt.
Ich bin mit dem Zeug aufgewachsen, habe ich das mal geschrieben?

Gast
24-02-2017, 10:31
Schließlich bricht einer der Beiden die ewige Stille und lacht aus vollem Halse. In einer Prustepause zeigt er auf einen der Bäume im Park und gnikkert: "Sie nennen es Baum!" Worauf auch der andere Lehrer in schallendes Lachen ausbricht ...

Ja, solche Momente gibt es.
Manche haben sowas wenn sie bestimmte Substanzen eingenommen haben...

Ich hatte lange beruflich mit Bäumen zu tun.
Ohne die Baumarten klar benennen zu können, wäre die Berufsausübung nicht möglich gewesen.
Ich will damit sagen, es gibt da verschiedene Ebenen der Betrachtung, das Weg-Konzept hilft einem nicht weiter wenn man eine Pflanzenabnahme hat und die Lieferung kontrolliert. Auf dem Lieferschein stehen dann 20 Quercus robur "fastigiata", aber gut, die sind ja alle nicht real existent, weil entweder noch im Werden begriffen oder gedanklich schon vergangen...
Ok, 5 davon sind kaputt, aber was macht das, sie werden ohnehin in 100 Jahren nicht mehr stehen, und die falsche Sorte, naja, ein baum ist ja sowieso eigentlich nicht definierbar...
Vielleicht hilft es einem ja zu mehr Gelassenheit, aber ein Baum ist doch schon ein Baum...
So ist es in der Kampfkunst auch, es gibt die schönen Konzepte, aber wenn man in eine Situation kommt in der es eben darauf ankommt diese kontrollieren zu können, dann kann man es entweder, oder man kann es nicht.
"Der Weg ist das Ziel" hilft dir da nicht, außer es ist eh alles egal.

Gast
24-02-2017, 10:33
Das mit dem "der Weg ist das Ziel" bin ich auch sehr skeptisch; und gerade Konfuzius wird ja auch oft haarsträubend weichgespült.

Viel besser passt da doch Lunyü I.1

"Etwas lernen und sich immer wieder darin üben - schafft das nicht auch Befriedigung?"
(Übersetzung Ralf Moritz)

Gast
24-02-2017, 10:40
edit

carstenm
24-02-2017, 10:59
Das mit dem "der Weg ist das Ziel" bin ich auch sehr skeptisch; und gerade Konfuzius wird ja auch oft haarsträubend weichgespült.Moin Julian. :-) Ja, wir hatten diese Debatte ja schon einmal hier.

Der Witz ist dabei, daß ich mit Konfuzius wenn überhaupt dann nur mittelbar zu tun habe.

Meine Aussagen stammen aus anderen Traditionen. U.a. auch aus christlichen Aussagen. Der Weggedanke ist ein sehr populärer. Ein Bild dafür ist das Pilgern, das ja eine Renaissance erlebt hat. Und dabei geht es gerade ganz ausdrücklich nicht um das Ziel, nicht um das Ankommen.

Genauso war das Leben möglichst im gegenwärtigen Moment ein tragendes Element meiner Zen-Praxis.

Solche Gegenwärtigkeit ist eigentlich in allen spirituellen Traditionen, mit denen ich für mich selber mich befasse, ein verbindendes Element.

Konfuzius stand mir daher gar nicht vor Augen, als ich geschrieben haben, daß das Ziel des Übens das Üben selber sei. Ich war dabei in Gedanken noch bei einem Text von Jack Kornfield.

Münsterländer
24-02-2017, 11:04
[...]
So ist es in der Kampfkunst auch, es gibt die schönen Konzepte, aber wenn man in eine Situation kommt in der es eben darauf ankommt diese kontrollieren zu können, dann kann man es entweder, oder man kann es nicht.
"Der Weg ist das Ziel" hilft dir da nicht, außer es ist eh alles egal.

Moin,

zunächst mal hast du natürlich völlig recht.
Wenn ich 100 Bäume abliefern oder eine konkrete Kampfsituation überstehen muss, ist alle Philosophie zu ende. Dann stellt sich nur die Frage (um Fluch der Karibik zu zitieren) was ein Mann kann, und was er nicht kann.

Aber im Zusammenhang mit der Weg-Diskussion möchte ich fragen:
Na und?
Das abgenudelte Zitat (egal aus welcher Quelle es jetzt extrahiert wird) soll uns m.E doch nur sagen, dass wir auf dem jeweiligen Stand vielleicht der aktuellen Aufgabe gewachsen, aber trotzdem nie ganzheitlich fertig sind.

Egal wie gut man ist, es gibt immer noch etwas dass man nicht kann.
So kenne ich es in der Musik und eben auch in der Kampfkunst.

Sonst könnten die großen Meister ja schließlich irgendwann das Üben einstellen. Aber nein, sie finden immer noch etwas neues.

Deswegen sehe ich da gar keinen Gegensatz.

Oder verstehe ich jetzt etwas völlig falsch?

Grüße

Münsterländer

Gast
24-02-2017, 11:36
Moin Julian. :-) Ja, wir hatten diese Debatte ja schon einmal hier.

Der Witz ist dabei, daß ich mit Konfuzius wenn überhaupt dann nur mittelbar zu tun habe.

Meine Aussagen stammen aus anderen Traditionen. U.a. auch aus christlichen Aussagen. Der Weggedanke ist ein sehr populärer. Ein Bild dafür ist das Pilgern, das ja eine Renaissance erlebt hat. Und dabei geht es gerade ganz ausdrücklich nicht um das Ziel, nicht um das Ankommen.

Genauso war das Leben möglichst im gegenwärtigen Moment ein tragendes Element meiner Zen-Praxis.

Solche Gegenwärtigkeit ist eigentlich in allen spirituellen Traditionen, mit denen ich für mich selber mich befasse, ein verbindendes Element.

Konfuzius stand mir daher gar nicht vor Augen, als ich geschrieben haben, daß das Ziel des Übens das Üben selber sei. Ich war dabei in Gedanken noch bei einem Text von Jack Kornfield.

Moin!

Meine Aussage war jetzt auch nicht gegen dich oder deinen Beitrag gerichtet, sondern spiegelt einfach meine Sichtweise wieder.

Dabei sehe ich persönlich zum Beispiel auch gerade das Pilgern als ein gutes Beispiel dafür, wie sich vielleicht ältere und neuere Sichtweisen voneinander unterscheiden. Natürlich geht es beim Pilgern auch immer um mehr, als schnellstmöglich am Ziel anzukommen. Aber - zum einen gibt es eben ein konkretes Ziel, und letzten Endes geht es eben genau darum, dieses auch zu erreichen. Dass ich dabei viel anderes Erleben kann, viel mit mir passieren kann etc. ist natürlich richtig - aber das Ziel einer Pilgerreise ist eben nicht der Weg!

Anderes Beispiel Mahayana/Tantra: da höre oder lese ich auch oft von einer "der Weg ist das Ziel-Konzeption". Aber auch hier geht das meines Erachtens schwer am eigentlichen Konzept vorbei.

Vielleicht wäre es in den spirituellen Traditionen und Zielen einfach viel öfters mal sinnvoller, das vermeintliche Ziel zu hinterfragen. Vielleicht stellt sich dann nicht selten heraus, dass es da gar kein sinnvolles oder zu erreichendes Ziel gibt...
Der Ziel ist das Weg birgt so nämlich m.M.n. die Gefahr in sich, etwas zum Selbstzweck werden zu lassen, was es zumindest ursprünglich nicht war.

Davon unberührt ist natürlich die Freude an der Entwicklung und täglichen Praxis. Aber dafür brauche ich dann nicht zu sagen - der Weg ist das Ziel. Das klingt dann zwar toll, aber ist eigentlich nur eine hohle Phrase. Dann kann ich auch einfach sagen: Mir macht das einfach Spaß, ich schaue mal, wo es mich noch hinführt und wie weit ich da noch komme.

Cam67
24-02-2017, 12:37
Dabei sehe ich persönlich zum Beispiel auch gerade das Pilgern als ein gutes Beispiel dafür, wie sich vielleicht ältere und neuere Sichtweisen voneinander unterscheiden. Natürlich geht es beim Pilgern auch immer um mehr, als schnellstmöglich am Ziel anzukommen. Aber - zum einen gibt es eben ein konkretes Ziel, und letzten Endes geht es eben genau darum, dieses auch zu erreichen. Dass ich dabei viel anderes Erleben kann, viel mit mir passieren kann etc. ist natürlich richtig - aber das Ziel einer Pilgerreise ist eben nicht der Weg!


nur so als Idee.
geht es beim Pilgern nicht auch in erster Linie um die Veränderung, die in einem Stattfindet , auf diesem Weg.
es ist der gegangene Weg mit seinen Begegnungen (innen , wie außen), die dich umkrempeln, dich dir nähern, dich verändern und eben nicht erst das Ziel.
um dadurch, als vll. höheres "Ziel" ^^ , dazu zu kommen, jeden Weg im Leben als eine Art Pilgerfahrt zu bestreiten.

so das auch hier ein Fokus auf das Ziel , eher hinderlich wäre.


Davon unberührt ist natürlich die Freude an der Entwicklung und täglichen Praxis. Aber dafür brauche ich dann nicht zu sagen - der Weg ist das Ziel. Das klingt dann zwar toll, aber ist eigentlich nur eine hohle Phrase.

wenn es gelebt wird ist , ist es doch nicht mehr "hohl" oder ?
und wenn diese Phrase am besten das ausdrückt , wie etwas gelebt wird, warum dann nicht auch so verwenden.


Vielleicht wäre es in den spirituellen Traditionen und Zielen einfach viel öfters mal sinnvoller, das vermeintliche Ziel zu hinterfragen. Vielleicht stellt sich dann nicht selten heraus, dass es da gar kein sinnvolles oder zu erreichendes Ziel gibt...



genau das ist doch eigentlich (in meinen Augen ) die Kernaussage dieser Phrase.
ein Festlegen auf ein Bestimmtes , absolutes Ziel , behindert in Wirklichkeit die eigene Entwicklung so das , kleine Abbiegungen, Nebenwege, scheinbare Umwege usw. gar nicht mehr in den Blick genommen werden und so ev. die wirklich wichtigen Erfahrungen (nicht selten eher die kleinen Dinge im Leben ) umgangen , missachtet werden.

die Phrase sagt doch nur , daß das Ziel nicht ein Punkt ist , sondern eher eine gelebte Etappe , die dich zur nächsten Etappe bringt.

auf deutsch: du sagst mit anderen Worten genau das Gleiche , wie die von dir abgelehnte Phrase ^^.

Gast
24-02-2017, 13:01
@cam

Ich schrieb ja, dass das Pilgern mehr ist, sein kann.
Traditionell ging es beim Pilgern aber (soweit ich es weiß) primär darum, das konkrete Ziel der Pilgerschaft zu erreichen; und damit z.B. ein Gelübde zu erfüllen oder um Abbitte zu leisten.

(Wobei Alternativelosigkeit in der eigenen Heimat und Abenteuerlust sicher auch Beweggründe waren. In welchem Ausmaß die die jeweiligen Ziele bestimmend waren, müsste man mal schauen ob es dazu was in der Literatur gibt.)

Zum Üben: Deshalb habe ich ja auch das Konfuzius-Zitat gebracht. In gewisser Weise sage ich schon dasselbe, aber eben nur zum Teil. Ich finde "der Weg ist das Ziel" jedenfalls irgendwie ominös, dagegen "macht mir halt einfach Spaß, deshalb mache ich es immer wieder und weiter" nicht.

carstenm
24-02-2017, 13:07
Nur kurz weil:
Ich muß mich auf den Weg machen. :cool:

Aber - zum einen gibt es eben ein konkretes Ziel, und letzten Endes geht es eben genau darum, dieses auch zu erreichen.Hm, mal abgesehen davon, daß es m.W. nicht so etwas wie eine "Theologie des Pilgerns" gibt (oder?), ist doch bei der Wallfahrt der Bußakt zu unterscheiden von der Anbetung der Reliquie. Letzteres ist natürlich nur am Ziel des Weges möglich.
Aber die Bußleistung wird eben auch schon durch das Abgehen bestimmter Wegstrecken vollzogen. Also eben tatsächlich durch das Gehen des Weges für sich genommen, das dadurch ganz ausdrücklich zum Ziel der Aktion wird. Daß Phänomen, daß nur Abschnitte begangen werden, ist meines Wissens kein neuzeitliches. Wiewohl es die Vorlage dafür geliefert hat.

Was die Diskussion um Ziele angeht, behaupte ich doch keine Beliebigkeit. Mir ist tatsächlich nicht klar, wie dieser Gedanke hier auftaucht. Bei Wolken und Bäumen zwar schon.
Aber aikidô ist ein - für mich - klares System: Ich übe, und vor allem unterrichte, ja nicht einfach irgendwie irgendwas.
Was mein daoistisches Üben angeht, gibt's auch da ganz handfeste, technische Aspekte, die man lernen kann.
Und auch für buddhistisches Geistestraining gibt's Regeln, Methoden, Formen.

Und ich sehe es ähnlich:

Vielleicht wäre es in den spirituellen Traditionen und Zielen einfach viel öfters mal sinnvoller, das vermeintliche Ziel zu hinterfragen. Es gibt dazu irgendwo ne Lehrgeschichte von einem daoistischen Übenden, der nach gefühlt 1000 Jahren des Sammelns bei der Vereinigung mit einer Frau ejakuliert. Der Herr ist außer sich: Wütend auf die Frau, die ihm die Früchte seiner spirituellen Arbeit all der Jahre raubt. Und ihn so um das Erreichen seines Zieles betrügt.
Worauf hin ihm die Dame erläutert, der Weg des Sammeln sei ganz gewiß nicht vergeblich gewesen, sondern sei eine Form der Kultivierung schon in sich selbst und das von ihm angestrebte Ziel sei lediglich eine Illusion.

Ich mein mich zu erinnern, daß dieser Lehrtext den Diskurs zweier unterschiedlich ausgerichteter Schulen darstellen soll.

Gast
24-02-2017, 13:28
Sonst könnten die großen Meister ja schließlich irgendwann das Üben einstellen. Aber nein, sie finden immer noch etwas neues.

Deswegen sehe ich da gar keinen Gegensatz.

Oder verstehe ich jetzt etwas völlig falsch?

Grüße

Münsterländer

Ich denke es gibt einen Konsens, dass trotz dem bemühen um bestimmte, konkrete Fertigkeiten auch die weitere Entwicklung und fortwährendes Weiterüben Teil des Weges sind.
Es geht ja bei diesem Konzept "der Weg ist das Ziel" um den spirituellen Aspekt, wenn es um die Anwendbarkeit einer Kampfkunst geht eben um technisches Können, wobei ja dass Eine dann helfen soll, dass Andere besser zu verstehen und zu durchdringen, denn beides bedingt sich gegenseitig.

"Der Priester Sekiso sagte: Du befindest dich oben auf der Spitze einer dreißig Meter langen Stange, wie bewegst du dich jetzt vorwärts?"

Natürlich gar nicht, es geht eben nicht mehr weiter, diese Stange ist nur 30 Meter lang, entweder bleibt man sitzen und beschäftigt sich mit anderen Dingen, oder man klettert wieder runter und fängt woanders wieder an.
Das Ziel, das nur 30 Meter weit weg ist, gibt aber nicht mehr her, man klettert wieder 30 Meter und ist fertig.

Es gibt Geschichten von Zen-Mönchen die nach 30.000 Stunden Meditation alle Koans gelöst haben und dann "fertig" waren, sie hatten einfach keinen Grund mehr zu meditieren oder weiter zu üben.
Wer alle Gegner mit Leichtigkeit besiegen kann, der hat auch alles gelernt und braucht so gesehen nicht mehr üben.
Viele Leute hören irgendwann auf zu üben, aus welchen Gründen auch immer, aber so lange man übt, übt man, und ist einfach da.

Cam67
24-02-2017, 13:49
Zum Üben: Deshalb habe ich ja auch das Konfuzius-Zitat gebracht. In gewisser Weise sage ich schon dasselbe, aber eben nur zum Teil. Ich finde "der Weg ist das Ziel" jedenfalls irgendwie ominös, dagegen "macht mir halt einfach Spaß, deshalb mache ich es immer wieder und weiter" nicht.

bei der Sache mit dem Spaß , vermisse ich die zugehörige Ernsthaftigkeit . oder anders gesagt, die Süße und auch die Bitterkeit einer Erfahrung. Intensität in allen Facetten. erst dann wird es für mich ein wirklicher Weg, der mich verändern kann, zum dem was ich schon bin, aber noch nicht lebe.

das bedeutet nicht , daß ich das bittere Suche . es bedeutet aber , daß ich mich nicht davon abwende , nur weil mein Blick auf das Süße gerichtet ist.

der Weg und Ziel-Satz trifft es irgendwie genauer. für mich ^^

Cam67
24-02-2017, 14:07
@cam

Ich schrieb ja, dass das Pilgern mehr ist, sein kann.
Traditionell ging es beim Pilgern aber (soweit ich es weiß) primär darum, das konkrete Ziel der Pilgerschaft zu erreichen; und damit z.B. ein Gelübde zu erfüllen oder um Abbitte zu leisten.

(Wobei Alternativelosigkeit in der eigenen Heimat und Abenteuerlust sicher auch Beweggründe waren. In welchem Ausmaß die die jeweiligen Ziele bestimmend waren, müsste man mal schauen ob es dazu was in der Literatur gibt.)

.

mhm die Ur-Ur-Ur-Sprünge wären wirklich mal interessant.
wie auch immer. Alternativlosigkeit sollte nicht unbedingt der Motor sein, es sei denn man nutzt es um zu einer" inneren Umorientierung" zu gelangen.

ansonsten ist eine Pilgerreise wirklich zu empfehlen , um einfach mal näher zu sich kommen und v.a. diesem "inneren " "Etwas" das sich so selten deutlich zeigt , zu begegnen.

shinken-shôbu
24-02-2017, 16:03
Nun ja, im Klugscheisser-Modus :D heisst Budô eigentlich "militärischer (kriegerischer) Weg".
Der hätte fast von mir sein können...irgendwie muss man ja Freunde finden. :D



@washi-te:
Das Prinzip einer "Selbstverteidigung" im europäischen Sinne ist in Japan recht neu. Daher halte ich carstens deutliche Kommunikation mit seinen Schülern bzw. Trainingsteilnehmern nur mehr als fair.
Ist dieses Prinzip in Europa soviel älter? Vom Bauchgefühl her würde ich sagen, dass es v.a. mit den "Jiu Jitsu"-Derivaten und deren Auslegung echter und vermeintlicher japanischer Kampfkunst im Westen aufkam. Ich vermute darüber hinaus, dass dies auch aus einem Missverständnis über die Kata und was diese eigentlich alles beinhalten resultierte (mittels Herunterbrechen auf ein einfaches "Trainingspartner attackiert mich mit Angriff X, ich kontere "selbstverteidigend" mit Technik Y."). "Selbstverteidigung" entwickelt als wirklich alleinbestimmendes Thema vieler Kampfkünste, mitunter speziell neuentworfener Stile, würde ich sogar (zumindest auf Deutschland bezogen) erst auf gut das letzte Jahrzehnt des letzten Jahrtausends datieren.

Wie gesagt beruhen meine Aussagen hierzu aber auf meinem Bauchgefühl und meinem sehr begrenzten Wissen über "Selbstverteidigung". Die Frage nach der Entstehung von "Selbstverteidigung" bzw. deren Verbreitungsweg weltweit wäre vielleicht ein interessantes neues Thema (für mich als Koryûfreund aber wiederum nicht interessant genug, um solch ein Thema selbst zu eröffnen).




Über Worte - und in diesem Fall über (ein) Zeichen 武 - kann man trefflich streiten. Die kompetente Diskussion in On Kanji, 「武」, and Memes - AikiWeb Aikido Forums (http://www.aikiweb.com/forums/showthread.php?t=22230) belegt ja eher die umfassende, dialektische Bedeutung von Budo.
Grundproblem ist für mich folgendes (wurde im verlinkten Thread auch angesprochen): man hat ein Kanji mit einer bestimmten Bedeutung und über dessen Bestandteile (etwa Radikale, die mitunter selbst bereits komplette Kanji sein könnten) und deren genaue Beziehung zueinander lässt sich viel spekulieren. Auf diese Weise kann man in die Kanji - obwohl sie ja eigentlich eine einigermaßen fest umrissene Bedeutung haben - mitunter sehr viel hineininterpretieren, was den eigenen Zielen und Idealen entgegenkommt.

Das Aufbröseln von Kanji ist zwar interessant und deren Entstehung und Verwendung im Verlauf der Geschichte manchmal auch nachvollzieh- und belegbar - trotzdem warnte man uns davor, das Aufbröseln aller möglichen Kanji in ihre Bestandteile einfach mal so als Beleg für ihren heranzuziehenden Bedeutungshintergrund anzusehen.

