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Vollständige Version anzeigen : Nahkampfausbildung bei Reichswehr und Wehrmacht



SchnitzelHUNTER1982
27-08-2016, 00:28
Hallo,

ich habe eine Frage für den historischen Bereich:

Nach welchen Methoden wurde bei Reichswehr und Wehrmacht für den Nahkampf ausgebildet?

Nein, ich will nichts davon nachhampeln.

Aber es würde ich interessieren wie Uropa und Opa dereinst lernten, Bajonett, Grabendolch und zur Not auch den Spaten zu benutzen. Und natürlich auch waffenlose SV.

Gibt es dazu Literatur?

Für eure Antworten schon jetzt vielen Dank!

Gruß, SchnitzelHUNTER

gast
27-08-2016, 02:01
Guckstu hier:

http://www.kampfkunst-board.info/forum/f77/deutsche-nahkampfschule-wkii-79677/

Franz
27-08-2016, 07:00
Zur Wehrmacht gibt es Bücher war nicht wirklich speziell

gast
27-08-2016, 12:16
Hab da noch was in den Bookmarks gehabt:

https://de.scribd.com/document/38601229/Nahkampf-Schule-Hermann-Teske

1930, dürfte also Reichswehr sein. Wie Franz schon geschrieben hat, ist die Nahkampfausbildung so gut wie gar nicht praktiziert worden, vielleicht mal bei Kommandoeinheiten, wie den Brandenburgern.
Unter Nahkampf versteht man in modernen Kriegen ja auch nicht exklusiv den Kampf Mann gegen Mann, so auch bei der Wehrmacht. Siehe "Nahkampfspange".

zocker
27-08-2016, 12:20
... Siehe "Nahkampfspange". ...


Gäbe es diese Auszeichnung theoretisch noch bei der bw?


Gruss

derlange
27-08-2016, 12:33
Es gibt das relativ bekannte Buch Abwehr englischer Gangstermethoden/Ganovenmethoden im Internet. https://archive.org/details/Abwehr_Englischer_Gangster_Methoden_Defense_of_Eng lish_gangsters_methods

Das war wohl als Gegenstück für Fairbairns Get Tough und Silent Killing gedacht. Inwieweit sowas ausgebildet wurde, weiß ich nicht. Einer meiner Opas wurde 1943 zur Infantrie eingezogen und hat bei der Wiederbewaffnung Österreichs 2 mal im Sommer Leute in Jagdkampfkursen ausbilden müssen. Irgendwelche Nahkampfsachen wie wir sie aus dem Kampfsport kennen und das Buch Abwehr englischer Gangstermethoden kannte der überhaupt nicht. Mit dem Lauf gerade nach vorne Richtung Hals und Kopf stoßen. Granaten, Dolch, Spaten, Pistole beschaffen und rechtzeitig an der Koppel griffbereit machen. Solche Sachen kannte er. Hat aber - wie viele - in der Jugend gerungen und geboxt und ist mit harter körperlicher Arbeit aufgewachsen.

Aber er meinte auch dass 43 die Ausbildung recht minimalistisch war weil nach der Niederlage bei Kursk für die sowjetischen Gegenoffensiven jeder Mann gebraucht wurde. 2 Monate schleiffen und dann 6 Wochen Gefechtsausbildung wo möglichst nah am realen Gefecht gearbeitet wurde. Kann sein, dass die Soladaten in der Ausbildung ansonsten etwas mehr gelernt haben.

Nite
27-08-2016, 12:37
@Zocker:
Nur bei ehemaligen Wehrmachtsangehörigen die ihre Auszeichnungen weiter tragen durften, die sind inzwischen allerdings längst ausgeschieden

KreuzAs
27-08-2016, 12:40
Gäbe es diese Auszeichnung theoretisch noch bei der bw?


Nein.

Es gab natürlich viele kriegsgediente Bundeswehrsoldaten die Träger der Nahkampfspange waren. Diese sind aber schon länger nicht mehr im Dienst.