In der verlinkten Diskussion (mit 2013 ja noch relativ jung) vermisse ich übrigens noch die mittlerweile aufgeworfene Frage nach der Bedeutung von Bu als "den Speer senken", worin einige Leute das genaue Gegenteil von "den Speer stoppen" sehen. Sie argumentieren, dass man den Speer in kriegerischer Absicht senkt (und somit auf den Gegner richtet) und viele Gruppentaktiken (weltweit, wie es scheint) beinhalten ja auch genau das (man nehme nur mal den beliebten stehenden Schutzwall aus Speerspitzen gegen eine anreitende Kavallerie oder auch Fußsoldaten).

:D P.S.. zum Thema Antworten, nach denen Niemand gefragt hat:
In der verlinkten Diskussion taucht der Begriff Hoko für Speer auf, womit offenbar chniesische Speere (bzw. auch in Japan verwendete Hoko genannte Speere älterer chinesischer Machart) gemeint sind. Es verläuft bei diesen Speeren keine Angel durch den Schaft wie etwa beim "üblichen" jap. Yari, sondern die Klingenangel ist zu einer Tülle ausgeformt und auf den Schaft aufgesetzt worden, diesen also umschließend.




Mir geht es hier doch gar nicht um eine theoretische Begriffsdiskussion [bezüglich des bu 武]. Sondern mir geht es ganz praktisch um die Frage: Was ist zu üben und auf welche Weise ist zu üben? Wie ist das keiko zu gestalten, wenn man ein budô übt?
Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass gerade Du neben dem Schildern Deines Übens sehr häufig ganz großen Wert auch auf theoretische Hintergründe legst (so sehr sogar, dass ich mich meist bewusst aus diesen Diskussionen heraushalte, weil mir Vieles zu speziell ist, betreibe ja weder irgendein Aikidô noch einen Abkömmling von diesem). In diesen Thread hier hinein hat mich denn auch in erster Linie das ja nicht aikidôspezifische bu 武 gelockt.

Grundsätzlich denke ich, dass wenn ich behaupte, dass ich ein Budô übe, auf diesen Begriff angesprochen, bu 武 bzw. Budô nicht einfach ausklammern kann, nur weil die Praxis bei mir im Vordergrund steht. Dies gilt m.A.n. insbesondere, wenn ich mein Budô in einer Diskussion nach Außen hin bewusst gegen Dinge wie SV und Kampfsport abgrenze.




Ueshiba sensei: aikiôda wa budô desu. Das ist einer seiner Kernsätze. aikidô ist budô. Dahinter kann niemand von uns zurück. Wir können überlegen, wie wir diesen Satz, diese Aussage für uns persönlich verstehen und üben und leben.
Aber ob aikidô ein budô sei oder nicht, diese Frage stellt sich schlicht nicht. Denn die Antwort darauf liegt uns schon immer voraus. Es gehört zum Wesen des aikidô, daß es ein budô ist. aikidô ohne das ist nicht zu haben.
Die Frage kann immer nur sein, was das im Einzelnen für unser Üben bedeutet.
Kürzlich gab es in einem anderen Forum eine Diskussion darüber, ob es einen Ehrenkodex im Dôjô/der Kampfkunst gibt oder nicht. Ein User bejahte dies vehement für sich (ist ja sein gutes Recht, die Dinge für sich selbst auszulegen, wie man sie am liebsten hätte), sah aber nicht ein, dass seine persönliche Vorstellung halt nicht mehr als seine persönliche Vorstellung ist (und sich übrigens auch mit der Realität ein wenig beißt).

Insofern möchte ich behaupten, dass es mitunter wichtig ist, klar zu trennen zwischen den Gedanken des Einzelnen bezüglich seines Übens i.V.m. dem Begriff Budô (wäre für mich auch erst der zweite Schritt) und der nichtindividuellen Bedeutung, die solch ein Begriff in sich trägt (das wäre für mich der erste Schritt, also insgesamt vom essentiellen Groben/Allgmeinen hin zum - und das nur ggf. - Kleinen/Individuellen).





Das Üben eines budô ist dagegen - nach meiner Auffassung und Erfahrung - gerade nicht Szenario-orientiert. Das Üben von kata, ist interessanterweise das gerade nicht.
1. gibt es im Budô nicht ausschließlich kata, das ist eine Traingsmethode, wenn auch eine sehr wichtige, unter anderen.

2. werden auch in SV Systemen Techniken einfach mal geübt, ohne das vorherige Durchexerzieren von Deeskalationsstufen, also im Grunde genommen genau wie im Budô werden die Rollen von Angreifer und Verteidiger festgelegt, und dann wird der Ablauf der Technik eingeübt, auch hier ist das eine Trainingsmethode unter anderen.

Das Nachstellen von Bedrohungssitationen spielt da in unterschiedlichen Systemen wohl auch eine unterschiedlich große Rolle.

3. gibt es auch Kata, die ganz eindeutig Szenario orientiert sind, bzw. ganz konkrete Situationen nachstellen.
Das würde ich so unterschreiben und diese Punkte machen zumindest eine ganz strikte Trennung etwas schwierig, soweit es nicht um die Extreme geht (ähnlich wie bei Kampfkunst/Kampfsport und Bujutsu/Budô).




aikidô ist für mich kein Weg, Kämpfen zu lernen, denn es strebt m.E. von seinem Wesen her nicht danach, zu kämpfen. (Problemanzeige: Es ist also aus meiner Sicht wenn überhaupt, dann nur im historischen Sinne eine Kriegskunst. Wie ist also budô zu verstehen?)
[...] aikidô ist also in erster Linie ein spiritueller Weg. [..] in erster Linie ein System der Persönlichkeitsbildung
Darüber hinaus stellt sich möglicherweise noch die Frage, inwieweit Aikidô überhaupt (noch) als Budô aufgefasst werden kann, wenn es so ganz anders ist als die vielen anderen Ausprägungen des Budô.

shinken-shôbu
24-02-2017, 18:04
Ein Weg ist aber nur ein guter Weg, wenn man darauf auch mal irgendwo ankommt. So kann es durchaus Ziele innerhalb des Übungsweges geben.
Ich möchte nicht über gut oder schlecht urteilen aber ja, ein Weg wird i.d.R. gegangen oder wurde gebaut, um über diesen dann auch mal Irgendwohin hinzugelangen und nicht allein um seiner selbst willen (das Ziel ist oft genug ja bekannt, Wege enden ja nicht immer bloß im Gestrüpp, sondern wurden oft zu einem konkreten Ziel hin angelegt).



Ich freue mich über deinen Verschreiber, weil ich tatsächlich der Auffassng bin, daß es im Leben nirgendwo ein Ankommen gibt, außer bei sich selber.
Klar kann man sich bestimmte technische Dinge vornehmen. Oder eine Graduierung. Oder was auch immer sich jemand definieren mag als Ziel. Aber doch nur um dann festzustellen, daß damit nichts, aber auch gar nichts erreicht ist. Nur das Wissen darum, daß der Weg immer wieder neu beginnt und eben nirgendwo endet ...(Hervorhebung im Zitat von mir)

Das sehe ich ehrlich gesagt völlig anders. Ich opfere nicht viel Zeit, Geld, Schweiß usw., nur um "gar nichts" zu erreichen. Gut, selbst wenn ich der Welt größter Kämpfer (Philosoph, Mathematiker etc. und Pipapo) werden wollen würde und dieses Ziel sogar irgendwann erreicht hätte, so könnte ich mich dennoch stetig weiterüben und verbessern. Will ich Millionär werden und habe irgendwann 10 Millionen auf dem Konto, so habe ich das Ziel "Millionär werden" mehr als erreicht - auch wenn ich irgendwann vielleicht 20 Millionen auf dem Konto haben könnte. Insofern bin ich gedanklich näher an Inryoku, der ja durchaus erreichbare Ziele auf dem Weg sieht (und am Ende dieses Weges, am Ziel ließe sich, wie bei echten Wegen auch, natürlich problemlos der Weg wieder weiter ausbauen). Bezogen auf (mindestens) Koryû würde ich sagen, dass das Ziel nachweisbar irgendwann auch mal erreicht wird (spätestens mit Übereignung der schriftlichen Belege über die komplette Meisterung eines Stils) und man dennoch die Dinge weiterhin tagtäglich weiter verfeinern kann. Je nach eigenem Standpunkt ist der Widerspruch "Ziel erreichbar/Ziel nie erreichbar" u.U. niemals zur Gänze aufzulösen aber doch immerhin zufriedenstellend zu erklären.





Ja, das ist auch sehr bekannt, aus Buddhismus, Daoismus und jüdisch-christlicher Tradition ... Eine Kernaussage spirituellen Lebens gewissermaßen.
Nein, das Zitat "der Weg ist das Ziel" stammt von Konfuzius ("Zhi yu Dao" aus Lunyu 7.6. Kapitel Shu Er "Die Lehren des Konfuzius"), und ist falsch übersetzt.
Es bedeutet: "Richte Deinen Willen (oder dein Streben) auf das Dao."
Es gab wohl hier schon öfter Diskussionen dazu.
Diesen Spruch einfach allen anderen spirituellen Traditionen überzustülpen, finde ich sinnfrei, es wird so einfach eine leere Phrase.

Der Weg ist auch nicht irgendein Weg, sondern bei Konfuzius ganz klar benannt, und auch eigentlich, wohin er führt.
Ich hatte es ähnlich gerade erst mal wieder mit dem aus dem Zusammenhang gerissenen vielgeliebten "Auge um Auge".:D

Ich habe nach nachgesehen bei Richard Wilhelm (1914, soll wohl eine vernünftige Übersetzung sein, kenne mich da aber nicht aus):

6. Vierfacher Weg der Bildung
Der Meister sprach:"Sich das Ziel setzen im Pfad, sich klammern an die guten Naturanlagen, sich stützen auf die Sittlichkeit,, sich vertraut machen mit der Kunst."
Desweiteren spricht man (ob Wilhelm oder Konfuzius, erschließt sich mir nicht ganz klar) dann von einem zu steckenden Lebensziel, das als Triebfeder unseren Willen beeinflusst. So wie ich ihn nachfolgend verstehe, ist das gesteckte Ziel aber eben nur durch den von Konfuzius angesprochenen vierfachen Weg und dem stetigen Hinterfragen, ob man diesem auch wirklich "richtig" folgt, zu erreichen.



Hier allerdings ging es mir nicht darum, Konfuzius zu zitieren, sondern deutlich zu machen, daß es nach meiner Erfahrung und Auffassung beim Üben von aikidô ausschließlich um das Üben von aikidô geht. Es gibt nach meiner Ansicht kein anderes Ziel als das Üben um des Übens willen.
Aber auch das hatten wir ja schon und ich habe hier allerlei Kritik für diese Haltung bekommen ...
Ich werde mich hüten, Dir in Dein Training reinreden zu wollen oder vorzuschreiben, was DEINE Beweggründe zum Üben zu sein haben. Auch wenn es Dir nicht um das Zitieren von Konfuzius ging, so hast Du ihn aber doch die eigene Position unterstützend versehentlich zitiert und dessen Gedanken zum Weg möglicherweise ins Gegenteil dessen verdreht, was er eigentlich meinte, nämlich das es sehr wohl ein ganz konkretes (Lebens)ziel gibt, dass man jedoch nur über den rechten Pfad erlangen kann. Auch bei ihm scheint der angesprochene Weg also nicht nur um seiner selbst willen, sondern vielmehr des Zieles wegen beschritten zu werden.





Schließlich bricht einer der Beiden die ewige Stille und lacht aus vollem Halse. In einer Prustepause zeigt er auf einen der Bäume im Park und gnikkert: "Sie nennen es Baum!" Worauf auch der andere Lehrer in schallendes Lachen ausbricht ...
Ja, solche Momente gibt es.
Manche haben sowas wenn sie bestimmte Substanzen eingenommen haben...
:D:D:D Made my day.

An solchen abstrakt-weltanschaulichen Debatten kann ich mich leider nicht beteiligen, da ich nicht in der Materie stecke und wenn ich mir überlege, wieviele Seiten man allein mit den voneinander abweichenden Ansichten verschiedener jap. philosophischer/religiöser Strömungen zur "rechten Gesinnung" u.ä. füllen kann, bekomme ich schon leichte Kopfschmerzen.



Vielleicht hilft es einem ja zu mehr Gelassenheit, aber ein Baum ist doch schon ein Baum...
So ist es in der Kampfkunst auch, es gibt die schönen Konzepte, aber wenn man in eine Situation kommt in der es eben darauf ankommt diese kontrollieren zu können, dann kann man es entweder, oder man kann es nicht.
"Der Weg ist das Ziel" hilft dir da nicht, außer es ist eh alles egal.
"Ein Baum ist halt ein Baum" ist eine Aussage, der auch ein einfaches Gemüt wie ich zu folgen imstande ist. Das, was darüber hinaus noch kommt ist bis zu einem gewissen Maß vielleicht interessant aber für mich Ungläubigen und Praktiker in erster Linie schmückendes Beiwerk, nicht aber zentrales Thema.



Meine Aussagen stammen aus anderen Traditionen. U.a. auch aus christlichen Aussagen. Der Weggedanke ist ein sehr populärer. Ein Bild dafür ist das Pilgern, das ja eine Renaissance erlebt hat. Und dabei geht es gerade ganz ausdrücklich nicht um das Ziel, nicht um das Ankommen.

Genauso war das Leben möglichst im gegenwärtigen Moment ein tragendes Element meiner Zen-Praxis.
Die Frage ist, ob es wirklich "DER" eine Weggedanke ist den Du siehst oder ob Du unzulässigerweise Dinge miteinader vermengst, die man vielleicht nicht unreflektiert mischen sollte. Christliche Pilgerreise (gibt doch einen ZIELort) und jap. Budô würde ich selbst nun nicht zwingend zueinander in Beziehung setzen. Bezüglich des Zen ist es wirklich so, dass das Endziel ist, "einfach nur rumzusitzen" (man verzeihe mir die Plakativität, ist nicht böse gemeint, bin halt selbst nur recht wenig "geistig" veranlagt)?

Wie bei Konfuzius möchte ich gar nicht abstreiten, dass auch bei der Pilgerreise, dem Zen und dem Budô das "bewusste Leben und Tun im Augenblick" durchaus zum "richtigen" Beschreiten des entsprechenden Weges gehört und hierauf erzielte Teilerfolge auch Motivation für weiteres Voranschreiten bergen (vgl. Julians passendes Zitat aus Lunyü, I.1 "Etwas lernen und sich immer wieder darin üben - schafft das nicht auch Befriedigung?"), stelle aber Infrage, dass es immer nur um einen ziellosen Weg als solchen geht.




nur so als Idee.
geht es beim Pilgern nicht auch in erster Linie um die Veränderung, die in einem Stattfindet , auf diesem Weg.
es ist der gegangene Weg mit seinen Begegnungen (innen , wie außen), die dich umkrempeln, dich dir nähern, dich verändern und eben nicht erst das Ziel.
um dadurch, als vll. höheres "Ziel" ^^ , dazu zu kommen, jeden Weg im Leben als eine Art Pilgerfahrt zu bestreiten.

so das auch hier ein Fokus auf das Ziel , eher hinderlich wäre.
Ah, ein guter Hinweis, wie ich finde. Es gibt zwar ein konkretes Ziel aber man verkrampft sich sinnvollerweise nicht völlig auf das Erreichen dieses Ziels (okay, kurz vorm Ziel ist es dann vielleicht wieder etwas anderes). Der Weg wiederum soll Dich bestimmte Phasen durchlaufen lassen, die Dich dem eigentlichen Ziel nicht nur örtlich näherbringen (zumal das Ziel ja kein rein örtliches ist).




Zum Üben: Deshalb habe ich ja auch das Konfuzius-Zitat gebracht. In gewisser Weise sage ich schon dasselbe, aber eben nur zum Teil. Ich finde "der Weg ist das Ziel" jedenfalls irgendwie ominös, dagegen "macht mir halt einfach Spaß, deshalb mache ich es immer wieder und weiter" nicht.
bei der Sache mit dem Spaß , vermisse ich die zugehörige Ernsthaftigkeit . oder anders gesagt, die Süße und auch die Bitterkeit einer Erfahrung. Intensität in allen Facetten. erst dann wird es für mich ein wirklicher Weg, der mich verändern kann, zum dem was ich schon bin, aber noch nicht lebe.

das bedeutet nicht , daß ich das bittere Suche . es bedeutet aber , daß ich mich nicht davon abwende , nur weil mein Blick auf das Süße gerichtet ist.
Ja, das Konfuzius-Zitat ist vielleicht etwas umfassender/unmissverständlicher, da Lernen immer wieder auch mit einem Aufwand verbunden ist (vielleicht auch Frust und zigfachen "nervenden" Wiederholungen) und somit positiv und negativ beinhaltet, wohingegen "Spaß" von verschiedenen Leuten fälschlicherweise bloß als das, was üblicherweise Neudeutsch auch als "Fun" bezeichnet wird, aufgefasst werden könnte.

Gast
24-02-2017, 18:31
Das Aufbröseln von Kanji ist zwar interessant und deren Entstehung und Verwendung im Verlauf der Geschichte manchmal auch nachvollzieh- und belegbar - trotzdem warnte man uns davor, das Aufbröseln aller möglichen Kanji in ihre Bestandteile einfach mal so als Beleg für ihren heranzuziehenden Bedeutungshintergrund anzusehen.

In der verlinkten Diskussion (mit 2013 ja noch relativ jung) vermisse ich übrigens noch die mittlerweile aufgeworfene Frage nach der Bedeutung von Bu als "den Speer senken", worin einige Leute das genaue Gegenteil von "den Speer stoppen" sehen. Sie argumentieren, dass man den Speer in kriegerischer Absicht senkt (und somit auf den Gegner richtet) und viele Gruppentaktiken (weltweit, wie es scheint) beinhalten ja auch genau das (man nehme nur mal den beliebten stehenden Schutzwall aus Speerspitzen gegen eine anreitende Kavallerie oder auch Fußsoldaten).

Die etymologische Herkunft von 武 als "den Speer stoppen" ist höchst zweifelhaft, wenn nicht widerlegt, das schreibt ja auch Goldsbury. Trotzdem hat es in Japan offenbar (auch) ein friedliche (Neben-)Bedeutung bekommen, auf die sich Ueshiba berufen hatte:


Ellis Amdur: Anyway, Ueshiba and myself as well were, if incorrect in actual etymology, voicing a cultural shibboleth held in common by most.
Peter Goldsbury: Yes. I have had many such discussions with Japanese colleagues and without exception they stressed the eminently peaceful nature of 武, even if they did not always voice the common belief about the relationship between the radicals that make up the character. One of the clearest expressions I have read about the peaceful nature of 武 is the section entitled 「武の精神」, Bu no seishin, in the wartime Kokutai no Hongi tract (p. 52 in the text I have). It contains the same noble aspirations about the peaceful nature of warfare and the ethical obligations incumbent on the warrior as Morihei Ueshiba states in the text I quoted.

Peter Goldsbury ist übrigens ein (mittlerweile emeritierter) Philosophie-Professor an der Universität von Hiroshima, er sollte sich also auskennen.

Deswegen halte ich die Übersetzung und Bedeutung von Budô als "militärischer (kriegerischer) Weg" als zu einseitig, genauso wie das Gegenteil, daraus die grundlegend friedliche oder gar pazifistische Interpretation von Budo abzuleiten.

Ich behaupte jedenfalls von mir nicht, dass ich ein Budo ausübe, was ja Ausgangspunkt dieses Threads ab Post #15 ist.

Gast
24-02-2017, 18:31
Was ist das Ziel des Baumes,
wenn er wächst?


ein größerer Baum zu werden
Das hat offenbar ganz konkrete Auswirkungen, z.B. dass er in der Gesellschaft von anderen Bäumen noch an Sonnenlicht gelangt, das er zum Überleben braucht.




Was ist das Ziel der Wolken,
wenn sie ziehen?


Die folgen einem Luftdruckgradienten.



Zwischen Erde und Himmel,
der Mensch.


Der Mensch (Aikidoka) ist ein willenloser Spielball der Elemente, wie die Wolken?

Gast
24-02-2017, 18:46
@Carsten
Hmm, denke schon dass es eine Theologie des Pilgerns gibt, bzw. dieses eingebettet ist in die Theologie. So gibt es ja auch die Rede von der Kirche als dem pilgernden Gottesvolk.
Wenn die Bußleistung aber im Abgehen bestimmter Wegstrecken besteht, ist das Gehen eben gerade nicht das Ziel bzw. der Zweck, sondern doch nur das Mittel?

@Cam
Treffender als Spaß ist wohl Freude, richtig. Aber bei aller Bitternis auf dem Weg ist für mich letztlich doch wichtig, dass der Weg langfristig Bitternis mindern soll... (Also der spirituelle Weg...) Was nicht heißt, dass alles mühelos oder ohne Anstrengung geschieht.
Vielleicht liegen wir nicht so weit auseinander in unseren Auffassungen...
(Ich habe bisher zwei "klassische" Pilgerreisen unternommen - kann das durchaus auch empfehlen.)

Gast
24-02-2017, 19:15
Eigentlich übt man es einfach, weil es halt Aikido ist.
Sehe und übe ich auch so.

Nur, dass man bei uns halt keine Atemi zu Kehlkopf oder Augen übt, auch keine symbolischen oder in Leichtkontakt.


Muss es dafür einen Grund geben?
Die allermeisten Aikidoka werden wohl einen Grund gehabt haben, mit Aikido anzufangen. Den Grund für meinen Wiederanfang habe ich ja schon oft genug genannt. Um das Üben fortzusetzen, braucht es keinen anderen Grund als die Freude am Üben selber.


Es fragt sich auch niemand, was das Ziel beim Üben von Nikyo ist, und es sagt auch keiner, dass Nikyo ethisch ok ist, solange niemand dabei verletzt wird (und das ist durchaus möglich)
Aikidô üben beinhaltet das alles, es ist einfach normal, es zu üben.
Manchmal üben wir Nikyo mit der Vorgabe, es so zu dosieren, dass Uke gerade so nicht abklopfen muss. Dadurch entstehen Möglichkeiten, die über ein Kampf-Training hinausgehen. Uke kann die Gelegenheit nutzen, Nikyo als Gymnastik zu erleben und Nage bekommt ein Gefühl für die Schmerzgrenze des Partners - mit für mich manchmal überraschenden Erfahrungen: bei Partnern, die 1 Kopf größer und doppelt so schwer sind, muss ich sensibler agieren, als bei 50-kg Mädels, denen meine Bemühungen anscheinend überhaupt nichts ausmachen.

Gast
24-02-2017, 20:16
Nach deinen Erläuterungen zu dem Stellenwert von atemi in eurem aikidô und jetzt dieser Aussage zu ukemi und zu dem Aspekt, den du "athletisch" nennst,

Und vielleiht reden wir ja so betrachtet hier die ganze Zeit aneinander vorbei ...
Vielleicht hätte ich besser "athletisches Niveau" schreiben sollen. Wenn ich solche Aikido-Videos anschaue, frage ich mich, ob ich das gezeigte jetzt oder in absehbarer Zukunft nachmachen könnte, oder wie es sich anfühlen würde, Uke des Senseis im Video zu sein. Bei Shirakawa habe ich den Eindruck, das wäre etwas, dem ich nacheifern kann, bei Stephane Goffin und auch bei Christian Tissier denke ich, das ist ein für mich prinzipiell unerreichbares Niveau.
Natürlich kann der Eindruck aus Video schauen täuschen.

Das hat aber mit dem Thema Atemi nichts zu tun.

carstenm
24-02-2017, 21:24
Auch wenn es Dir nicht um das Zitieren von Konfuzius ging, so hast Du ihn aber doch die eigene Position unterstützend versehentlich zitiert und dessen Gedanken zum Weg möglicherweise ins Gegenteil dessen verdreht, was er eigentlich meinte, nämlich das es sehr wohl ein ganz konkretes (Lebens)ziel gibt, dass man jedoch nur über den rechten Pfad erlangen kann. Ich habe weder Konfuzius versehentlich zitiert, noch seinen Gedanken in das Gegenteil verdreht.

Meine Aussage hat einen eigenständigen Hintergrund. Das Wegkonzept, das dem zugrunde liegt, stammt nicht aus dem Konfuzianismus, sondern vereint daoistische und buddhistische Aspekte.
Der Begriff des Zieles hatte in meiner Aussage einen konkreten Rückbezug zum Kontext der Diskussion, in der es um die Zielorientiertheit von SV ging.

Beides ist verlorengegangen durch dir mißverstandene Einführung der konfuzianischen Aussage.

Gast
24-02-2017, 22:09
Die Praxis (zumindest in unserem) Nishio Aikido Dojo sieht in etwa so aus wie in den Nishio Videos.
Danke für die Erläuterungen.


Der Grund ist, dass wir Aikido als Kampfkunst betrachten, die im Notfall tatsächlich auch zur Selbstverteidigung geeignet sein soll.
Diesen Anspruch haben auch Carstenm und Inryoku deutlich geäußert mit Zitaten von Morihei Ueshiba und Hiroshi Tada.


Ich kannte im DAB Aikido als die "Kunst sich zu verteidigen möglichst ohne den Angreifer zu verletzen", daher auch die Ablehnung von Atemi im DAB.
Ich achte immer noch die Haltung von jedem der das so sieht, aber ob das in der Realität so funktioniert fand ich immer fraglich...
Meine eigene Einstellung ist etwas anders motiviert. Ich möchte in meiner Freizeit nicht ohne Not in einer Haltung üben, die darauf ausgerichtet ist, einen Gegner zu verletzen oder gar zu töten, weil ich glaube, dass solch ein regelmäßiges Üben auch Rückwirkungen auf den Alltag hat.

Yoshigasaki hat das so formuliert: "Wenn Sie danach trachten, nicht aggressiv zu sein, keinen Widerstand zu leisten und als Nage Harmonie zu schaffen, wird sich Ihr gesamter Körper und Ihr gesamter Geist in dieser Richtung entwickeln. Natürlicherweise verhalten Sie sich dann auch im Alltag so..."

Gerhard Walter hatte mal in einem Flyer geschrieben: "Effektivität erwächst nicht aus der Technik einer Verteidigungskunst, sondern aus dem Eins-Sein mit seinem Tun." Das Gefühl des Eins-Sein mit oder Aufgehen im Üben stellt sich bei mir bei den fließenden Bewegungen der Wurf- und Halte-Techniken im Aikido (und zwar als Nage und Uke) ein, aber sicher nicht beim Üben von Atemi, die man ansetzen und wieder stoppen muss, um den Partner nicht zu verletzen.



IIm Training war das im DAB dann zum Beispiel so, dass geübt wurde den Arm bei einem Schlagangriff zu fassen um einen Hebel anzusetzen. Dazu wurde gesagt: "Wir wissen, dass das so nicht funktioniert, weil ein echter Angreifer den Arm sofort zurückzieht, aber das ist eben Grundschule."Wie kann man etwas lehren wollen, von dem man weiß, dass es nicht funktioniert??

Solaris1980
25-02-2017, 06:58
Danke für die Erläuterungen.

Gern geschehen ;)



Meine eigene Einstellung ist etwas anders motiviert. Ich möchte in meiner Freizeit nicht ohne Not in einer Haltung üben, die darauf ausgerichtet ist, einen Gegner zu verletzen oder gar zu töten, weil ich glaube, dass solch ein regelmäßiges Üben auch Rückwirkungen auf den Alltag hat.

Yoshigasaki hat das so formuliert: "Wenn Sie danach trachten, nicht aggressiv zu sein, keinen Widerstand zu leisten und als Nage Harmonie zu schaffen, wird sich Ihr gesamter Körper und Ihr gesamter Geist in dieser Richtung entwickeln. Natürlicherweise verhalten Sie sich dann auch im Alltag so..."

Gerhard Walter hatte mal in einem Flyer geschrieben: "Effektivität erwächst nicht aus der Technik einer Verteidigungskunst, sondern aus dem Eins-Sein mit seinem Tun."


Wie gesagt, ich habe immer noch Hochachtung vor dieser Haltung, und ich bin auch keiner der sagt Ki als "esoterisches Konzept" wäre alles Unfug. Ich denke das geht ja dann auch in die Richtung Ki-Aikido oder Ki-Jutsu.

Ich kenne persönlich sogar jemanden, der Ki-Jutsu gemacht hat und bei einem "Lern- und Heiltreff" bei mir in der Gegend zwei mal Grundübungen in Ki-Jutsu mit mehreren Teilnehmern angeboten hat, welche ich mitgemacht habe und durchaus Wirkungen gespürt habe.
Das Problem an der Sache, die ich sehe ist, dass es immer etwas anderes ist, mit jemandem zu trainieren der einen eigentlich nicht verletzen will, als auf "der Straße" mit einem aggressiven Angreifer konfrontiert zu sein, der einen wirklich verletzen oder im Extremfall gar töten will.

Ich habe den Ki-Jutsuka dann mal gefragt, ob es bei denen Erfahrungen mit realen Selbstverteidigungssituationen gab. Er sagte nein, denn "wenn man im Ki ist, kommt man gar nicht mehr in eine solche Situation".

Ich denke, in die Richtung gehen auch die Zitate, die du genannt hast. Es ist eben ein anderer, eher spiritueller Weg des Aikido. Und wie Carstenm auch schon geschrieben hat, ich denke es hat keinen Sinn, den Ansatz von Nishio z.B. damit vergleichen zu wollen.

Und du hattest ja glaube ich auch schon geschrieben, dass der SV-Aspekt beim Aikido für dich keine große Rolle spielt.

Ich persönlich musste mich zum Glück noch nie real verteidigen. Hat auch einfach damit zu tun, dass ich mittlerweile auch nicht mehr so ganz der jüngste bin und abends froh bin, wenn ich zuhause meine Ruhe auf dem Sofa habe, anstatt noch "Party zu machen"... :D

Prinzipiell bin ich übrigens, obwohl ich kein Buddhist bin, auch so orientiert, dass ich keinem Wesen ohne Not Schaden zufügen will. Aber wenn mich jemand angreift oder gar töten will, dann ist das eine "Notsituation".

Dementsprechend ist mir eine überwiegend vegetarische Ernährung z.B. wichtiger als dass ich ein Problem darin sehe, eine Kampfkunst wie Nishio Aikido zu trainieren, die zur Verteidigung auch Atemi einsetzt.


Wie kann man etwas lehren wollen, von dem man weiß, dass es nicht funktioniert??

Das müsstest du eigentlich einen DAB Lehrer fragen ;)
Ich denke, die würden so argumentieren, dass es in dem Moment eben nicht um effektive Selbstverteidigung geht, sondern darum, die Technik zu lernen.

Es geht ja primär um den Eingang, der sich im Nishio Aikido z.B. erheblich vom DAB Aikido unterscheidet. Und wer Atemi kategorisch ablehnt muss halt schauen, wie er auf einen Tsuki Angriff reagiert.
Wie macht ihr das im Training?

P.S.: Beim DAB sehe ich speziell das Problem, dass die gleichzeitig Atemi ablehnen, aus dem Anspruch, einen Angreifer möglichst nicht zu verletzen, aber gleichzeitig auch nicht das Ki als "esoterisches" Konzept sehen. So wird versucht den Weg des eher spirituellen Aikido nur mit physischen Techniken zu gehen. Und das kann m.E. nicht funktionieren.

Meine Meinung ist: Entweder man folgt einem eher "härteren" Weg wie Nishio Aikido oder anderen Stilen die noch näher am Daito Ryu Aikijutsu sind, oder man folgt dem spirituellen Weg.

Cam67
25-02-2017, 13:42
@Cam
Treffender als Spaß ist wohl Freude, richtig. .........
Vielleicht liegen wir nicht so weit auseinander in unseren Auffassungen...
(Ich habe bisher zwei "klassische" Pilgerreisen unternommen - kann das durchaus auch empfehlen.)

ich denke auch wir liegen da ganz nah. es sind halt nur die Worte , die "scheinbar" streiten.

"Freude" drückt es schön aus , genauer gesagt die "Stille Freude" (im Gegensatz zu der überschwenglichen, welche ja auch nach TCM eher Herz-schädigend ist , um mal asiatisch zu bleiben :D )

trotzdem bin ich der Meinung , daß sie eher das Ergebnis des/eines Weges ist und nicht das Ziel. (hintenraus egal , wie man es sieht, solange die Veränderung stattfindet ^^)

PS: das mit deinen Pilgerreisen interessiert mich. darf ich dich in die FL nehmen und wenn mal Zeit ist Fragen dazu stellen ?

Cam67
25-02-2017, 13:47
Ja, das Konfuzius-Zitat ist vielleicht etwas umfassender/unmissverständlicher, da Lernen immer wieder auch mit einem Aufwand verbunden ist (vielleicht auch Frust und zigfachen "nervenden" Wiederholungen) und somit positiv und negativ beinhaltet, wohingegen "Spaß" von verschiedenen Leuten fälschlicherweise bloß als das, was üblicherweise Neudeutsch auch als "Fun" bezeichnet wird, aufgefasst werden könnte.

wir könnten uns ja alle in der Mitte treffen und beschreiben es mit "Freude an der Veränderung" ;) hehe

Gast
25-02-2017, 17:37
PS: das mit deinen Pilgerreisen interessiert mich. darf ich dich in die FL nehmen und wenn mal Zeit ist Fragen dazu stellen ?

Ich weiß zwar nicht, was "in die FL nehmen" bedeutet, aber bestimmt:)

Gast
25-02-2017, 23:30
.


Manchmal üben wir Nikyo mit der Vorgabe, es so zu dosieren, dass Uke gerade so nicht abklopfen muss. Dadurch entstehen Möglichkeiten, die über ein Kampf-Training hinausgehen.

Niemand sagt doch, dass Aikido zu üben ausschließlich Kampf-Training sei?

shinken-shôbu
27-02-2017, 01:58
Die etymologische Herkunft von 武 als "den Speer stoppen" ist höchst zweifelhaft, wenn nicht widerlegt, das schreibt ja auch Goldsbury. Trotzdem hat es in Japan offenbar (auch) ein friedliche (Neben-)Bedeutung bekommen, auf die sich Ueshiba berufen hatte:
Mit der Übersetzung "den Speer (zum Angriff/Kampfe) senken" für bu 武 beißt sich das mit der friedlichen Komponente des bu 武 dann aber wieder ganz schön, wie ich finde. Gut, soll jetzt mal keine Rolle spielen, hielt es halt nur - wenn wir schon mit den Kanji spielen - für sinnvoll der von Einigen unterstellten friedvollen Natur des bu 武 zusätzlich die andere (zumindest m.A.n. auch sinnigere) existente Sicht einiger Japanologen an die Seite zu stellen.




Ellis Amdur: Anyway, Ueshiba and myself as well were, if incorrect in actual etymology, voicing a cultural shibboleth held in common by most.
Peter Goldsbury: Yes. I have had many such discussions with Japanese colleagues and without exception they stressed the eminently peaceful nature of 武, even if they did not always voice the common belief about the relationship between the radicals that make up the character. One of the clearest expressions I have read about the peaceful nature of 武 is the section entitled 「武の精神」, Bu no seishin, in the wartime Kokutai no Hongi tract (p. 52 in the text I have). It contains the same noble aspirations about the peaceful nature of warfare and the ethical obligations incumbent on the warrior as Morihei Ueshiba states in the text I quoted.
Das Kokutai no hongi wurde erst ab 1937 vom Japanischen Bildungsministerium herausgegeben (das Werk wird u.a. auch in Richard H. Mitchells "Thought Control in Prewar Japan" erwähnt). Ziel war die Gleichschaltung des Volkes und das zu berücksichtigende Bezugssystem für Werte wie Frieden und Harmonie ist hier in erster Linie wohl nicht die Welt als Gesamtes, in der es Japan zu verorten gilt. Abgezielt wird vielmehr auf die absolut fügsam und willig unter dem jap. Kaiser vereinigten, dem "Volkskörper" zugehörigen Indidviduen - selbst (Expansions-)Krieg wird als völlig probates Mittel angesehen, diese Harmonie INNERHALB DER JAP. GESELLSCHAFT zu erreichen.

Wie bei Nitobe (beziehe das bewusst nur auf den folgenden Punkt) wird nun das, was man zunächst den Bushi an edlen Werten und angeblichen Charaktereigenschaften zuschrieb, wieder mal eben der Gesamtheit des jap. Volkes angedichtet (wobei nun notgedrungen wider besseren Wissens die göttliche Abstammung des Tennô betont wird).



Ich behaupte jedenfalls von mir nicht, dass ich ein Budo ausübe, was ja Ausgangspunkt dieses Threads ab Post #15 ist.
Ist Aikidô Budô, übt ein JEDER Aikidôka Budô, ist es das nicht, dann tut er das nicht. Teils oder vollständig davon abweichende Aussagen spiegeln m.A.n. zwar die individuelle Motivation wider, verändern das Ganze als solches aber nicht. Eine denkbare Ausnahme von der Regel wäre das Gründen eines neuen Aikidôstils, dass der Gründer eindeutig als Budô oder Nichtbudô definiert (wobei diese Aussage zum Stil und der Stil selbst sich sinnvollerweise nicht allzu sehr widersprechen sollten).




Um das Üben fortzusetzen, braucht es keinen anderen Grund als die Freude am Üben selberSolche individuellen Präferenzen sind ja auch völlig okay. Warum sollte etwa ein Pazifist keine Gewehre sammeln dürfen, obwohl er nur an deren Mechanik interessiert ist und nicht am Schießen selbst?




Ich habe weder Konfuzius versehentlich zitiert, noch seinen Gedanken in das Gegenteil verdreht.

Meine Aussage hat einen eigenständigen Hintergrund. Das Wegkonzept, das dem zugrunde liegt, stammt nicht aus dem Konfuzianismus, sondern vereint daoistische und buddhistische Aspekte.
Der Begriff des Zieles hatte in meiner Aussage einen konkreten Rückbezug zum Kontext der Diskussion, in der es um die Zielorientiertheit von SV ging.

Beides ist verlorengegangen durch dir mißverstandene Einführung der konfuzianischen Aussage.Gut, dann war das ein Missverständnis. Ich persönlich denke trotzdem, dass die Wege z.B. auch im Buddhismus durchaus auf ein Ziel zulaufen und nicht reiner Selbstzweck sind. Abseits des Budô spielt es aber für mich aber eigentlich sowieso keine Rolle, wie es sich am Ende wirklich verhält mit den vielen Wegen und Zielen.




trotzdem bin ich der Meinung , daß sie ["Stille Freude" beim Beschreiten eines "Weges"] eher das Ergebnis des/eines Weges ist und nicht das Ziel. (hintenraus egal , wie man es sieht, solange die Veränderung stattfindet ^^)
Ja, denke ich auch und so ganz ohne jede Freude würden doch noch mehr Leute vom Beschreiten eines "Weges" ablassen, als es sowieso schon sind.

Gast
28-02-2017, 10:10
Effektivität erwächst nicht aus der Technik einer Verteidigungskunst, sondern aus dem Eins-Sein mit seinem Tun

Wobei hier eher Bezug genommen wird auf die Natürlichkeit der Bewegung allgemein, und einem Zustand den Gerd als "flow" bezeichnet.

Eins sein mit dem Tun kann man beim Geschirrspülen, Rasenmähen oder halt beim Kämpfen, es bedeutet nicht dass moralische oder ethische Überlegungen eine Rolle spielen.
Auch Atemi sind dann effektiv wenn man "eins mit dem tun ist", dass bedeutet aber dass man sehr gut geübt hat, denn um Effektivität in einer Bewegung zu erreichen, muss man natürlich einen Zustand erreicht haben in dem man sich auf natürliche Weise und unverkrampft bewegen kann, was aber zu einem erheblich Anteil einfach auf dem Üben und der Wiederholung beruht.
Ohne effektive Techniken zu beherrschen, gibt es auch keine Effkitivität.
Eins sein mit dem Tun erwächst andererseits daraus dass man sich nicht mental im Weg steht, dass bedeutet eben aber auch dass man dieses Tun nicht moralisch bewertet.
Die von Gerd so gerne zitierten Samurai mussten auch beim Töten ihrer Gegner mit ihrem Tun eins sein, sonst hätten sie es nicht effektiv erledigen können. Wenn man denkt dass diese Leute alle nur verroht waren und keine Ethik besaßen, liegt man, denke ich falsch.
Ich denke auch, dass das nochmal eine ganz andere Art der Auseinandersetzung mit diesem Thema ist, ob man wie diese Leute nun wirklich in Kampfhandlungen reingeht und Leute umbringt und wie man es schafft danach normal weiter zu leben, oder ob man sich darüber unterhält ob man in einer sicheren und geschützten Dojo-Umgebung Kampftechniken übt, die in einer Notwehrsituation eventuell dass Potential entfalten könnten jemandem die Nase oder eine Rippe zu brechen (was ja dazu beitragen könnte sein eigenes Überleben zu sichern).
Ein anderer Gedanke:
Wir sind heute so weit weg vom Kämpfen wie nie, obwohl es für Jahrtausende eher der Normalzustand war. Eigentlich ist es unglaublich dass man sich überhaupt diesen Luxus erlauben kann darüber nachzudenken, ob man es wohl üben oder können möchte oder nicht, dieses Privileg haben nicht alle Menschen. Man muss sich allerdings klar machen wie labil dieser Zustand eigentlich ist.

Gast
28-02-2017, 20:25
Wobei hier eher Bezug genommen wird auf die Natürlichkeit der Bewegung allgemein, und einem Zustand den Gerd als "flow" bezeichnet.
Ich weiß nicht, was Gerd Walter in diesem Zusammenhang mit "flow" meint.