Was es gibt ist die https://de.wikipedia.org/wiki/Einsatzmedaille_Gefecht.

gast
27-08-2016, 12:58
Dürfte klar sein, aber damit wir es schwarz auf weiß hier nochmal stehen haben:


Der als Pionierschanzzeug bezeichnete Kurzspaten wurde schon im Ersten Weltkrieg durch die Sturmbataillone als Nahkampfwaffe beim Handstreich auf feindliche Grabenstellungen eingesetzt. Diese sind jedoch nur auf kürzeste Entfernung von Bedeutung und bei einem mit einer Schusswaffe ausgerüsteten Gegner nur untergeordnet.
Die Anwendung von körperlichen Techniken ist im militärischen Nahkampf die Ausnahme. So stellte der General Hermann Geyer schon nach dem Ersten Weltkrieg in seinem Handbuch Der Angriff im Stellungskrieg fest: „Der Nahkampf wird mit der Schusswaffe entschieden.“ Im Orts- und Häuser- sowie bedingt im Waldkampf kann es jedoch noch zum waffenlosen Nahkampf und mit Behelfswaffen kommen. Dabei ist es jedoch grundsätzlich nicht möglich, sich dem Gegner lautlos anzunähern. Im Grabenkampf des Ersten Weltkriegs erfolgte die überraschende Annäherung häufig unter dem Feuer eigener schwerer Waffen, deren Einschlag eigene Annäherungsgeräusche überlagerte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Nahkampf#Nahkampf_ohne_Sportcharakter

Franz
27-08-2016, 14:17
Bei den EK 1 und EK 2 Lehrgängen kamen zumindest vor 20 Jahren noch ähnliche Techniken wie in dem WK2 Buch der Reichswehr vor.
ZB fesseln am Baum mit den Beinen ohne Seil.
Die harten steifen Standardblocks.
Schulterwurf
usw.
Eine richtige Evolution hatte nicht stattgefunden.
Einzelne Einheiten haben Krav Maga als Crash Programm mit drin aber nicht offiziell sondern als Zusatzangebot zB an der Hochschule. Die Sondereinheiten wie KSK holen eh immer verschiedene Referenten um zu sehen wie sie aufgestellt sind und kombinieren das so wie sie es brauchen oder nehmen es zur Kenntnis. Die meisten überschätzen den waffenlosen Teil beim Militär hinsichtlich der Effektivität total.

zocker
27-08-2016, 14:22
Nein.

Es gab natürlich viele kriegsgediente Bundeswehrsoldaten die Träger der Nahkampfspange waren. Diese sind aber schon länger nicht mehr im Dienst.

Was es gibt ist die https://de.wikipedia.org/wiki/Einsatzmedaille_Gefecht.


Besser als nichts,


Gruss

Willi von der Heide
27-08-2016, 14:42
Nach welchen Methoden wurde bei Reichswehr und Wehrmacht für den Nahkampf ausgebildet?

Aber es würde ich interessieren wie Uropa und Opa dereinst lernten, Bajonett, Grabendolch und zur Not auch den Spaten zu benutzen. Und natürlich auch waffenlose SV.

Gibt es dazu Literatur?


Maßgeblich ist die HDV ( Heeresdienstvorschrift ) 475 von 1934. Unter dem Punkt " Vorschlag für Leibesübungen " gibt es den Unterpunkt " Nahkampf ".
Die Techniken stammen aus dem Rahnschen " Jiu-Jitsu ". Das ganze war eher Beiwerk und wurde am Rande abgehandelt.
Die diversen Divisionskampfschulen haben auch danach gearbeitet und mal intensiver und mal weniger gemacht. Da gab es auch die Vertiefung von Spezialthemen - Ja.

Der " Nahkampf " wurde mit Mpi, Pistole, Handgranate, Seitengewehr und zur Not dem Spaten geführt. Sehr viel mehr war da nicht.

Ausnahme waren sicherlich die Jagdkommandos der Waffen-SS, die " Brandenburger " ( zbV 800 ) oder die Kampfschwimmer. Die lernten etwas mehr.
Die " Nahkampfspange " der Wehrmacht hatte nichts mit unbewaffnetem Nahkampf zu tun. Nahkampf war nach damaliger Definition noch alles unter 50 Meter.

zocker
27-08-2016, 14:47
... Ausnahme waren sicherlich die Jagdkommandos der Waffen-SS, ...

Was war das genau für eine truppe innerhalb der Waffen SS?


Gruss

Willi von der Heide
27-08-2016, 14:49
So ... eigentlich hätte ich mit der Reichswehr beginnen sollen, war ja der Vorläufer.

Da gab es nur die " Vorschrift für das Gewehrfechten " - Anleitung für Kompanieführer von 1916.
Das wurde nicht verändert und 1 zu 1 bei der Wehrmacht übernommen.