Ich verbinde jedenfalls mit Flow (https://de.wikipedia.org/wiki/Flow_%28Psychologie%29) das, was Mihály Csíkszentmihályi in seinem gleichnamigen Buch beschrieben hat, also das "als beglückend erlebte Gefühl im restlosen Aufgehen seines Tuns". Das Streben nach und die Erwartung eines Flow-Erlebens motiviert mich zum Aikido Üben (neben den Gründen, warum ich damit wieder angefangen habe). Es ist dann nahe liegend, dass entspannte, weiche, fließende, unverkrampfte, ohne viel muskuläre Anstrengung ausgeführte Bewegungen wie beim Tanzen den Flow begünstigen. Wie in zahllosen Kunstformen, Sportarten und Spielen auch, verlangt das Streben nach Flow mit zunehmender Erfahrung und Können entsprechend zunehmende Anforderungen. Deswegen wäre Ki-Aikido, so wie es Carsten erlebt hat, nichts für mich. Da ich den Gedanken und das Ziel SV bewusst ausblende, spielt Atemi für mich keine Rolle, außer der, die Angriffs- und Verteidigungs-Bewegungen besser verstehen und ausführen zu können.

Im Unterschied zum Tanzen kann und soll der Partner mit zunehmendem Können (im Rahmen des Settings) immer weniger kooperieren, sonst würde das Üben mit der Zeit langweilig werden. Damit entwickelt sich spielerisch ein Art "Aiki" im Sinne einer Definition Ueshibas von 1920: ”Aiki is a means of achieving harmony with another person so that you can make them do what you want”.*

Da vermutlich andere Aikidoka in meinem Dojo ähnlich denken und fühlen, versuche ich mich so zu bewegen, dass meine Partner auch ihre Freude daran haben. Darin sehe ich für mich den Sinn von Hikitsuchis Aussage von Aikido als ein "Budo of offering joy and compassion to others".

Möglicherweise ist die profane Suche nach Spaß, Freude oder Glück im Dojo ein Sakrileg für ernsthafte Budoka, "die etwas üben, das dazu gedacht ist, Menschen schweren, nachhaltigen Schaden zuzufügen und gleichzeitig einen spirituellen Weg, einen Weg zur Persönlichkeitsbildung beschreiten". Deswegen schreibe ich lieber nicht, wo ich übe. :rolleyes:

_____________
*) Zitiert u.a. von Ellis Amdur in: Duelling with O'Sensei, ch. 17 "Aiki: A State of the Union"

Gast
01-03-2017, 00:00
Ich weiß nicht, was Gerd Walter in diesem Zusammenhang mit "flow" meint.


Naja, du hast ihn zitiert.

Vom Ki-Aikido solltest du dir vielleicht ein eigenes Bild machen.

Gast
01-03-2017, 08:32
”Aiki is a means of achieving harmony with another person so that you can make them do what you want”.*


Was diese andere Person vielleicht nicht unbedingt als "Harmonie" empfinden wird...
Darüber was Ueshiba als Harmonie empfunden hat, kann man viel diskutieren (z.B. Atemi waren ein Teil dieser "Harmonie").
Jedenfalls ist "Aiki" nicht dieHarmonie friedliche des friedlichen Miteinander, die man sich gerne darunter vorstellt, das ist "wa".
Aiki is an ancient principle of blending and harmonizing of opposing forces within oneself.
Spielerisch" wird sich diese Form von "Aiki", die Ueshiba hatte, nicht entwickeln, das ist harte Arbeit.


Deswegen schreibe ich lieber nicht, wo ich übe.

Ist ja eigentlich auch egal, du hast deine eigene Sichtweise, die ja nicht unbedingt die deiner Lehrer/Trainer sein muss.
Was andere Leute in deinem Dojo über Atemi oder Budô denken kann ja ganz anders sein.

FireFlea
02-03-2017, 16:29
Eben auf YT entdeckt, passt ja zum Thema (habs mir die Clips ehrlicherweise aber nicht angesehen):

NQ5pnkb2MHo

aTOiaMUFco4

ryoma
02-03-2017, 17:47
...
Möglicherweise ist die profane Suche nach Spaß, Freude oder Glück im Dojo ein Sakrileg für ernsthafte Budoka, "die etwas üben, das dazu gedacht ist, Menschen schweren, nachhaltigen Schaden zuzufügen und gleichzeitig einen spirituellen Weg, einen Weg zur Persönlichkeitsbildung beschreiten". Deswegen schreibe ich lieber nicht, wo ich übe. :rolleyes:

Ich bitte dich... jetzt wirds ein bisschen blöd hier.

Sei doch froh und finde dich damit ab, dass "die profane Suche nach Spaß, Freude oder Glück im Dojo" bei der grossen Mehrheit der Budoka im Vordergrund steht, so wie bei dir.

Die anderen sind eine kleine Minderheit, die den Weltfrieden nicht nachhaltig schädigen können.

Gast
02-03-2017, 17:51
---

carstenm
02-03-2017, 18:30
Anderes Beispiel Mahayana/Tantra: da höre oder lese ich auch oft von einer "der Weg ist das Ziel-Konzeption". Aber auch hier geht das meines Erachtens schwer am eigentlichen Konzept vorbei.

Vielleicht wäre es in den spirituellen Traditionen und Zielen einfach viel öfters mal sinnvoller, das vermeintliche Ziel zu hinterfragen. Vielleicht stellt sich dann nicht selten heraus, dass es da gar kein sinnvolles oder zu erreichendes Ziel gibt...Der Witz besteht doch gerade darin, daß das Erreichen des - wie auch immer präziser zu fassenden Zieles - es gerade erfordert, das Ziel loszulassen ...
... natürlich kann man Ziele definieren ... aber gerade der Versuch, sie zu erreichen, macht es unmöglich sie zu erreichen ...

Ist es nicht genau das, worum es Chögyam Trungpa geht, wenn er von "spirituellem Materialismus" spricht?
Ist es nicht genau das, was im 4. oder 5. Satz des Lojong mit der Auflösung auch des Heilmittels gemeint ist?
Ist es nicht das, was der Leerwerden im Zen meint?

Ich bin ja nun keine buddhist, sondern eher ein "buddhistisch fühlender" Mensch oder sowas. Aber bisher hat jeder buddhistische Lehrer oder Übende, mit dem ich zu tun hatte, das Auflösen der Ziel-Orientierung als wesentlichen Aspekt dargestellt.

Dasselbe gilt auch für die daoistische Übungspraxis. Natürlich kann man Ziele benennen. Und natürlich gibt es so etwas wie eine Übungsfortschritt.
Und doch geht es immer wieder darum, genau diese Ziele und diesen Fortschritt nicht zum Inhalt zu haben.

Da mag vielleicht klingen, wie ein Paradox. Aber lebenspraktisch ist es recht einfach. So erlebe ich es jedenfalls inzwischen. Es funktioniert schlicht nicht, wenn ich übe mit dem Gedanken etwas bestimmtes erreichen zu wollen. Die vermeintlichen Ziele erreichen sich dagegen gewissermaßen von selbst. Sie werden gefunden, nicht gesucht. Mein Bild war immer das von Wachsen und Reifen. Die Früchte fallen ganz von selbst vom Baum.

Ich persönlich kann tatsächlich nicht nachvollziehen, wie man eine solche Tradition üben kann in der Haltung ein Ziel oder Ziele erreichen zu wollen. Und auch aikidô ordne ich dahinein ein.


Davon unberührt ist natürlich die Freude an der Entwicklung und täglichen Praxis. Aber dafür brauche ich dann nicht zu sagen - der Weg ist das Ziel. Das klingt dann zwar toll, aber ist eigentlich nur eine hohle Phrase. Dann kann ich auch einfach sagen: Mir macht das einfach Spaß, ich schaue mal, wo es mich noch hinführt und wie weit ich da noch komme.Mir scheint es kein hilfreiches Kriterium zu sein, ob etwas Spaß macht. Auch Freude scheint mir - jedenfalls nicht für sich allein genommen - als Motivation der Lebensführung eher irreführend.

Stellt man Spaß oder Freude in den Vordergrund, führt das nach meine Erfahrunge allzu leicht gerade dazu, daß Menschen die Aufgaben, die sie weiterführen könnten, vermeiden. Das ist sicher etwas verkürzt gesagt. Aber es ist meine Erahrung, daß es eher lohnend ist, auf die Dinge zuzugehen, die gerade nicht so erfreulich sind. In aller Regel findet Entwicklung dort statt, wo ein Mensch auf seine Angst, seien Trauer, seine Wut ... also auf die widerständigen Aspekte zugeht.

Nach meiner Erfahrung führt eine solche Lebensrichtung eher zu Zufriedenheit, Gelassenheit im Einklang mit dem Leben und Bei-sich-sein.

Platt gesagt: Ich halte es für hilfreicher, "das Richtige" zu tun, als das was Spaß verheißt.

carstenm
02-03-2017, 18:52
Es geht ja bei diesem Konzept "der Weg ist das Ziel" um den spirituellen Aspekt, wenn es um die Anwendbarkeit einer Kampfkunst geht eben um technisches Können, ... Das klingt, als seist du gewissermaßen der Meinung, man könne ikkyo können. Mal abgesehen davon, daß von Ueshiba selbst ja kolportiert wird, daß er noch auf dem Totenbett gesagt habe, sein Üben sei noch nicht fertig.
Es ist doch bei jeder noch so simplen Bewegungsfolge so, daß man sie ein Leben lang üben und immer noch tiefer und tiefer können kann.
Man sagt ja über den Fortschritt im budô, man würde die Technik zuerst den Händen ausführen, dann mit dem Zentrum, ... mit den Füßen, schließlich ... mit dem ganzen Körper ... Das Spannende ist doch, daß man, wenn man - falls man - dort angekommen ist, wieder mit den Händen beginnen kann ... eine neue Umdrehung der Spirale.

Wie kann man damit je fertig sein?


"Der Priester Sekiso sagte: Du befindest dich oben auf der Spitze einer dreißig Meter langen Stange, wie bewegst du dich jetzt vorwärts?"

Natürlich gar nicht, es geht eben nicht mehr weiter, diese Stange ist nur 30 Meter lang, entweder bleibt man sitzen und beschäftigt sich mit anderen Dingen, oder man klettert wieder runter und fängt woanders wieder an.
Das Ziel, das nur 30 Meter weit weg ist, gibt aber nicht mehr her, man klettert wieder 30 Meter und ist fertig.kich bin mir jetzt nicht sicher: Ist dir bewußt, daß es eine klassische Auslegung gibt zu diesem koan?
Denn die sagt ja nun eben gerade genau das Gegenteil, nämlich, daß die Spitze der Stange erst der Anfang des eigentlichen Weges sei. Und der ja gerade nicht darin besteht, herunter zu klettern.


Es gibt Geschichten von Zen-Mönchen die nach 30.000 Stunden Meditation alle Koans gelöst haben und dann "fertig" waren, sie hatten einfach keinen Grund mehr zu meditieren oder weiter zu üben. Jo. Und auch dabei geht es neben jenen, die dann einfach durch waren mit dem Thema auch um jene, für die dann hinter dem Üben im Sitzen das eigentliche Üben erst beginnt ... im Leben eben ...
Nach der Erleuchtung die Wäsche ...


Wer alle Gegner mit Leichtigkeit besiegen kann, der hat auch alles gelernt und braucht so gesehen nicht mehr üben.Ich halte es nicht für ein Kriterium, ob man alle Gegner außerhalb seiner Selbst mit Leichtigkeit oder sonstwie besiegen kann. Das ist nur ein - m.E. vordergründiger - Aspekt.

carstenm
02-03-2017, 19:17
Ich hatte bisher immer den Eindruck, dass gerade Du neben dem Schildern Deines Übens sehr häufig ganz großen Wert auch auf theoretische Hintergründe legst (so sehr sogar, dass ich mich meist bewusst aus diesen Diskussionen heraushalte, weil mir Vieles zu speziell ist, betreibe ja weder irgendein Aikidô noch einen Abkömmling von diesem). In diesen Thread hier hinein hat mich denn auch in erster Linie das ja nicht aikidôspezifische bu 武 gelockt.In dem Gespräch mit Aiki50+ ging es mir um ganz praktische Fragen. Er mochte keine Begriffsdiskussion führen - wenn ich ihn denn richtig verstanden habe. Und mir war - und ist - es wichtig mit ihm im Gespräch über das keiko zu beiben und insofern eben im Gespräch zu sein, was das Üben eines budô in der Praxis auszeichnen mag.


Grundsätzlich denke ich, dass wenn ich behaupte, dass ich ein Budô übe, auf diesen Begriff angesprochen, bu 武 bzw. Budô nicht einfach ausklammern kann, nur weil die Praxis bei mir im Vordergrund steht.Das mag wohl sein, aber wenn einer der Gesprächspartner auf dieser Ebene nicht diskutieren möchte, dann kann man das Gespräch eben nicht auf dieser Ebene führen.
Davon abgesehen halte ich es aber im Kontext dieser Diskussion für hinreichend, sich dessen bewußt zu sein daß bu unterschiedliche, z.T. konträre Bedeutungsgehalte beigemessen werden.
Schließlich: Wenn ich darüber nicht mit Aiki50+ diskutiere, bedeutet das doch nicht, daß nicht darübe diskutiert werden kann?


Insofern möchte ich behaupten, dass es mitunter wichtig ist, klar zu trennen zwischen den Gedanken des Einzelnen bezüglich seines Übens i.V.m. dem Begriff Budô (wäre für mich auch erst der zweite Schritt) und der nichtindividuellen Bedeutung, die solch ein Begriff in sich trägt (das wäre für mich der erste Schritt, also insgesamt vom essentiellen Groben/Allgmeinen hin zum - und das nur ggf. - Kleinen/Individuellen).Ich halte diese Unterscheidung auch für wichtig.
Aber nun ist es doch so, daß hier gesagt wird, man habe einen bestimmten Übungsweg für sich gefunden, und dabei sei es unerheblich, ob dieser Weg noch als budô zu bezeichnen sei, oder nicht. Man übe voller Befriedigung aikidô, auch gerne, ohne es als ein budô - mit welchem Bedeutungsgehalt auch immer - zu verstehen.
Das verschiebt doch die Thematik noch einmal?

carstenm
02-03-2017, 19:20
Der Mensch (Aikidoka) ist ein willenloser Spielball der Elemente, wie die Wolken?Das dao de jing spielt mit genau dieser Vorstellung ... ;)

Gast
02-03-2017, 19:59
Eben auf YT entdeckt, passt ja zum Thema (habs mir die Clips ehrlicherweise aber nicht angesehen):

NQ5pnkb2MHo

aTOiaMUFco4

Herzig.

carstenm
02-03-2017, 20:54
Bei Shirakawa habe ich den Eindruck, das wäre etwas, dem ich nacheifern kann, bei Stephane Goffin und auch bei Christian Tissier denke ich, das ist ein für mich prinzipiell unerreichbares Niveau.Ich finde diese Einschätzung interessant. Kannst du ein bißchen beschreiben, worin du den Unterschied siehst?
Ich hätte jetzt gesagt, daß beides gar nicht so weit voneinander entfernt ist.


Meine eigene Einstellung ist etwas anders motiviert. Ich möchte in meiner Freizeit nicht ohne Not in einer Haltung üben, die darauf ausgerichtet ist, einen Gegner zu verletzen oder gar zu töten, weil ich glaube, dass solch ein regelmäßiges Üben auch Rückwirkungen auf den Alltag hat.Um es einfach noch einmal zu wiederholen:
Es geht nicht darum, eine Haltung zu üben, die darauf ausgerichtet ist, Menschen zu verletzen. Es geht nicht darum, sich Ethik abzuerziehen.

Sondern es geht darum in einer Haltung zu üben, die darauf ausgerichtet ist jedem Menschen auf eine Weise zu begegnent, die ihn wachsen läßt, ihm gut tut, oder wie Endô sensei mal gesagt hat, ihn "zum Blühen bringen möchte".
In dieser wertschätzenden, respektvollen Haltung aber Techniken zu üben, die darauf ausgerichtet sind, einen Angreifer nachhaltig zu verletzen.

Diese Dialektikt ist grundlegend. Jedenfalls für das aikidô Üben, das ich kenne.


Yoshigasaki hat das so formuliert: "Wenn Sie danach trachten, nicht aggressiv zu sein, keinen Widerstand zu leisten und als Nage Harmonie zu schaffen, wird sich Ihr gesamter Körper und Ihr gesamter Geist in dieser Richtung entwickeln. Natürlicherweise verhalten Sie sich dann auch im Alltag so..." Dieses Zitat gibt tatsächlich recht gut die Haltung von tori wieder, in der in meinem Kontext geübt wird. Eine solche Haltung schließt aber doch atemi nicht aus?
Ich weiß, für Yoshigasaki sensei schon. Aber doch vom Wortlaut her alleine eben nicht.


Gerhard Walter hatte mal in einem Flyer geschrieben: "Effektivität erwächst nicht aus der Technik einer Verteidigungskunst, sondern aus dem Eins-Sein mit seinem Tun." Ich kenne das Üben von Gerd Walter nur aus Videos und aus Erzählungen von ehemaligen Schülern. Ich vermute, daß der Gedanke von Effektivität, von Wirksamkeit, weniger technisch zu verstehen ist, sondern in seinem Verständnis des zen verwurzelt ist.


Das Gefühl des Eins-Sein mit oder Aufgehen im Üben stellt sich bei mir bei den fließenden Bewegungen der Wurf- und Halte-Techniken im Aikido (und zwar als Nage und Uke) ein, aber sicher nicht beim Üben von Atemi, die man ansetzen und wieder stoppen muss, um den Partner nicht zu verletzen.Das Gefühl von Eins-sein und Aufgehen im Üben, oder - wie ich es für mich persönlich nenne - das Gefühl des Loslassens kann sich einstellen ganz unabhängig von der äußeren Form der Bewegung. Es geht nicht dabei aus meiner Sicht letztlich nicht darum, welche Bewegung man macht, sondern wie man sich bewegt.


Ist Aikidô Budô, übt ein JEDER Aikidôka Budô, ist es das nicht, dann tut er das nicht.Diesen Gedanken habe ich ja oben auch schon geäußert. Er ist m.E. essentiell.
Es sind nicht die einzelnen Übenden, die den Charakter des zu Übenden prägen oder bestimmen. Sondern wir treten in eine Tradition, eine Schule, eine Kunst ein, die uns voraus ist. Die uns gegeben ist.


Abseits des Budô spielt es aber für mich aber eigentlich sowieso keine Rolle, wie es sich am Ende wirklich verhält mit den vielen Wegen und Zielen.Für mich ist es halt bedeutsam, weil das Üben von budô nur eine Facette, eine Ausprägung dieses Themas ist, das mein Leben insgesamt bestimmt. Ich übe halt nicht nur die waza eines budô, sonder auch die waza eines spirituellen Weges.

carstenm
02-03-2017, 21:29
... das "als beglückend erlebte Gefühl im restlosen Aufgehen seines Tuns". ... Kann man in diesem "restlosen Aufgehen seines Tuns" gleichzeitig Beobachter seiner selbst sein? Kann man sein Tun in diesem Zustand beeinflussen, kontrollieren, theoretisch innehalten ... ?
Ich habe mich nie mit Flow-Zuständen befaßt und mich interessiert, wie sich dieses Gefühl verhält zu dem buddhistischen Begriff der Achtsamkeit.


... entspannte, weiche, fließende, unverkrampfte, ohne viel muskuläre Anstrengung ausgeführte Bewegungen ... Das beschreibt doch ein Ziel der Bewegungsqualität im aikidô ganz allgemein, oder? Also mein Üben trifft es jedenfalls recht gut.
Ein Bewegungsgefühl wie man es auch beim qi gong hat.


Deswegen wäre Ki-Aikido, so wie es Carsten erlebt hat, nichts für mich.Diese Konsquenz verstehe ich jetzt nicht. Gerade im Ki-Aikido geht es doch nun ganz ausdrücklich um Flow-Erfahrungen wie du sei beschreibst? Die Einheit von Körper und Geist ist doch dort das maßgebliche Kriterium?
Zudem: Meine Erfahrungen rühren her von einem Ki-Aikidoka, der einige Zeit bei mir geübt hat. Sowie von einigen, wenigen Besuchen im Training von Ki-Aikido und aus Gesprächen mit einem Freund, der schließlich in Japan dann begonnen hat ein aikidô zu üben, das wesentlich auch von Christian Tissier herkommt.
Repräsentativ geht anders. Wie Iryoku schreibt: Bilde dir lieber selbst ein Urteil.


Damit entwickelt sich spielerisch ein Art "Aiki" im Sinne einer Definition Ueshibas von 1920: ”Aiki is a means of achieving harmony with another person so that you can make them do what you want”.*Puh ... ich möchte zu bedenken geben, daß du hier ein Zitat als einen Beleg für ein aikidô ohne atemi und für ein von flow-Erlebnis geprägtes aikidô anführst aus einer Zeit, in der atemi ein zutiefst wesentlicher Bestandteil des daitô ryû (so hieß aikidô damals) war. Ein Lehrer meines Lehrers hat zu Beginn der Dreißiger bei Ueshiba geübt. Das war deutlich anders als das, was du geren üben möchtest.
Das Zitat, das du da benutzt, um deine Position zu untermauern, setzt also gerade deine Gegenposition voraus. Dieses Zitat spricht von einem budô, das zutiefst durch atemi und durch die Intention, den Gegner zu zerstören, geprägt war.


Möglicherweise ist die profane Suche nach Spaß, Freude oder Glück im Dojo ein Sakrileg für ernsthafte Budoka, ... Ein "Sakrileg" wäre es in meinen Augen, wenn du mit deinem Leben etwas anfängst, was dir selber widerstrebt, dir selber nicht gerecht wird.


Deswegen schreibe ich lieber nicht, wo ich übe.Ich habe gefragt, weil ich die Vermutung habe, daß es mir helfen würde, deine Aussagen zu verstehen, wenn ich eine Vorstellung davon hätte, in welchem Kontext du übst.
Das war alles.
Ich übe und unterrichte im Hildesheimer Aikido Verein (https://sites.google.com/site/hildesheimeraikidoverein/home). Hm, die Seite sieht so aus, als wäre sie gerade "under construction".

carstenm
03-03-2017, 06:43
Es ist dann nahe liegend, dass entspannte, weiche, fließende, unverkrampfte, ohne viel muskuläre Anstrengung ausgeführte Bewegungen wie beim Tanzen den Flow begünstigen. Doch noch eine Nachfrage:
Beim Tanzen geht es ganz wesentlich darum, daß beide Partner von vornherein eine gemeinsame Bewegung ausführen. Es gibt dabei keinerlei Gegeneinander. Und dieses Miteinander löst sich nicht auf, sondern wird im Gegenteil immer stärker, je fortgeschrittener die Tänzer. So jedenfalls habe ich es erlebt.

Ich kenne Lehrer, die auch aikidô in eben dieser Weise unterrichten: Beide Partner bewegen sich miteinander um ein gemeinsames Zentrum, das durch den Fluß der Bewegung aus den beiden Zentren der Übenden sich neu bildet. Es gibt keinerlei Konflikt der Partner, sondern beide bewegen sich miteinander.

Um das zu erreichen, wird auf eine Weise geübt, durch die die gemeinsame Bewegung gewissermaßen "automatisiert" wird. D.h. beide Partner arbeiten daran, sich immer besser aneinander anzupassen, sich immer besser aufeinander einzustellen. Beide versuchen, zu einem gemeinsamen Rhythmus zu finden.
Ich habe bisher an eine solche "Automatisierung" der gemeinsamen Bewegung gedacht, wenn im Zusammenhang mit aikidô von flow die Rede war.

Beschreibt das so auch dein Verständnis einer Übugnsweise, die zu "Flow" führt?

Gast
03-03-2017, 08:03
Das klingt, als seist du gewissermaßen der Meinung, man könne ikkyo können. Mal abgesehen davon, daß von Ueshiba selbst ja kolportiert wird, daß er noch auf dem Totenbett gesagt habe, sein Üben sei noch nicht fertig.


So gesehen, kann man nie irgendetwas je "können".
Wiederum hilft einem dass aber nicht weiter, wenn man darauf angewiesen ist, eine bestimmte Fertigkeit anwenden zu müssen, besonders wenn vielleicht das eigene Leben oder das anderer davon abhängt.
Wenn nicht das Leben, aber vielleicht nur das Einkommen des heutigen Tages oder Monats.
Wenn man einen Beruf hat in dem dafür bezahlt wird dass man etwas "kann", dann versteht vielleicht besser, dass es durchaus Situationen gibt, in denen man etwas gelerntes tatsächlich können muss, auch wenn man es immer weiter üben kann.
Das eine schließt das andere nicht aus.



kich bin mir jetzt nicht sicher: Ist dir bewußt, daß es eine klassische Auslegung gibt zu diesem koan?
Denn die sagt ja nun eben gerade genau das Gegenteil, nämlich, daß die Spitze der Stange erst der Anfang des eigentlichen Weges sei. Und der ja gerade nicht darin besteht, herunter zu klettern.


Ist doch genau was ich sage, wenn du nur die 30 m vor Augen hast, bleibt dir nichts anderes übrig, aber du wirst halt immer nur diese 30 m klettern und wieder von vorne anfangen.

carstenm
03-03-2017, 09:15
So gesehen, kann man nie irgendetwas je "können".Richtig.


Wenn man einen Beruf hat in dem dafür bezahlt wird dass man etwas "kann", dann versteht vielleicht besser, dass es durchaus Situationen gibt, in denen man etwas gelerntes tatsächlich können muss, auch wenn man es immer weiter üben kann.Naja, ich habe vier Jahre lang freiberuflich einen Beruf ausgeübt, in dem ich exakt nur dann bezahlt - und in der Folge wieder gebucht - wurde, wenn ich etwas "gekonnt" habe.
In meinem jetzigen Berufsleben projektiere ich Dinge, die finanziell und personell funktionieren müssen. Z.t über Zeiträume von mehr als einer Dekade, z.T. für mehr als 2000 MA. Ob ich das "kann" oder nicht, wird laufend durch darauf spezialisierte Dienstleister evaluiert.
Und in meinem Job hängt gar nicht allzu selten ganz konkret das Leben, mindestens aber die wesentliche Lebensqualität eines Menschen davon ab, ob ich ihn "kann" oder nicht.
Für dieses "Können" gem. Arbeitsvertrag werde ich bezahlt.

Und auch diese äußerlich leistungs- und zielorientierte Arbeit tue ich in einer Haltung, die nicht fertiges Können und nicht die Vollendung des jeweiligen Zieles im Blick hat, sondern den Prozeß selber. Und glaub's oder nicht: Sowas funktioniert: Und zwar außerordentlich gut.


Ist doch genau was ich sage, wenn du nur die 30 m vor Augen hast, bleibt dir nichts anderes übrig, aber du wirst halt immer nur diese 30 m klettern und wieder von vorne anfangenHm, die Kunst besteht doch darin, am Ende der Stange anzukommen - und dann über die Stange hinaus weiter zu gehen.
Man muß nicht wieder runter. Man muß nicht dort hocken bleiben. Man geht weiter. Über die Stange hinaus. ;)

Gast
03-03-2017, 09:40
Und glaub's oder nicht: Sowas funktioniert: Und zwar außerordentlich gut.

Ich wüsste nicht wo ich das bezweifelt hätte.



Hm, die Kunst besteht doch darin, am Ende der Stange anzukommen - und dann über die Stange hinaus weiter zu gehen.
Man muß nicht wieder runter. Man muß nicht dort hocken bleiben. Man geht weiter. Über die Stange hinaus. ;)

Nein, die wahre Erkenntnis besteht darin, dass es die Stange gar nicht gibt...

Eine Stange bleibt immer eine Stange.

carstenm
03-03-2017, 10:45
Nein, die wahre Erkenntnis besteht darin, dass es die Stange gar nicht gibt...Ja ... nein ...

... es gibt zu diesem Klassiker eine Antwort, die besagt, man müsse die Stange erklimmen - um sich von ihrer Spitze dann frei in alle sechs (in anderer Lesart zehn) Himmelsrichtungen des Universums zu bewegen ...

Wie schon oben gesagt: Erst die Erleuchtung ... dann die Wäsche ...

So oder so:
kein ziel nirgends

Gast
03-03-2017, 11:26
von ihrer Spitze dann frei in alle sechs (in anderer Lesart zehn) Himmelsrichtungen des Universums zu bewegen ...


Aber dann brauchst du keine Stange mehr...
Ist wie mit den Fischen und dem Netz

carstenm
03-03-2017, 11:28
Aber dann brauchst du keine Stange mehr...
Ist wie mit den Fischen und dem Netz:)

MasterKen
03-03-2017, 13:13
Falls du es tust: Warum verbeugst du dich vor einem Bild an einer Wand?

Nur weil er ein Bild an der Wand ist, kann ich den Erfinder doch trotzdem Respekt mit einer verbeugung zollen.
Ich verbeuge mich auch vor Wänden mit Schriftzeichen die ich nicht lesen kann.



Hast du das schon mal jemandem gesagt, der bei O sensei geübt hat?
Was hat er oder sie dazu gesagt?
Geht ja leider nicht zwischen meinem Lehrer und Osensei ist ja noch einer dazwischen.
Meinem Lehrer hab ich schon gesagt, das sein Aikido nicht das von dem Osensei-Schüler ist, sondern seine eigene Interpretation von allen Lehrern die er bisher gehabt hat.
Mir persönlich ist ein Lehrer der sein eigenes Ego untern Scheffel stellt lieber wie einer der gleich ne neue Linie auf macht :-)

Ich persönlich empfinde es so, das sich Aikido seit Osensei positiv weiterentwickelt hat.



Was für wissenschaftliche Erkenntnisse meinst du?

Seit 1968 gibt es unglaublich viele Dinge. Z.b. die Mondlandung.
Sportwissenschaflich, Trainingsmethoden und Lehre....es gibt ne Menge

Gast
03-03-2017, 15:42
Nur weil er ein Bild an der Wand ist, kann ich den Erfinder doch trotzdem Respekt mit einer verbeugung zollen.


Du hast geschrieben, er ist für dich nur ein Bild an der Wand. Einem Bild zollt man keinen Respekt.

carstenm
03-03-2017, 16:38
Nur weil er ein Bild an der Wand ist, kann ich den Erfinder doch trotzdem Respekt mit einer verbeugung zollen.
Du hast geschrieben, er ist für dich nur ein Bild an der Wand. Einem Bild zollt man keinen Respekt.Ich hatte es auch so verstanden, wie Inryoku.


Ich verbeuge mich auch vor Wänden mit Schriftzeichen die ich nicht lesen kann.Das verstehe ich nicht: Was für Schriftzeichen meinst du denn?


Geht ja leider nicht zwischen meinem Lehrer und Osensei ist ja noch einer dazwischen.Aber es gibt ja Lehrer, die bei o sensei geübt haben. Und ich finde es ganz spannend, sich mit ihnen zu unterhalten. Da ist dann oft die Erinnerung ganz lebhaft, wenn sie zeigen, was sie mit ihm erlebt haben. Und es ist interessant zu hören und gezeigt zu bekommen, wie sie das, was sie unterrichten in Beziehung setzen zu dem, was o sensei gezeigt hat.
Es lohnt sich, solche Lehrer aufzusuchen. Allzu lange werden wir die Gelegenheit nicht mehr haben ...


Meinem Lehrer hab ich schon gesagt, das sein Aikido nicht das von dem Osensei-Schüler ist, sondern seine eigene Interpretation von allen Lehrern die er bisher gehabt hat.Das ist ja nett, daß du deinem Lehrer das gesagt hast. Ist ja wichtig, daß ihm das bewußt wird. Hatte sich vor dir noch niemand getraut, ihm das zu sagen?


Ich persönlich empfinde es so, das sich Aikido seit Osensei positiv weiterentwickelt hat.Naja, vor allem hat es sich ja in viele verschiedene Richtungen entwickelt ... selbst innerhalb des aikikai ...
Ich persönlich empfinde nicht jede dieser Entwicklungen als Fortschritt.


Seit 1968 gibt es unglaublich viele Dinge. Z.b. die Mondlandung.
Sportwissenschaflich, Trainingsmethoden und Lehre....es gibt ne MengeIch meinte die Frage ganz konkret: Ich sehe z.B. nicht, wie sich die Mondlandung auf das aikidô keiko ausgewirkt hat.
Mich interessiert eher, welche wissentschaftlichen Erkenntnisse d.E. Auswirkungen auf das aiki taiso oder das Üben ansonsten haben.
Denn die Übungsformen und auch die alten Formen des aiki taiso haben ja einen eigenen Hintergrund. Und ich habe im Laufe der Zeit immer wieder erlebt, das sog. sportwissenschaftliche Erkenntnisse, den Übungen ihren eigentlichen Inhalt, Sinn, Zweck genommen haben. Ich selber finde es darum interessant eher zu den ursprünglichen Übungen zurückzukehren und die immer besser zu verstehen.
Daher meine Frage.

Gast
03-03-2017, 17:38
Kann man in diesem "restlosen Aufgehen seines Tuns" gleichzeitig Beobachter seiner selbst sein? Kann man sein Tun in diesem Zustand beeinflussen, kontrollieren, theoretisch innehalten ... ?
Ich habe mich nie mit Flow-Zuständen befaßt und mich interessiert, wie sich dieses Gefühl verhält zu dem buddhistischen Begriff der Achtsamkeit. Ich meine, man sollte hier von Erfahrungen her denken, die dann mehr oder weniger genau durch einen Begriff wie "flow" beschrieben werden und nicht umgekehrt von den Begriffsdefinitionen her denken. Was ich unter "Flow" verstehe, ist sehr gut in dem Wikipedia-Artikel beschrieben unter dem Abschnitt "Beispiele (https://de.wikipedia.org/wiki/Flow_%28Psychologie%29#Beispiele)". Wollte man sich selbst beobachten, theoretisch innehalten, dann würde das nach meinem Empfinden den Flow-Zustand stören oder beenden. Das schließt natürlich nicht aus, das man hinterher über das Erlebte reflektieren kann. Nicht ohne Grund tragen viele Funsportler bei ihren Aktionen eine oder mehrere Gopros bei sich.



... entspannte, weiche, fließende, unverkrampfte, ohne viel muskuläre Anstrengung ausgeführte Bewegungen ...Das beschreibt doch ein Ziel der Bewegungsqualität im aikidô ganz allgemein, oder? Also mein Üben trifft es jedenfalls recht gut.
Ein Bewegungsgefühl wie man es auch beim qi gong hat.
Mir fallen da schon einige Gegenbeispiele auf YouTube ein, z.B. das von Inryoku zitierte Video mit Kanai Sensei 1974 (https://www.youtube.com/watch?v=yvvmy7X8ACQ).


Zudem: Meine Erfahrungen rühren her von einem Ki-Aikidoka, der einige Zeit bei mir geübt hat...
Ich dachte dabei vor allem an folgende Aussage, was mir den Spaß oder die Freude am Üben verleiden würde:

Eine Spitzenerfahrung beim Ki-Aikido war die Aussage meines - yudansha - Partners am Ende seiner Technik, ich könne jetzt fallen, wenn ich wolle. Ich müsse aber nicht, denn darum ginge es im Ki-Aikido nicht in erster Linie. Auch gab es - ganz bewußt - keinerlei kuzushi.
Wenn das so gar nicht representativ ist, dann hat sich alles andere, was ich zu Ki-Aikido geschrieben habe, erübrigt.


Puh ... ich möchte zu bedenken geben, daß du hier ein Zitat als einen Beleg für ein aikidô ohne atemi und für ein von flow-Erlebnis geprägtes aikidô anführst aus einer Zeit, in der atemi ein zutiefst wesentlicher Bestandteil des daitô ryû (so hieß aikidô damals) war.
Das ist ein Lieblingszitat von Ellis Amdur. Es kommt außer in "Duelling with O'Sensei" zwei mal in A Consideration of Aikido Practice within the Context of Internal Training - AikiWeb Aikido Forums (http://www.aikiweb.com/forums/showthread.php?t=22175) in verschiedenem Zusammenhang vor. Also nicht die ursprüngliche Bedeutung war gemeint, sondern die Auslegung in neuem Zusammenhang. Das zweite Zitat in Ellis Amdurs Artikel bezieht sich übrigens auf "geheimes" Üben von Aiki in einem klassichen Dojo:

Even so, you could train with them, without disturbing practice -- unless you chose -- and yet further enhance your ability at aiki, because taking good ukemi via receiving and fitting in appropriately can be a fantastic training for aiki.[xxxiv] Remember my quotation of Ueshiba Morihei from 1921: "Aiki is a means of achieving harmony with another person so that you can make them do what you want." What a marvelous practice of aiki, therefore, that I have just proposed! You will be training in ostensibly classic aikido, and your training partners will be helping you develop your aiki skills, all the while unawares.

Gast
03-03-2017, 22:57
Doch noch eine Nachfrage:
Beim Tanzen geht es ganz wesentlich darum, daß beide Partner von vornherein eine gemeinsame Bewegung ausführen. Es gibt dabei keinerlei Gegeneinander. Und dieses Miteinander löst sich nicht auf, sondern wird im Gegenteil immer stärker, je fortgeschrittener die Tänzer. So jedenfalls habe ich es erlebt.

Ich kenne Lehrer, die auch aikidô in eben dieser Weise unterrichten: Beide Partner bewegen sich miteinander um ein gemeinsames Zentrum, das durch den Fluß der Bewegung aus den beiden Zentren der Übenden sich neu bildet. Es gibt keinerlei Konflikt der Partner, sondern beide bewegen sich miteinander.

Um das zu erreichen, wird auf eine Weise geübt, durch die die gemeinsame Bewegung gewissermaßen "automatisiert" wird. D.h. beide Partner arbeiten daran, sich immer besser aneinander anzupassen, sich immer besser aufeinander einzustellen. Beide versuchen, zu einem gemeinsamen Rhythmus zu finden.
Ich habe bisher an eine solche "Automatisierung" der gemeinsamen Bewegung gedacht, wenn im Zusammenhang mit aikidô von flow die Rede war.

Beschreibt das so auch dein Verständnis einer Übugnsweise, die zu "Flow" führt?
Nein, überhaupt nicht. Obwohl so etwas vielleicht ungewollt und unbewusst entstehen kann, wenn zwei Aikidoka immer wieder miteinander üben.

Der psychologische Flow (https://de.wikipedia.org/wiki/Flow_%28Psychologie%29) und "flow" im Sinne von Bewegungsfluss sollten nicht verwechselt werden. Aber natürlich kann der Bewegungs"flow" zweier Tanzpartner zu einem "psychologischen" Flow führen, den jeder Partner für sich erlebt.

Es wird dem Aikido (von Außensehenden) oft vorgeworfen, es wäre ein choreographierter Tanz. Für mich wäre es ein Kompliment, wenn man sich bei einem Angriff gegen den Willen des Angreifers so bewegen könnte, dass es wie ein Tanz aussieht. Ki-no-michi wäre nichts für mich, ich brauche schon noch die Rollen von Uke und Nage. Das Kata-Training könnte man schon mit Tanz vergleichen, weil ja die Bewegungen von Uke und Nage aufeinander so abgestimmt sind, das keiner blockieren oder Widerstand leisten muss.

Interessant und herausfordernd wird dann das Randori, wo die Techniken nicht mehr vorgegeben sind (im Rahmen des Settings) und Nage intuitiv die angemessene Technik des geringsten Widerstandes finden muss. Und Uke kann sich nicht mehr gedanklich aufs Rollen oder Fallen vorbereiten sondern muss spontan das passende Ukemi ausüben. Aber das gehört ja zum (psychologischen) Flow, dass Anforderungen und Können zusammen wachsen.

Gast
03-03-2017, 23:59
Das Kata-Training könnte man schon mit Tanz vergleichen, weil ja die Bewegungen von Uke und Nage aufeinander so abgestimmt sind, das keiner blockieren oder Widerstand leisten muss.

Nein.
go
Go no geiko, ju no geiko, ryu no geiko, alles Kata....

Gast
04-03-2017, 13:18
Ich finde diese Einschätzung interessant. Kannst du ein bißchen beschreiben, worin du den Unterschied siehst?
Ich hätte jetzt gesagt, daß beides gar nicht so weit voneinander entfernt ist.Vielleicht liegt das einfach daran, dass von seiner Statur (Größe und Gewicht) mir Shirakawa näher steht als ein Stephane Goffin oder Christian Tissier oder gar Steven Seagal. Shirakawas Effektivität (im mechanischen Sinne) kann nur auf Durchlässigkeit und Gewichtsverlagerung beruhen, während andere mehr Gewicht und Muskelmasse ins Spiel bringen können.


In dieser wertschätzenden, respektvollen Haltung aber Techniken zu üben, die darauf ausgerichtet sind, einen Angreifer nachhaltig zu verletzen.

Diese Dialektikt ist grundlegend. Jedenfalls für das aikidô Üben, das ich kenne.
Diese Dialektik ist mir persönlich fremd und unverständlich. Natürlich ist oder sollte mir bewusst sein, dass und ggf. wie die Techniken den Gegenüber nachhaltig verletzen können. Aber das sehe ich analog zu einem guten Küchenmesser, das auch ein Mordinstrument ist. Oder was 2 mal letzte Woche Thema der Schlagzeilen war: auch ein Auto ist ein Mordinstrument, der Führerschein ein Waffenschein.

Auch wenn die Techniken historisch für den Zweck, den Gegner nachhaltig zu verletzen, entwickelt wurden, so werden mit dieser Intention heute eben im Rahmen des mir bekannten Aikido-Übens so nicht mehr angewandt. Es mag Dojos geben, wo es anders gehandhabt wird. Ich möchte aber ausschließlich so üben, dass es mir und meinem Übungspartner Freude bereitet oder hilft sich weiter zu entwickeln.


Dieses Zitat gibt tatsächlich recht gut die Haltung von tori wieder, in der in meinem Kontext geübt wird. Eine solche Haltung schließt aber doch atemi nicht aus?
Ich weiß, für Yoshigasaki sensei schon. Aber doch vom Wortlaut her alleine eben nicht. Ich habe ja auch nicht Atemi für mich prinzipiell ausgeschlossen, so lange es im Rahmen des Übens symbolisch oder in Leichtkontakt zum besseren Verständnis oder als Teil der Techniken ausgeübt wird.