Das Seitengewehr spielte natürlich im 2. Weltkrieg nicht mehr die Rolle wie im 1.

Und Nein - bei der Wehrmacht wurden die Bajonette nicht angeschliffen ! Ist ein urbaner Mythos, der sich hartnäckig hält. Was einzelne Soldaten machten, steht auf einem anderen Blatt.

Das Gewehrfechten hatte bei den preußischen Heeren, der Reichswehr und später bei der Wehrmacht einen gewissen Stellenwert.

Willi von der Heide
27-08-2016, 14:56
Hier geht es zwar nicht um die Bundeswehr, aber interessant ist vielleicht noch folgende Info:

Es gab mal einen Artikel von einem Mitarbeiter des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss in dem sinngemäßt folgendes stand:
" Heuss war ein Gegner der Bundeswehr, um ihrer Aufstellung zuzustimmen, verlangte er etliche Zugeständnisse, darunter den Verzicht auf Bajonett-Ausbildung.
Er hatte vor dem ersten Weltkrieg in der Württembergischen Armee gedient und hatte das Bajonettfechten als üblen Drill und Schikane in Erinnerung. "

Für die Bajonettausbildung wurden übrigens immer ausgeschoßene und überflüßige Gewehre verwendet. Pflanzt man ein Bajonett auf ein Gewehr auf, verändert sich natürlich die Treffpunktlage. Ja, die Russen haben während des 2. Weltkrieges ihre Mosin Nagant Gewehre mit aufgepflanztem Bajonett eingeschoßen, das ist richtig. Wurde bei der WH aber nicht gemacht.

Willi von der Heide
27-08-2016, 15:04
Hier noch ein interessanter Link:

http://www.seitengewehr.de/FechtwaffenArmeePreussen.pdf

Ich find es jetzt nicht wieder, aber es gab letztes Jahr einen Fachvortrag. Ich meine beim Kuratorium zur Förderung historischer Waffensammlungen, da ging es um die Ausbildung im Gewehrfechten bei der Reichswehr. Such ich mal raus.

derlange
27-08-2016, 15:25
Wie interessant ist denn die Heeresdienstvorschrift 475? Sieht die Körperertüchtigung anders als heutzutage aus oder war das damals schon der selbe Kram?

Nite
27-08-2016, 15:37
Was war das genau für eine truppe innerhalb der Waffen SS?


Gruss
Spezialkräfte unter der Leitung von Otto Skorzeny, vergleichbar mit den Brandenburgern.
Aufgestellt ab 1944, zum Teil auch mit Personal der Brandenburger aufgestellt nachdem die Division Brandenburg 1944 in eine reguläre Panzergrenadierdivision umgegliedert wurde.

Willi von der Heide
27-08-2016, 16:43
Wie interessant ist denn die Heeresdienstvorschrift 475? Sieht die Körperertüchtigung anders als heutzutage aus oder war das damals schon der selbe Kram?

Gymnastik, Turnen, Ballspiele, Schwimmen ( wo möglich ) und Marschieren.

Das war es im großen und ganzen.

derlange
27-08-2016, 17:43
Gymnastik, Turnen, Ballspiele, Schwimmen ( wo möglich ) und Marschieren.

Das war es im großen und ganzen.

Danke.

Ich hab vor kurzem beim stöbern ein Paper zur sportlichen Trainingsmethodik der Reichswehr gefunden. Ist für mich nicht besonders interessant da mir der sportwiss. Hintergrund fehlt und ich nicht viel damit anfangen kann. Aber vllt. gibt es hier einen Sportwissenschafter oder Fitness-Nerd den das interessiert.

SchnitzelHUNTER1982
04-09-2016, 21:10
Sehr interessante Antworten dabei,
vielen Dank für das reinstellen der Links!

Willi von der Heide
04-09-2016, 21:32
Sehr interessante Antworten dabei,
vielen Dank für das reinstellen der Links!

Gern Geschehen !

Beowulf
05-09-2016, 08:14
Hier mal die Verleihungskriterien für die Nahkampfspange der Wehrmacht in allen 3 Stufen.

http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Orden/nks.html

und hier für die Einsatzmedaille Gefecht der BW:


https://de.wikipedia.org/wiki/Einsatzmedaille_Gefecht

Daraus sollte für Jeden ersichtlich werden, das die beiden Auszeichnungen, weder nach ihren Verleihungskriterien, noch in ihrer Wertigkeit irgend etwas gemeinsam haben.