Ich kenne das Üben von Gerd Walter nur aus Videos und aus Erzählungen von ehemaligen Schülern. Ich vermute, daß der Gedanke von Effektivität, von Wirksamkeit, weniger technisch zu verstehen ist, sondern in seinem Verständnis des zen verwurzelt ist.
Scheint mir auch so. Unter dem Vorbehalt, dass folgender Kommentar eines YouTube-Videos (https://www.youtube.com/watch?v=netRtRWINZo) authentisch und autorisiert ist, erklärt Gerd Walter Effektivität wie folgt:


... weil die Frage der Effektivität immer wieder gestellt wird und das, worum es geht von einigen nicht richtig verstanden wird. Ich verwende dafür einige Zitate von unstrittigen Experten:

Felix Neureuther: Messi ist für mich der beste Fußballer der Welt. Er ist ein Genie. Was mich an ihm am meisten fasziniert: Man sieht, dass seine Bewegungen nicht antrainiert sind, sondern natürlich. Alles, was er macht, sieht leicht aus, geschmeidig.
Harvard Frau Prof. Ellen Langer: Ein Ausnahmemusiker ist da, wenn er da ist, das macht den Unterschied aus. All die anderen bleiben in der Routine stecken.
Jan Ulrich: In einer Krise war ich nicht eins mit meinem Körper.
M. Ueshiba: Natürliche Bewegung ist das Geheimnis der Effektivität in den Kampfkünsten.

Aus diesen Zitaten könnte ihr ableiten, worauf es ankommt: Eine Aufmerksamkeit, die vollkommen aufgeht im Handeln. Dieses Eins-Sein mit sich und seinem Tun wird leider nur in den absoluten Leistungsspitzen erreicht. Ich spreche von Aikido-Zen, weil ich dieses geistig-mentale Geschehen in jeder Stunde zum Bestandteil des Trainings mache. Das heißt: das Video zeigt einen Unterricht, in dem es um natürliche Bewegung geht. Hinzu kommt, dass man nie weiß, was kommt, was soll man also trainieren? Das Da-Sein, wo man ist!

"Eine Aufmerksamkeit, die vollkommen aufgeht im Handeln" ist für mich charakteristisch für den psychologischen Flow - aber das ist meine persönliche Interpretation.




Ist Aikidô Budô, übt ein JEDER Aikidôka Budô, ist es das nicht, dann tut er das nicht.
Diesen Gedanken habe ich ja oben auch schon geäußert. Er ist m.E. essentiell.
Es sind nicht die einzelnen Übenden, die den Charakter des zu Übenden prägen oder bestimmen. Sondern wir treten in eine Tradition, eine Schule, eine Kunst ein, die uns voraus ist. Die uns gegeben ist.
In diesem rein formalen Sinn übe ich dann auch ein Budô. Aber es wäre lächerlich von mir zu behaupten, dass ich damit einen kriegerischen oder martialischen Weg beschreite (auch wenn das Martialische es nur ein Teilaspekt des Budô oder Aikidô ist).

carstenm
05-03-2017, 20:16
Das Kata-Training könnte man schon mit Tanz vergleichen, weil ja die Bewegungen von Uke und Nage aufeinander so abgestimmt sind, das keiner blockieren oder Widerstand leisten muss. [/QUOTE]Das ist ein Verständnis von kata, das mir fremd ist: Wir üben kata mit Widerstand, mit Blockieren, mit dem Ausnutzen von suki, mit Konter, ...
Im kenjutsu kenn ich es so, daß man kata auf eine Weise üben kann, die testet, "wer die kata gewinnt".


... Nage intuitiv die angemessene Technik des geringsten Widerstandes finden muss. ...Das ist ein Gedanke, der mir häufig begegnet.
Ich halte das für ein doppeltes Mißverständnis, denn idealtypisch gedacht ist jede Technik in (fast oft häufig) jeder Situation möglich. Daher geht es nicht darum, eine "angemessene Technik des geringsten Widerstandes" zu finden. Sondern es geht darum für eine Technik, die man nutzen möchte intuitiv die Art der Ausführung zu finden, die sei in der jeweiligen Situation möglich macht.

Zudem: Es gilt m.E. nicht den Weg des geringsten Widerstandes zu suchen. Sondern aiki auf eine Weise einzusetzen, die mit dem jeweiligen Widerstand umgehen kann.
Wenn du dir z.B. mal die Techniken von Endô sensei anschaust, wirst du feststellen, daß sie recht "konfrontativ" sind. Es kommt zu einer echten Begegnung (deai) anstelle eines Ausweichens, Durchlassens oder dergleichen.

carstenm
05-03-2017, 21:28
Vielleicht liegt das einfach daran, dass von seiner Statur (Größe und Gewicht) mir Shirakawa näher steht als ein Stephane Goffin oder Christian Tissier oder gar Steven Seagal. Shirakawas Effektivität (im mechanischen Sinne) kann nur auf Durchlässigkeit und Gewichtsverlagerung beruhen, während andere mehr Gewicht und Muskelmasse ins Spiel bringen können.Ich denke, Christian Tissier und Steven Segal in dieselbe Argumentationslinie zu stellen, wird beiden nicht gerecht.
Was Christian angeht, habe ich den Eindruck, du hast eine falsche Vorstellung sowohl von der Art seines aikidô, als auch von seiner Größe und Statur. Muskelmasse und Gewicht spielen bei seiner Art zu üben keine große Rolle.
Und wenn du dir mal Videos anschaust, auf denen Shirakawa langsam arbeitet, dann sieht das zuweilen doch identisch aus?


Diese Dialektik ist mir persönlich fremd und unverständlich. Ja, das wird mir aus dem, was du schreibst, immer wieder deutlich.
Aus meiner Sicht geht damit einer der wesentlichen Aspekte verloren und es bleibt dann - nach meinem Verständnis - nicht mehr als ein gemeinsames Tanzen der Partner. Die Art von sich bei fortgeschrittenen Partnern steigerndem Widerstand kann ja eigentlich nur eine rein körperliche Herausforderung sein, aber keine Abbildung eines Konfliktes?


Aber das sehe ich analog zu einem guten Küchenmesser, das auch ein Mordinstrument ist. Oder was 2 mal letzte Woche Thema der Schlagzeilen war: auch ein Auto ist ein Mordinstrument, der Führerschein ein Waffenschein.
Weder ein Küchenmesser, noch ein Auto sind dazu erdacht, konstruiert und hergestellt worden, Menschen zu verletzen.
Die Techniken des aikidô dagegen sind dazu gedacht und gemacht. Das Üben verletzungsfreie Üben im dôjô ist ein Werkzeug um üben zu können. Es ist nicht die letzendliche Intention der waza.
Nach meinem Verständnis ist das üben mit Holzschwertern oder shinai im Kenjutsu ein Parallele: Eigentlich gedacht für shinken, für scharfe Schwerter. Zum Üben aber entschärft durch die Holz- oder Bambuswaffen.


Auch wenn die Techniken historisch für den Zweck, den Gegner nachhaltig zu verletzen, entwickelt wurden, so werden mit dieser Intention heute eben im Rahmen des mir bekannten Aikido-Übens so nicht mehr angewandt. Na aber im Rahmen des Übens wurden sie doch auch früher nicht so angewandt?! (Naja, manchmal schon ...)
Aber normalerweise haben die sich doch nicht im dôjô die Knochen gebrochen beim Training?!


Ich möchte aber ausschließlich so üben, dass es mir und meinem Übungspartner Freude bereitet oder hilft sich weiter zu entwickeln. wie gesagt: Das möchte und tue ich auch. Ich habe darüber hinaus den Anspruch, daß mein Training hilft, Menschen köperlich, geistig, energetisch heil zu machen.

Gast
05-03-2017, 23:24
Weder ein Küchenmesser, noch ein Auto sind dazu erdacht, konstruiert und hergestellt worden, Menschen zu verletzen.
Die Techniken des aikidô dagegen sind dazu gedacht und gemacht.

Du vertrittst ja oft die Ansicht, nie habe je ein Aikidoka tatsächlich mit diesen Techniken gekämpft und unter Beweis gestellt, (auch Ueshiba nicht) dass man damit ernsthaft Menschen verletzten oder töten kann, wie kommst du dann zu dieser Aussage?
Zudem meine ich, die Techniken des Aikidô in der heute geübten Form gab es zum Teil noch gar nicht, als das Verletzen und Töten noch Hauptintention zum Üben der Kampfkünste war.
Irimi Nage, so wie er im Aikido geübt wird, gibt es in Daitô ryû nicht, daß ist eine Entwicklung Ueshibas. Was hat ihn dazu bewogen, diese Technik so zu entwickeln?
Es wird immer wieder gesagt, Aikidô sei eine Methode, "Aiki" zu trainieren, Aikidô sei Misogi, und die Techniken seien nicht zum Kämpfen entwickelt worden,n dann ist es wieder knallharten Budo, entwickelt um zu töten und ernsthaft zu verletzten.
Je nachdem wer was untermauern will, wird jeweils die eine oder andere Theorie herangezogen.

Gast
05-03-2017, 23:50
Das ist ein Verständnis von kata, das mir fremd ist: Wir üben kata mit Widerstand, mit Blockieren, mit dem Ausnutzen von suki, mit Konter, ... Inryoku hat auch schon festgestellt: "Das Kata-Training könnte man mit Tanz vergleichen" war eine unzulässige Verallgemeinerung. Ich hätte schreiben sollen "Manches Kata-Training.." Es gibt auch bei uns Übungen, wo wir mit bzw. gegen Widerstand und Blockieren arbeiten, das ist dann aber ein explizites Übungsziel und hätte ich es dann auch nicht als Kata bezeichnet. Aber da fehlt mir das Wissen, was man alles unter dem Begriff "Kata" einordnen kann. Oder was ist noch Kata und was ist schon Randori? Der Begriff suki (隙 oder was? (http://www.aikiweb.com/forums/showthread.php?t=14829)) ist mir auch nicht geläufig. Wenn damit Öffnungen für Atemi oder alternative Techniken gemeint sind: Ja, das kommt im individuellen Training Lehrern gelegentlich vor, manchmal auch im Üben mit Fortgeschrittenen (Dan-Träger), aber nicht im Anfänger-Training. Das gleiche gilt für Konter.

Unter dem Begriff Kata (im Kontext von Aikido!) verstehe ich einen idealtypischen Bewegungsablauf, oder wie in der Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Kata_%28Aikid%C5%8D%29) zu lesen "Als Kata werden im Aikidō Übungen bezeichnet, deren Bewegungsablauf in vielerlei Hinsicht - mitunter auch im Zeitablauf - detailliert festgelegt sind." Daher ergeben "Widerstand, Blockieren, Suki und Konter" als Kata rein vom Begrifflichen her für mich keinen Sinn. D.h.: so was wird auch bei uns geübt, würde ich aber nicht mehr als Kata einordnen.

Da ich Anfänger und kein Aikido-Lehrer bin, werde ich immer wieder mal ungenau ausdrücken. Die Diskussion sollte aber nicht auf Wortklauberei hinauslaufen.


Das ist ein Gedanke, der mir häufig begegnet.
Ich halte das für ein doppeltes Mißverständnis, denn idealtypisch gedacht ist jede Technik in (fast oft häufig) jeder Situation möglich. Daher geht es nicht darum, eine "angemessene Technik des geringsten Widerstandes" zu finden. Sondern es geht darum für eine Technik, die man nutzen möchte intuitiv die Art der Ausführung zu finden, die sei in der jeweiligen Situation möglich macht. Mit "angemessene Technik" im Rahmen des Randoris meine ich sowohl die Auswahl (z.B. Shihonage vs. Sankyo) als auch die Ausführung der Technik (z.B. Omote oder Ura, die richtige Positionierung, Timing usw.). Im Rahmen des "Kata-Trainings", also wenn Angriffsform und Technik vom Lehrer festgelegt sind, üben wir ja die mögliche Art der Ausführung abhängig von der Statur des Partners und wie er sich beim Angreifen bewegt. Als Anfänger übe ich Randori nur in der Form mit festgelegtem Angriff (z.B. Aihanmi Katatedori oder Yokumenuchi) und freier Wahl der Technik. (Richtiges Randori ist bei uns den Fortgeschrittenen vorbehalten).

Wenn jede Technik in jeder Situation möglich sein soll: Gibt es auch ein Randori, wo der Angriff frei aber die Technik (z.B. Ikkyo) vorgegeben ist? :confused:


Zudem: Es gilt m.E. nicht den Weg des geringsten Widerstandes zu suchen. Sondern aiki auf eine Weise einzusetzen, die mit dem jeweiligen Widerstand umgehen kann.
Wenn du dir z.B. mal die Techniken von Endô sensei anschaust, wirst du feststellen, daß sie recht "konfrontativ" sind. Es kommt zu einer echten Begegnung (deai) anstelle eines Ausweichens, Durchlassens oder dergleichen. Dann unterscheidet sich in dem Punkt, so weit ich das als Anfänger beurteilen kann, der Stil, in dem ich unterrichtet werden von dem Endos bzw. von dem deines Dojos.

Ich bin mir nicht sicher, ob das ein angemessenes Beispiel ist, aber bei Ikkyo (Omote) gibt es wohl die eher ausweichende und die eher konfrontative Form: die ausweichende zeigt und erklärt Nishio hier: https://www.youtube.com/watch?v=5bDSgcSP19g&nohtml5=False#t=9m24 (09:24) Die konfrontative Form des AFD-Kyu-Prüfungs-Programms meine ich hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=O7C433RP5Oc (gleich am Anfang). Wir üben jedenfalls Ikkyo eher in der ausweichenden Form, wie sie Nishio gezeigt hat.

carstenm
06-03-2017, 05:21
Mist.
Ich sehe gerade: Alles, was ich zum Thema Fow geschrieben hatte ist weg. Genauso wie meine Gedanken zur Dialektik des Übens.

carstenm
06-03-2017, 05:36
Mit konfrontativ meine ich so etwas wie man es hier am Anfang sieht: https://m.youtube.com/watch?v=7J4WxbWc7DE.
Das, was Bodo zeigt, würde ich nicht dazu rechnen. (Und er bestimmt auch nicht. )

carstenm
06-03-2017, 06:35
Du vertrittst ja oft die Ansicht, nie habe je ein Aikidoka tatsächlich mit diesen Techniken gekämpft und unter Beweis gestellt, (auch Ueshiba nicht) dass man damit ernsthaft Menschen verletzten oder töten kann, wie kommst du dann zu dieser Aussage?Das ist ein Mißverständnis:
Ich habe lediglich wiederholt gesagt, es gäbe keinen einzigen mir bekannten Bericht darüber, daß Ueshiba osensei das tai jutsu des aikidô oder daitô ryû oder aiki budô ... jemals in einem freien Kampf angewendet habe.

Von seinen Schülern gibt es dagegen doch gar nicht so wenige Berichte darüber.

Allerdings eben genauso auch Aussagen, daß das, was er unterrichtet habe, ihnen nicht ausgereicht habe.


Zudem meine ich, die Techniken des Aikidô in der heute geübten Form gab es zum Teil noch gar nicht, als das Verletzen und Töten noch Hauptintention zum Üben der Kampfkünste war.
Irimi Nage, so wie er im Aikido geübt wird, gibt es in Daitô ryû nicht, daß ist eine Entwicklung Ueshibas. Was hat ihn dazu bewogen, diese Technik so zu entwickeln?M.E. sind die Techniken des "heutigen Aikido" lediglich eine Richtung oder Linie in der Familie der daitô ryû.
Wie nahe sie ihrer Herkunft sind, ist lediglich eine Frage, wie sie verstanden und geübt werden.

Das irimi nage hat Ueshiba doch zu einer Zeit "entwickelt", als sein Üben noch ganz ausdrücklich daitô ryû war und hieß?
Und die Ausführungen dazu, z.B. bei Shirata, sind schon ziemlich halsbrecherisch.


Es wird immer wieder gesagt, Aikidô sei eine Methode, "Aiki" zu trainieren,... Das ist eine Auffassung, die ich nicht teile.
So, wie ich es seit einer Weile verstehe, transportieren die Techniken für sich allein genommen kein aiki. aiki ist eine Fähigkeit, die man m.E. durch Soloübungen unabhängig davon erwerben und üben muß um die Techniken dann damit "füllen" zu können.
Und aiki für sich genommen ist nicht an äußere Formen gebunden.
Zu diesen Dingen hat es ja vor einigen Jahren bei aikiwebe lange Diskussionen gegeben.


Aikidô sei Misogi, aikidô ist misogi, eben gerade weil es ein budô ist. Das gilt doch auch für andere budô, bzw. koryû.


... die Techniken seien nicht zum Kämpfen entwickelt worden, dannn dann ist es wieder knallharten Budo, entwickelt um zu töten und ernsthaft zu verletzten.Hm, bei dieser Aussage kann ich nicht so richtig nachvollziehen, worauf du abzielst. Bzw. worauf du dich beziehst.


Je nachdem wer was untermauern will, wird jeweils die eine oder andere Theorie herangezogen.Das nun wieder ist doch logisch: Die eigenen Aussagen werden doch jeweils der Theorie folgen, die man für plausibel hält? Sonst würde man diese Aussage doch nicht tätigen?

Gast
06-03-2017, 09:59
Es gibt auch bei uns Übungen, wo wir mit bzw. gegen Widerstand und Blockieren arbeiten, das ist dann aber ein explizites Übungsziel und hätte ich es dann auch nicht als Kata bezeichnet. Aber da fehlt mir das Wissen, was man alles unter dem Begriff "Kata" einordnen kann. Oder was ist noch Kata und was ist schon Randori?

Für Tada Sensei ist selbst Randori eine Form von Kata-Training:

True Budo, the method of training the art, is a continuous flow like the river’s water flowing from the mountains to the sea. For example, there is a training method called “Randori”, this is also essentially one type of Kata. Separating that from Kata is a very great mistake. Moreover, Randori is a method by which those who have trained and become proficient may test themselves. As to what you are testing, it is not a matter of testing whether or not your technique is effective. It is a test as to whether or not your mind will become captured or not. With regards to being captured, in Budo we say “Stop, stay, reside, arrive, become Aiki”



Ich bin mir nicht sicher, ob das ein angemessenes Beispiel ist, aber bei Ikkyo (Omote) gibt es wohl die eher ausweichende und die eher konfrontative Form:


Ich schrieb das weiter oben, es gibt go no keiko, ju no keiko und ryu no keiko, das sind drei grundsätzliche Trainingsmethoden. Die unterscheiden sich aber nicht durch ein Level der Konfrontativität.
Das ist sowie ein falscher Begriff wie ich meine, auch für das was Endo macht.

Gast
06-03-2017, 10:37
es gäbe keinen einzigen mir bekannten Bericht darüber, daß Ueshiba osensei das tai jutsu des aikidô oder daitô ryû oder aiki budô ... jemals in einem freien Kampf angewendet habe.

Von seinen Schülern gibt es dagegen doch gar nicht so wenige Berichte darüber.


Naja was ist denn ein freier Kampf? Er hat sich von allen möglichen Leuten angreifen lassen, von Schwertkämpfern, Boxern (einer hatte danach zwei gebrochene Arme), Judoka etc.
Viele seiner Schüler sind doch auch genau so zum Aikido gekommen, in dem sie versucht haben ihn anzugreifen, also gegen ihn zu "kämpfen", und gegen ihn absolut nichts tun konnten.
Es erstaunt mich, dass du meinst es gäbe darüber keine Berichte.



M.E. sind die Techniken des "heutigen Aikido" lediglich eine Richtung oder Linie in der Familie der daitô ryû.
Wie nahe sie ihrer Herkunft sind, ist lediglich eine Frage, wie sie verstanden und geübt werden.

Viele der Techniken die im heutigen Aikido geübt werden, gibt es ja nicht nur im daito ryû , sondern auch in anderen Schulen.
Techniken sind keine Linie oder Richtung, höchstens deren Bestandteil.
Wesentliche technische Prinzipien des daito ryu sind im heutigen Aikido größtenteils nicht vorhanden.


Das irimi nage hat Ueshiba doch zu einer Zeit "entwickelt", als sein Üben noch ganz ausdrücklich daitô ryû war und hieß?
Und die Ausführungen dazu, z.B. bei Shirata, sind schon ziemlich halsbrecherisch.


Stanley Pranin hat dazu ja was geschrieben zu welcher Zeit Ueshibas Irimi nage entstanden ist, so ende der 30er Jahre.
Takeda hat Ueshiba ja auch irgendwann nahegelegt, dass was er macht, nicht daito ryû zu nennen weil er mit bestimmten Veränderungen nicht einverstanden war.
Es gibt im daito ryû sicher Techniken, die man als Variationen oder Ausführungsformen von Irimi nage bezeichnen könnte, wenn es sie nicht schon gegeben hätte, bevor Irimi nage in der heutigen Form entstanden ist. Einiges was Shirata gezeigt hat und was wir auch heute noch üben, sind sicher solche ursprünglich von Irimi nage unterscheidbare Techniken, der Einfachheit halber sagen wir, das ist auch Irimi nage.
Ueshiba muss sich ja was gedacht haben, als er aus diesen Formen etwas neues entwickelte, bzw. eine Idee gehabt haben, was man damit üben soll.



So, wie ich es seit einer Weile verstehe, transportieren die Techniken für sich allein genommen kein aiki. aiki ist eine Fähigkeit, die man m.E. durch Soloübungen unabhängig davon erwerben und üben muß um die Techniken dann damit "füllen" zu können.
Und aiki für sich genommen ist nicht an äußere Formen gebunden.
Zu diesen Dingen hat es ja vor einigen Jahren bei aikiwebe lange Diskussionen gegeben.

Und es wird immer noch fleißig diskutiert was Aiki denn sei und wie man es übt...
Und natürlich transportieren Techniken für sich genommen kein Aiki, aber man kann es daran üben, wenn man weiß worauf es ankommt. Im daito ryu gab es die Unterscheidung zwischen jujutsu, aiki jujutsu und aiki no jutsu, im jujutsu-Level gab es kein Aiki, aber es waren die selben Techniken.
Aber nur durch Soloübungen kann man es ja auch nicht üben, man braucht das Medium mit dem man es "am Mann" tranieren kann.
Soloübungen bereiten den Körper dafür vor, mehr nicht.
Ueshiba hat Übungsformen entwickelt, die es leichter machen, bestimmte Aspekte von Aiki direkt mit einem Partner zu trainieren.

Gast
06-03-2017, 14:07
Hm, bei dieser Aussage kann ich nicht so richtig nachvollziehen, worauf du abzielst. Bzw. worauf du dich beziehst.


Auf widersprüchliche Aussagen von Leuten die einmal sagen, Aikido sei nie zum Kämpfen gedacht gewesen und auch nicht dazu geeignet, dann wieder die Meinung vertreten die Techniken des Aikido seien dazu entwickelt worden, Menschen nachhaltig zu schädigen oder zu töten...;)

carstenm
06-03-2017, 17:47
Ich schrieb das weiter oben, es gibt go no keiko, ju no keiko und ryu no keiko, das sind drei grundsätzliche Trainingsmethoden. Die unterscheiden sich aber nicht durch ein Level der Konfrontativität.Nein, das sind tatsächlich zwei unterschiedliche Paar Schuhe.


Es erstaunt mich, dass du meinst es gäbe darüber keine Berichte.Ich habe mich schon an anderen Stellen dazu geäußert, daß die Herausforderungen Ueshibas entweder im Sinne von pushtests abgelaufen sind. Oder als Situationen, in denen es ein klares Angreifer-Verteidiger Szenario gab.
Beide Situationen sind nicht das, was ich unter freiem Kampf verstehe.


Wesentliche technische Prinzipien des daito ryu sind im heutigen Aikido größtenteils nicht vorhanden.Welche technischen Prinzipien welcher Linie der daitô ryû sind deiner Ansicht nach in welcher Linie des heutigen aikidô nicht vorhanden?
Ich möchte mit diese Frage darauf hinaus, daß es ja doch eine imense Bandbreite gibt in der daitô ryû, ebenso wie auch im aikidô des aikikai.


Stanley Pranin hat dazu ja was geschrieben zu welcher Zeit Ueshibas Irimi nage entstanden ist, so ende der 30er Jahre.Diese Aussagen beziehen sich auf die ura-Form von irimi nage, von der John Stevens sogar behauptet, sie sei erst nach dem Krieg entstanden.
Andere Formen von irimi nage, findest du bereits in budo renshu von 1933. Nach Aussagen von Schüler aus jener Zeit damals schlicht kokyu nage genannt.


... der Einfachheit halber sagen wir, das ist auch Irimi nage. Ich kenne eine Gruppe von unterschiedliche Ausführungen unter dem Begriff irimi nage. Das sind im Wesnentlichen: Eine omote und eine ura Form. Eine sehr geradlinige Form, die dem shomen ate im shodokan ähnelt. Eine geradlinige Form, dich oft auch als ushiro kiri otoshi bezeichnet wird.
Ich nehme an, du beziehst dich auf die ura-Form, wenn du von irmi nage sprichst?


Ueshiba muss sich ja was gedacht haben, als er aus diesen Formen etwas neues entwickelte, bzw. eine Idee gehabt haben, was man damit üben soll.Nichtsdestotrotz sind ja die je anderen Formen nicht einfach weggefallen?


Aber nur durch Soloübungen kann man es ja auch nicht üben, man braucht das Medium mit dem man es "am Mann" tranieren kann.
Soloübungen bereiten den Körper dafür vor, mehr nicht.
Ok, da unterscheiden wir uns dann. Nach meiner Auffassung, die du ja kennst, hat man aiki oder kann es erzeugen ausschließlich im eigenen Körper.
Ein Partner ist hilfreich als Feedback um die Entwicklung zu überprüfgen.
Oder eben um zu üben, aiki anzuwenden.
Aber das haben wir ja zur Genüge schon diskutiert ...

carstenm
06-03-2017, 17:52
Auf widersprüchliche Aussagen von Leuten die einmal sagen, Aikido sei nie zum Kämpfen gedacht gewesen und auch nicht dazu geeignet, ... Ich bin nicht sicher, ob du damit mich meinst? Denn das ist nie meine Aussage gewesen.
Ich habe behauptet und tue es das noch, das im aikidô keiko kein Kämpfen geübt wird und auch früher nicht geübt wurde.
Das verhält sich ähnlich, wie mit der Einordnung der Herausforderungen Ueshibas, die ich ebenfalls nicht als Kämpfen verstehe.

Gast
06-03-2017, 22:36
Diese Aussagen beziehen sich auf die ura-Form von irimi nage, von der John Stevens sogar behauptet, sie sei erst nach dem Krieg entstanden.
...
Ich nehme an, du beziehst dich auf die ura-Form, wenn du von irmi nage sprichst?



ch weiß nicht was du als ura Form bezeichnest.
Ich weiß aber, was Rinjiro Shirata als ura Form gezeigt hat, dass ist aber nicht die heute im Aikikai geübte Form.
Es gibt darüberhinaus noch andere als die genannten Formen.

Gast
06-03-2017, 23:03
Oder eben um zu üben, aiki anzuwenden.


Richtig.
Und das ist es ja, worauf es ankommt (zumindest in der Kampfkunst), und woran es zumeist hapert. Das kommt aber nicht durch Solotraining. Darüberhinaus gibt es noch andere Aspekte (oder meinetwegen auch Definitionen) von Aiki.

Gast
07-03-2017, 09:48
Ich habe mich schon an anderen Stellen dazu geäußert, daß die Herausforderungen Ueshibas entweder im Sinne von pushtests abgelaufen sind. Oder als Situationen, in denen es ein klares Angreifer-Verteidiger Szenario gab. Beide Situationen sind nicht das, was ich unter freiem Kampf verstehe.

Was ist denn deiner Meinung nach ein freier Kampf?
Wenn jemand eine Herausforderung ausspricht oder sagt, greif mich irgendwie an, dann hat in dem Moment in dem der Angriff erfolgt, ein Kampf angefangen.
Bei jemandem wie Ueshiba ist dieser Kampf dann halt einfach ganz schnell vorbei, oder der Angreifer hat tatsächlich erkannt dass es sinnlos ist, irgendwas zu versuchen, wie es z.B. Tenryu beschrieben hat.
Auch dann ist der Kampf vorbei.
Wir haben im Karate viel "freies Kämpfen" geübt, aber mein Karate Lehrer hat auch immer gesagt, reelles Kämpfen geht anders, da muss der Kampf nach dem ersten oder zweiten Schlag zu Ende sein.
Dieses "freie Kämpfen" ist Spielen, mehr nicht, es ist kein Budô.
Aikido ist genau das nicht, Spielen.
Freies Kämpfen ist dann, wenn es kein Spiel ist, meist mit Waffen um zu töten (was Ueshiba gemacht hat), und auch dann ist es sehr schnell zu Ende.

carstenm
07-03-2017, 17:58
... das ist aber nicht die heute im Aikikai geübte Form.Ich erlebe im Rahmen des aikikai (ich meine damit nicht den Aikikai Deutschland) eine große Vielfalt von Formen, so daß es doch "die im aikikai geübte" Form nicht gibt.


Was ist denn deiner Meinung nach ein freier Kampf?Bezogen auf den Kontext hier meine ich damit eine Situation, in der die Rolle von Angreifer und Verteidiger nicht festgelegt sind.


... oder der Angreifer hat tatsächlich erkannt dass es sinnlos ist, irgendwas zu versuchen, wie es z.B. Tenryu beschrieben hat.Tenryu ist nun gerade ein Paradebeispiel für das, was ich meine:
Ueshiba hat ihm einen Arm hingehalten, ihn aufgefordert, den zu greifen und ihn eingeladen, ihn zu bewegen. Tenryu konnte Ueshibas Arm nicht heben und nicht verdrehen. Auch mit zwei Händen nicht. Schließlich hat ihn Ueshiba geworfen.

Solche beweg-mich-wenn-du-kannst Aufforderungen sind nach den Berichten doch wohl gut 90% der Herausforderungen gewesen.

Gast
07-03-2017, 18:03
Ich erlebe im Rahmen des aikikai (ich meine damit nicht den Aikikai Deutschland) eine große Vielfalt von Formen, so daß es doch "die im aikikai geübte" Form nicht gibt.


Ja, schön und gut, aber was meinst DU mit Irimi nage ura?

Die Standardformat ist ungefähr das was Doshu zeigt, aber das ist nicht ura.


I
Bezogen auf den Kontext hier meine ich damit eine Situation, in der die Rolle von Angreifer und Verteidiger nicht festgelegt sind.


Bezogen auf Ueshiba kann es so eine Situation nicht gegeben haben, denn es gab für ihn keinen Kampf in dem Sinne wie du das meinst.
Du weißt doch, "ich bin das Universum, und wer mich angreift hat schon verloren".

Gast
07-03-2017, 23:04
Diese Dialektik ist mir persönlich fremd und unverständlich. Ja, das wird mir aus dem, was du schreibst, immer wieder deutlich.
Aus meiner Sicht geht damit einer der wesentlichen Aspekte verloren und es bleibt dann - nach meinem Verständnis - nicht mehr als ein gemeinsames Tanzen der Partner. Die Art von sich bei fortgeschrittenen Partnern steigerndem Widerstand kann ja eigentlich nur eine rein körperliche Herausforderung sein, aber keine Abbildung eines Konfliktes?
Ja, so sehe ich das. Und deshalb übe ich persönlich auch kein Budo (abgesehen von dem rein formalen Aspekt der Mitgliedschaft in einem Aikido-Dojo). Oder wenn es bei dieser Art eine geistige Komponente gibt, dann würde ich sie als die Kunst des Nicht-Kämpfens bezeichnen.


Mit konfrontativ meine ich so etwas wie man es hier am Anfang sieht: https://m.youtube.com/watch?v=7J4WxbWc7DE. Shomenuchi Ikkyo ist mir ohnehin ein Rätsel, auch wenn wir es in meinem Dojo üben, aufgrund der völlig symmetrischen Ausgangslage: in der Anfangsphase (bis der Ikkyo-Haltegriff sitzt) können Uke und Nage jederzeit ihre Rollen tauschen. Für mich macht die Technik nur Sinn, wenn Tori schneller ist als Uke im Sinne von O-Sensei?s Shomenuchi Ikkyo: The old way… or the right way? by Stanley Pranin (http://blog.aikidojournal.com/2014/03/30/o-senseis-shomenuchi-ikkyo-the-old-way-or-the-right-way-by-stanley-pranin/) - aber das ist jetzt off-topic.

Wahrscheinlich täusche ich mich, aber für mich sieht es so aus, als würde Endo den Shomenuchi-Angriff einfach blocken - und das üben wir nun wirklich nicht. Der Teil seiner Vorführung ab 1:00 wäre wiederum voll kompatibel zu dem, was ich übe.

Auch das, was Doshu auf der selben Veranstaltung hier (1:25 bis 3:50) (https://www.youtube.com/watch?v=wlmAoQ5HYTk) gezeigt hat, wäre die Art von Aikido, das ich üben und lernen kann und will. Oder war das auch "nur" Tanzen?

Gast
08-03-2017, 09:21
Shomenuchi Ikkyo ist mir ohnehin ein Rätsel, auch wenn wir es in meinem Dojo üben, aufgrund der völlig symmetrischen Ausgangslage: in der Anfangsphase (bis der Ikkyo-Haltegriff sitzt) können Uke und Nage jederzeit ihre Rollen tauschen. Für mich macht die Technik nur Sinn, wenn Tori schneller ist als Uke im Sinne von O-Sensei?s Shomenuchi Ikkyo: The old way… or the right way? by Stanley Pranin (http://blog.aikidojournal.com/2014/03/30/o-senseis-shomenuchi-ikkyo-the-old-way-or-the-right-way-by-stanley-pranin/) - aber das ist jetzt off-topic.

Es ist nicht off-Topic, denn es ist doch ein Atemi, der diese angeblich symmetrische Ausgangslage zugunsten Toris verschiebt.
Es ist eben nicht so, dass Uke und Tori ihre Rollen jederzeit tauschen können wenn die Initiative klar von Tori ausgeht.
Auch wenn es andersherum geübt wird ist es trotzdem so, Tori erkennt Ukes Angriffsabsicht so früh, dass er noch in den Angriff reingeht bevor dieser seine Wirkung entfalten kann.
Das Initiieren des Angriffs spielt sich auf einer anderen Ebene ab.
Es ist aber keine symmetrische Ausgangslage.
Und es ist auch nicht "the old way", es wird bei uns heute noch genauso geübt wie das auf dem Video mit O Sensei zu sehen ist, die Initiative geht immer von Tori aus.

Gast
08-03-2017, 10:30
Wahrscheinlich täusche ich mich, aber für mich sieht es so aus, als würde Endo den Shomenuchi-Angriff einfach blocken - und das üben wir nun wirklich nicht.

Er löst die Angriffsenergie strukturell auf, das ist etwas was man von außen nicht sieht.
Blocken wäre, Kraft gegen die Angriffsrichtung zu erzeugen.

Für mich sieht es aber regelmäßig so aus, als würde uke in einer Distanz angreifen die es lediglich ermöglicht Endos Arm zu treffen, und nicht seinen Kopf, ich habe mir das mal in Einzelbildern angesehen.
Finde diese Angriffe nicht optimal.

Gast
08-03-2017, 12:13
Solche beweg-mich-wenn-du-kannst Aufforderungen sind nach den Berichten doch wohl gut 90% der Herausforderungen gewesen.

Was soll jemand wie Ueshiba denn auch sonst machen?
Was anderes als "schlag mich, greif mich an wenn du kannst" oder "beweg mich wenn du kannst" gibt es doch nicht. Sollte er, sich absichtlich auf den Kopf schlagen lassen, sich auf dem Boden rumwälzen oder was hätte er tun sollen damit es ein "echter Kampf" wird wie du ihn dir vorstellst? Was hätte es geändert?
Wie ich schon gesagt haben, echtes Kämpfen ist mit Waffen, und das hat er ja nachweislich gemacht.

carstenm
09-03-2017, 07:47
Was soll jemand wie Ueshiba denn auch sonst machen?Noch einmal:
Mir geht es lediglich darum, daß ich eine Situation, in der festgelegt ist, daß ein Partner ausschließlich angreift, während der andere ausschlielich verteidigt, nicht als freien Kampf verstehe. In dem, was ich als freien Kampf bezeiche, gibt es eine solche Festlegung nicht.


Wie ich schon gesagt haben, echtes Kämpfen ist mit Waffen, und das hat er ja nachweislich gemacht.Auch was den Überfall in der Mongolei angeht, bin ich vorsichtig, wenn daraus abgeleitet werden soll, daß Ueshiba kämpfen konnte. Es gibt Berichte darüber, daß die angreifenden Banditen eher schlecht bewaffnet waren. Ich meine mich zu erinnern, an einer Stelle davon gelesen zu haben, daß sie lediglich mit Holzknüppeln und Messer angegriffen haben.

An einer anderen Stelle wird berichtet, daß Ueshiba mongolische Kämpfer beeindrucken konnte, weil sie nicht bemerkt haben, daß die atemi, die demonstriert hat, auf bestimmte vitale Punkte gerichtet waren.

Ich denke es ist wichtig, daß wir die Sinnhaftigkeit unseres Übens aus eben unserem eigenen Üben ableiten.
Selbst wenn Ueshiba ein unbesiegbarer Kämüpfer gewesen wäre, würde das nichts für unser gegenwärtiges Üben austragen.

carstenm
09-03-2017, 07:50
Für mich sieht es aber regelmäßig so aus, als würde uke in einer Distanz angreifen die es lediglich ermöglicht Endos Arm zu treffen, und nicht seinen Kopf, ich habe mir das mal in Einzelbildern angesehen.Wenn es dir wichtig ist und du die Angriffe dieses Menschen in natura erleben möchtest, besteht dazu in gut zwei Wochen die Möglichkeit, ganz in deiner Nähe.
Wenn es dich interessiert, gerne per PM.

Gast
09-03-2017, 09:26
Ich denke es ist wichtig, daß wir die Sinnhaftigkeit unseres Übens aus eben unserem eigenen Üben ableiten.
Selbst wenn Ueshiba ein unbesiegbarer Kämüpfer gewesen wäre, würde das nichts für unser gegenwärtiges Üben austragen.


Das ist nicht mein Thema.
Ich frage lediglich, wie du dir "kämpfen" vorstellst

Gast
09-03-2017, 09:46
Noch einmal:
Mir geht es lediglich darum, daß ich eine Situation, in der festgelegt ist, daß ein Partner ausschließlich angreift, während der andere ausschlielich verteidigt, nicht als freien Kampf verstehe. In dem, was ich als freien Kampf bezeiche, gibt es eine solche Festlegung nicht.


Was ist denn "ausschließlich verteidigen"?
Nur Abwehr, aber keine Angriffstechniken, wie Atemi?
Ist ein Hebel, ein Wurf.. kein Angriff?

Der "Kampf" ergibt sich IMO, wenn die "Verteidigung" den Angriff nicht wirksam beendet.

Gast
09-03-2017, 11:14
Wenn es dir wichtig ist und du die Angriffe dieses Menschen in natura erleben möchtest

Das muss ich nicht.
Ist mir halt aufgefallen, dass der Abstand nicht ganz passt.

Gast
09-03-2017, 11:41
Noch einmal:
Mir geht es lediglich darum, daß ich eine Situation, in der festgelegt ist, daß ein Partner ausschließlich angreift, während der andere ausschlielich verteidigt, nicht als freien Kampf verstehe.

Wann ist das denn der Fall? Wenn man mal genau hinsieht, ist das ja selbst im Kata-Modus nicht so, am oben gezeigten Beispiel shomen uchi ikkyo sieht man das ja recht deutlich, da ist der "Verteidiger" eigentlich der Angreifer, da er seine Verteidigung mit einem Angriff vorbereitet.
Wie Aruna schreibt, würde eine Kampfsituation entstehen, wenn die Verteidigungstechnik nicht funktioniert. In einem "freien" Kampf kann sich ja einer auch auf die Position begeben, dass er wartet bis der andere zuerst angreift, das ist eine gängige Taktik.
Ueshiba war zudem sehr gut darin, Reaktionen zu "provozieren" und die Angreifer dann wie gewünscht zu bewegen oder sich bewegen zu lassen, die Wahl "frei" zu kämpfen hatten die nicht, er hat etwas initiiert, und schon man war in seiner Bewegung drin, ob man wollte oder nicht.
Wir haben da erst gestern noch was drüber gehört, das ist nicht nur theoretisches blabla gewesen, sondern er konnte es tatsächlich tun.
Freies Kämpfen heißt ja, beide sind sich einig dass sie gegeneinander Kämpfen möchten, und es ist möglich, weil beide die gleiche Vorstellung von Kampf haben, bei der es darum geht den anderen zu besiegen.
Mit Ueshiba war das war einfach nicht möglich, weil er gar nicht diese mentale Haltung hatte und etwas völlig anderes gemacht hat, und das auf einer Ebene die darüber hinaus geht was die meisten (auch die Mitglieder der IP-Gemeinde) sich so unter Aiki vorstellen.

carstenm
09-03-2017, 18:12
Ja, schön und gut, aber was meinst DU mit Irimi nage ura?Zunächst:
In meinem eigenen Üben benutze ich bei irimi nage die Begriff "omote" und "ura" nicht zur Unterscheidung der unterschiedlichen Formen.

Wenn aber jemand von "irimi nage ura" spricht, dann gehe ich davon aus, daß "ungefähr das was Doshu zeigt" gemeint ist. Wenn auch in meinem Kontext in einer Ausführung, wie die von Endô sensei, die sich davon dann noch einmal in den Details unterscheidet.

Die Form allerdings, die du in einem früheren thread einmal als irmi nage ura dargestellt hast, kenne ich, habe sie aber nur ein paarmal im Laufe der Jahre geübt und dann auch nicht unter der Bezeichnung irimi nage geübt.
(Erinnere ich mich richtig, daß die Form in dem Video von Noro sensei am Strand ein paarmal zu sehen ist?)


Was ist denn "ausschließlich verteidigen"?Ich habe das nicht technisch gedacht, sondern mir geht es um das Setting.
Es gibt viele Berichte darüber, wie Herausforderungen, die keine Pushtests waren, abgelaufen sind:
Ueshiba hat den Herausforderer gebeten, anzugreifen. Manchmal hat er einen bestimmten Angriff genannt. Manchmal hat er dem Angreifer die Wahl gelassen.
Er selbst ist in diesen Situtionen aber immer reaktiv geblieben. Der Herausforderer mußte die Initiative ergreifen.

Mir geht es um diese festgelegte Verteilung von Aktion und Reaktion. Nach meiner Erfahrung gehört mit zu den schwierigsten Aspekten des Kämpfens das Austarieren von Aktion und Reaktion zwischen den Parteien. Wenn diese Verteilung von vornherein festgelegt ist, finde ich es nicht angemessen den Vergleich als "freies Kämpfen" zu bezeichnen.


In einem "freien" Kampf kann sich ja einer auch auf die Position begeben, dass er wartet bis der andere zuerst angreift, das ist eine gängige Taktik.Jupp, und es gibt Taktiken, genau das nicht zuzulassen ... und Taktiken, sich diese Position dennoch zu erobern ...
Genau dieses Spiel wird aber verhindert, wenn diese Position im Vornherein garantiert wird und nicht erarbeitet werden muß.


Ueshiba war zudem sehr gut darin, Reaktionen zu "provozieren" ...Ich gehe davon aus, daß du die Berichte von Herausforderungen kennst? Ueshiba hat in allen mir bekannten Beschreibungen nicht "provoziert", und er hat auch nicht etwas initiiert.


Mit Ueshiba war das war einfach nicht möglich, weil er gar nicht diese mentale Haltung hatte und etwas völlig anderes gemacht hat, und das auf einer Ebene die darüber hinaus geht was die meisten (auch die Mitglieder der IP-Gemeinde) sich so unter Aiki vorstellen.Ueshiba war so weit, stand so sehr über allem, daß man mit ihm überhaupt gar nicht mehr kämpfen konnte? Hm, die Menschen die ihn erlebt haben und mir davon erzählt haben, haben ihn denn doch auffallend als Menschen aus Fleisch und Blut beschrieben.


Ist mir halt aufgefallen, dass der Abstand nicht ganz passt.Wie gesagt: Es gäbe ganz bald, in gut zwei Wochen, und ganz nah, räumlich gar nicht weit entfernt, die Möglichkeit, deine Wahrnehmung des Videos mit der realen Erfahrung zu vergleichen.
hingehen. erleben. wissen.

carstenm
09-03-2017, 19:12
Ja, so sehe ich das. Und deshalb übe ich persönlich auch kein Budo (abgesehen von dem rein formalen Aspekt der Mitgliedschaft in einem Aikido-Dojo). Oder wenn es bei dieser Art eine geistige Komponente gibt, dann würde ich sie als die Kunst des Nicht-Kämpfens bezeichnen.Es klingt wohl wie eine Platitüde. Aber ich denke tatsächlich, daß man von einer Kunst des Nicht-Kämpfens nur dann sprechen kann, wenn man kämpfen (oder was nun auch der adäquate Begriff sein mag) kann. Wenn die Situation, die du übst wirklich auch in letzter Konsquenz niemals die Abbildung eines Konfliktes darstellt, wirst du nach meinem Dafürhalten nicht Nicht-Kämpfen lernen und üben.


Shomenuchi Ikkyo ist mir ohnehin ein Rätsel, auch wenn wir es in meinem Dojo üben, aufgrund der völlig symmetrischen Ausgangslage: in der Anfangsphase (bis der Ikkyo-Haltegriff sitzt) können Uke und Nage jederzeit ihre Rollen tauschen. Für mich macht die Technik nur Sinn, wenn Tori schneller ist als Uke ... Wenn tori aiki anwendet, ist die Situation nicht symmetrisch. (Sondern es entsteht z.B. die von Inryoku beschriebene Wahrnehmung, der Angriff sei von Anfang an zu kurz dimensioniert.)
Aber auch die äußere Form der kata verändert doch schon diese scheinbare Symmetrie, indem sie Winkel, Distanzen etc. moduliert?


Wahrscheinlich täusche ich mich, aber für mich sieht es so aus, als würde Endo den Shomenuchi-Angriff einfach blocken - und das üben wir nun wirklich nicht. Inryoku hat es ja schon gesagt: Die Aufnahme findet gewissermaßen innerhalb des Körpers statt.


Auch das, was Doshu auf der selben Veranstaltung hier (1:25 bis 3:50) (https://www.youtube.com/watch?v=wlmAoQ5HYTk) gezeigt hat, wäre die Art von Aikido, das ich üben und lernen kann und will. Oder war das auch "nur" Tanzen?Nein, denn dôshu geht - wenn ich es denn bisher richtig verstanden habe - durchaus von einem Konflikt als Grundsituation aus. Und löst diesen Konflikt dann. Bzw. läßt ihn sich selbst lösen, sozusagen.
Die Menschen, die mir davon erzählt haben, wie es war, mit ihm zu üben, auch als Partner im Unterricht eines anderen Lehrers, haben das durchaus nicht als Tanz erlebt.

Gast
09-03-2017, 19:35
Es ist nicht off-Topic, denn es ist doch ein Atemi, der diese angeblich symmetrische Ausgangslage zugunsten Toris verschiebt.
Es ist eben nicht so, dass Uke und Tori ihre Rollen jederzeit tauschen können wenn die Initiative klar von Tori ausgeht. Auch wenn es andersherum geübt wird ist es trotzdem so, Tori erkennt Ukes Angriffsabsicht so früh, dass er noch in den Angriff reingeht bevor dieser seine Wirkung entfalten kann.
Die Symmetrie wird gebrochen, indem Tori die Initiative ergreift. Das kann ich verstehen. In meiner Übungspraxis des letzten Jahres kam Shomenuchi Ikkyo nur sehr selten vor, aber gerade im Training mit einem erfahrenen Aikidoka war es offensichtlich, dass Ikkyo nur funktioniert, wenn ich reagiere, so bald der Arm von Uke nach oben geht. Sonst kommt es zu einem Bruch im Bewegungsfluss oder ich als Nage wäre auf die gnädige Mithilfe von Uke angewiesen.


Das Initiieren des Angriffs spielt sich auf einer anderen Ebene ab.
Es ist aber keine symmetrische Ausgangslage.
Und es ist auch nicht "the old way", es wird bei uns heute noch genauso geübt wie das auf dem Video mit O Sensei zu sehen ist, die Initiative geht immer von Tori aus.
Die anderen Ebenen sind noch zu hoch für mich. Zum klassischen Weg habe ich ein (ich nehme an bekanntes) Video gefunden, wo das gut erklärt wird: Morihiro Saito's Shomenuchi Ikkyo Omote: Most mess up this technique from the start! (https://www.youtube.com/watch?v=YEyrDYwC5D8#t=0m53) Es ist eigentlich bemerkenswert, dass durch diese Art ein fließender Bewegungsablauf entsteht (was mir wichtig ist). Würde Uke abweichen, dann könnte ihn ein Atemi treffen, so wie es Saito demonstriert hat.

Zum Vergleich:
Deutlicher als in Carstens Link zeigt Seishiro Endo hier Shomenuchi Ikkyo:
Shomen-uchi_Seishiro Endo Shihan (https://www.youtube.com/watch?v=sKmzBh3NZVY) Er "löst also die Angriffsenergie strukturell auf, was man von außen nicht sieht." Für mich sieht das aus wie Blocken, also Kraft gegen die Angriffsrichtung zu erzeugen. Jedenfalls würde das herauskommen, wenn ich das nachahmen würde. Hier wird die äußere Symmetrie dadurch gebrochen, dass Uke seinen linken Arm teilnahmslos nach unten baumen lässt, während er mit dem rechten mit Shomenuchi angreift. Sonst könnte Uke, von dem die Initiative ausgeht, den Arm von Nage mit beiden Händen ergreifen und selber Ikkyo Omote ausführen (oder es zumindest versuchen). Daher ist das, was Seishiro Endo hier zeigt, völlig unverständlich für mich.

carstenm
09-03-2017, 20:24
Für mich sieht das aus wie Blocken, also Kraft gegen die Angriffsrichtung zu erzeugen.Das ist gar nicht so verkehrt: Es geht tatsächlich um eine Begegnung (deai) nicht um ein Begleiten. Der Angriff wird angehalten: Das ist die Formulierung, die Christian Tissier früher gerne benutzt hat. Es kommt zu einem clash und tatsächlich kann man manchmal auch einen klatschenden Laut hören.
Diese Begegnung aber ist "unter der Oberfläche" sehr weich - wenn sie gelingt.


... Sonst könnte Uke, von dem die Initiative ausgeht, den Arm von Nage mit beiden Händen ergreifen und selber Ikkyo Omote ausführen (oder es zumindest versuchen).Auch wenn man es nicht sieht, wird uke auf eine Weise kontrolliert, die es ihm nicht erlaubt, den freien Arm einzusetzen.
Aber auch selbst wenn er ihn an den Ellenbogen von tori bringen würde, wie z.B. um selber ikkyo auszuführen, hilft das tori interessanterweise: Er bekommt noch einen Kontakt (atari) mehr geschenkt, durch den er uke bewegen kann.

Ich übe das manchmal ganz bewußt, um zu lernen, mit dieser Situation umzugehen.

carstenm
09-03-2017, 21:10
Ich denk die ganze Zeit schon: Irgendwie gehört ein Video von Arikawa sensei hier in den thread. :)
Einfach zur Auflockerung.

Bitteschön: https://youtu.be/TKgZCEnhaiA

Gast
09-03-2017, 21:14
Auch wenn man es nicht sieht, wird uke auf eine Weise kontrolliert, die es ihm nicht erlaubt, den freien Arm einzusetzen.
Aber auch selbst wenn er ihn an den Ellenbogen von tori bringen würde, wie z.B. um selber ikkyo auszuführen, hilft das tori interessanterweise: Er bekommt noch einen Kontakt (atari) mehr geschenkt, durch den er uke bewegen kann.
Dann könnte ich die Argumentation wieder umkehren: Wenn es tori hilft, zwei Kontakte geschenkt zu bekommen, warum hilft es dann nicht uke, wenn tori beim Eingang von Ikkyo die Initiative ergreift, wie es in den Videos von Ueshiba und Saito zu sehen ist? Siegt dann derjenige mit mehr "aiki" oder dem besseren Timing? Aber im Aikido darf es ja keine Sieger geben. Oder beide Partner fügen sich in die vom Sensei vorgegebene Kata. Aber dann gibt es keinen Konflikt zum Auflösen. :confused:


Aber ich denke tatsächlich, daß man von einer Kunst des Nicht-Kämpfens nur dann sprechen kann, wenn man kämpfen (oder was nun auch der adäquate Begriff sein mag) kann. Wenn die Situation, die du übst wirklich auch in letzter Konsquenz niemals die Abbildung eines Konfliktes darstellt, wirst du nach meinem Dafürhalten nicht Nicht-Kämpfen lernen und üben.
Das ist ja fast schon ein Koan: ich übe nicht Kämpfen, aber auch nicht Nicht-Kämpfen; eine Kunst ist das, was ich übe dann auch nicht zu nennen, wenn ich weder kämpfen noch nicht-kämpfen können werde. :gruebel:

aikibunny
09-03-2017, 21:25
.
Mit Ueshiba war das war einfach nicht möglich, weil er gar nicht diese mentale Haltung hatte und etwas völlig anderes gemacht hat, und das auf einer Ebene die darüber hinaus geht was die meisten (auch die Mitglieder der IP-Gemeinde) sich so unter Aiki vorstellen.

Was stellen wir uns denn so vor, und woher willst Du wissen, was völlig anders war oder darüber hinausgeht? Immerhin kennen und fühlen wir die Leute, mit denen wir üben, Du spekulierst bei Ueshiba über jemand, den Du nie getroffen hast. Aber sicherlich zweiter Hand ganz gut aus Geschichten von vor über 50 Jahren kennst.

carstenm
10-03-2017, 07:04
Dann könnte ich die Argumentation wieder umkehren: ... Das ist ein Mißverständnis: Ich versuche nicht verschiedene Formen verschiedener Lehrer oder Linien theoretisch argumentativ zu diskutieren. Sondern ich habe lediglich versucht, die Form zu verdeutlichen, die ich von meinen Lehrern lerne und übe.
Ich spreche über meine Erfahrungen.

Das war einer der Gründe, warum ich oben gefragt habe, in welcher Linie du übst. Denn es geht darum, die Formen im Kontext der eigenen Traditionslinie zu verstehen. Erst dann, wenn man sich der eigenen Form einigermaßen sicher ist, kann man versuchen, das Wesen dieser Form auch in anderen Linien wiederzuerkennen.
Ich bin z.B. der Meinung, daß sich das ikkyo von Saito sensei und das ikkyo von Endô sensei zwar in Details unterscheiden. Im Wesentlichen aber gleich sind.




Wenn es tori hilft, zwei Kontakte geschenkt zu bekommen, warum hilft es dann nicht uke, wenn tori beim Eingang von Ikkyo die Initiative ergreift, wie es in den Videos von Ueshiba und Saito zu sehen ist?M.E. ist die Situation zwischen den Partnern niemals symmetrisch. Ob über die äußeren Parameter, wie Distanzen, Winkel, Haltung der Arme ... oder über die innere Arbeit - jede Form ist darauf bedacht, die Symmetrie zugunsten tori zu verschieben.

Ich habe zu Beginn gelernt, daß es wichtig sei, daß toris Ellenbogen unten ist, während der Ellenbogen von uke nach oben gebracht wird. Bei Saito sensei ist das ein Effekt des initiativen Schlages von tori. Bei anderen Lehrern wird das über eine Veränderung des Winkels hergestellt. Oder durch eine bestimmte Form der Aufnahme. Oder ...
In keinem Fall ist die Situation aber einfach symmetrisch.


Siegt dann derjenige mit mehr "aiki" oder dem besseren Timing? Einer meiner Lehrer sagt: Es "gewinnt" derjenige, der mehr aiki hat.


Aber im Aikido darf es ja keine Sieger geben. Es gibt jedenfalls einen, der stehen bleibt und einen der am Boden liegt ...
Im Training ist das für beide befriedigend, beglückend, berreichernd, gut, angenehm ... darum macht es keinen Sinn, einen der Beiden "Sieger" zu nennen.
Nichtsdestotrotz: Beide möchten stehen bleiben. Einem gelingt das. Einem gelingt das nicht.


Oder beide Partner fügen sich in die vom Sensei vorgegebene Kata. Aber dann gibt es keinen Konflikt zum Auflösen. Dann gibt es vor allem überhaupt gar kein Üben ...


Das ist ja fast schon ein Koan: ich übe nicht Kämpfen, aber auch nicht Nicht-Kämpfen; eine Kunst ist das, was ich übe dann auch nicht zu nennen, wenn ich weder kämpfen noch nicht-kämpfen können werde. Für mich ist es sehr viel banaler:
Wenn man nicht übt, mit einem Konflikt umzugehen, kann man nicht lernen, mit einem Konflikt umzugehen.

Wenn ich Gewaltfreie Kommunikation lernen und üben möchte, funktioniert das nicht wenn ich sage: "Die Erde ist eine Scheibe" und mein Gesprächspartner antwortet: "Genau! Du hast recht! Ich habe dich lieb! Kuscheln!"
Deswegen müssen Menschen, die sich gut leiden können, Konflikte "spielen". Sonst könnten wir uns nicht üben in dieser Methode.

Wenn ich die Kunst lernen möchte, nicht zu kämpfen, dann geht das - meiner Meinung nach - nur in Übungsfeldern, in denen kämpfen als eine adäquate Antwort auf die Situation erscheint.
Und darüber hinaus halte ich es für die höchste Kunst, die Fähigkeit zu haben, diese Situation tatsächlich auch durch Kampf lösen zu können, aber sie dennoch durch nicht kämpfen zu lösen.


Das ist ja fast schon ein Koan: ich übe nicht Kämpfen, aber auch nicht Nicht-Kämpfen.Oder noch mal anders:
Du schreibst ja selber, daß du die Dialektik, von der ich immer wieder spreche, für dein Üben nicht hast und auch nicht möchtest. Das genau drückt m.E. auch deine Rückfrage aus. Es ist eben gerade kein koan mehr, da die Widersprüchlichkeit, das paradoxe Element, das viele koan auszeichnet, eben gerade fehlt.
(Ich kenne es übrigens auch aus dem Buddhismus so, daß man Gleichmut und Gewaltfreiheit gerade in Konfliktsituationen übt.)

Du übst, dich zu bewegen. Ohne jedes Element eines Konfliktes, sei es auf körperlicher oder geistiger Ebene. Nach meiner Erfahrung ist das genau das, was man Ki no michi findet. Oder z.B. auch in der Kontaktimprovisation. In beidem kann die Beziehung der Partner körperlich sehr stark, sehr intensiv sein. Es kann ein hohes maß an "Energie", "Richtung", "Wille", "Bewegung" angeboten werden, mit dem dann der Partner umgehen darf. Das alles aber, ohne an einem Konflikt zu arbeiten. Beides ist sehr intensives Arbeiten!

Aber dir ist es ja wichtig, aikidô zu üben. So, wie es in eurem dôjô geübt wird. Du scheinst dort mit deiner Art zu üben ja gut aufgehoben zu sein. Und ich glaube, das ist erstmal das Wichtigste: Hauptsache, für dich ist es richtig!

Es wird bestimmt spannend sein, diese Gedanken in zwanzig Jahren wieder zu lesen aus der Sicht, die man dann entwickelt haben wird ...

Gast
10-03-2017, 10:41
Die Form allerdings, die du in einem früheren thread einmal als irmi nage ura dargestellt hast, kenne ich, habe sie aber nur ein paarmal im Laufe der Jahre geübt und dann auch nicht unter der Bezeichnung irimi nage geübt.

Ich weiß nicht mehr was ich irgendwann mal als Irimi nage ura dargestellt habe, ich habe tatsächlich längere Zeit eine bestimmte Bewegung als ura bezeichnet, in dem Strand Video habe ich die aber nicht gesehen.
Was ich bei Shirata als ura Form gesehen habe, ähnelt in der Anfangsbewegung der Form die wir in ähnlicher Form von Doshu kennen, nur macht Shirata keinen Vorwärtsschritt wie Doshu (weder bei ura noch bei omote) , aber bei der Ura Form dreht er weiter und wirft uke nicht nach vorne, sondern eher hinter sich.
Ich kenne diese Bewegung auch von Asai in ähnlicher Art.


Er selbst ist in diesen Situtionen aber immer reaktiv geblieben. Der Herausforderer mußte die Initiative ergreifen..

Ueshiba war niemals "reaktiv".


Ich gehe davon aus, daß du die Berichte von Herausforderungen kennst? Ueshiba hat in allen mir bekannten Beschreibungen nicht "provoziert", und er hat auch nicht etwas initiiert.


Nicht in dem Sinne, dass er eine Konfliktsituation provoziert oder initiiert hätte.
Aber er hat die Bewegung eingeleitet, und ukes Bewegung in gewünschter Weise initiiert.
Ich denke du weißt, wie ich das meine.



Jupp, und es gibt Taktiken, genau das nicht zuzulassen ... und Taktiken, sich diese Position dennoch zu erobern ...
Genau dieses Spiel wird aber verhindert, wenn diese Position im Vornherein garantiert wird und nicht erarbeitet werden muß.

Ueshiba hat dieses Spiel nicht gespielt. Er hat gesagt dass es für ihn keine Unterscheidung gibt zwischen Angreifer und Verteidiger.
Er konnte das sagen, und er konnte es machen.


Hm, die Menschen die ihn erlebt haben und mir davon erzählt haben, haben ihn denn doch auffallend als Menschen aus Fleisch und Blut beschrieben.

Genau, das was er.
Und die gleichen Leute die mir versichert haben was er tun konnte, haben ihn in anderen Situation als lieben und freundlichen Opa erlebt.



Wie gesagt: Es gäbe ganz bald, in gut zwei Wochen, und ganz nah, räumlich gar nicht weit entfernt, die Möglichkeit, deine Wahrnehmung des Videos mit der realen Erfahrung zu vergleichen.
hingehen. erleben. wissen.

Wie gesagt, das muss ich nicht.
Ich sehe das bei diesem einen Uke, bei anderen, wie z.B. Ariga, nicht. Kann auch sein dass es am Video liegt, aber wie gesagt habe ich es mir einige male angesehen, die Bilder angehalten und die Position gecheckt.

carstenm
10-03-2017, 10:48
Ich sehe das bei diesem einen Uke, bei anderen, wie z.B. Ariga, nicht. Kann auch sein dass es am Video liegt, aber wie gesagt habe ich es mir einige male angesehen, die Bilder angehalten und die Position gecheckt.Ooohhhh ... über welches Video und welche Stelle sprechen wir? Ich nahm an, du meinst Ariga.