Vollständige Version anzeigen : Goethes Faust - Interpretation einer Strophe/eines Satzes
Budoka_Dante
30-01-2012, 11:40
Hallo !
Ich überlege gerade, wie ein bestimmter Satz in Goethes Faust gemeint sein könnte, er ergibt für mich überhaupt keinen Sinn.
Es geht um den pinken Text hier:
Carrepunkt Zimmertheater Page 19. (http://www.carrepunkt.de/index_19.htm)
Genauer um den Satz
"Allein an läßt's auch alles sein"
kurz vor dem Schluss, aber ich kann damit nichts anfangen.
Kennt jemand das Stück besser als ich und/oder möchte seine Gedanken dazu äußern?
Noctophiler
30-01-2012, 12:41
Hallo,
"Allein man läßt´s auch alles sein"
ich versteh das so, dass Schönheit alles positive ist, was Gretchen sonst am Leib trägt.
Da ihre Klamotten usw. ansonsten ihre Armut erkennen lassen ->
"Man lobt euch halb mit Erbarmen."
Im Gegensatz zu jetzt, wo sie den Schmuck hat und sie völlig anders aussieht.
Gruß,
Noctophiler
Indariel
30-01-2012, 13:51
"Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
Das ist wohl alles schön und gut,
Allein man läßt´s auch alles sein"
Ich sehe es ähnlich wie der Noctophile, dass Gretchen die Schönheit und die Jugend auf sich selbst bezieht, es jedoch auch das einzige ist dass sie vorzuweisen hat.
Man muss sich den Kontext ansehen:
Faust hat ihr mithilfe von Mephisto das Kleinod anonym da hin gelegt. Warum anonym? Gretchen wird als keusch und fromm dargestellt, als absolut tugendhaft. Mephistos und Faustens Strategie ist das Gegenteil. Sie versuchen, Gretchens Reinheit zu untergraben, damit Faust eine Chance bei ihr hat.
V. 2792ff.:
Ein Schmuck! Mit dem könnt eine Edelfrau
Am höchsten Feiertage gehn.
Wie sollte mir die Kette stehn?
Wem mag die Herrlichkeit gehören?
Gemeint wird die Hochzeit sein.
(Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel.)
Wenn nur die Ohrring meine wären!
Man sieht doch gleich ganz anders drein.
Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
Das ist wohl alles schön und gut,
Allein man läßt's auch alles sein;
Man lobt euch halb mit Erbarmen.
Nach Golde drängt,
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!
Sie bemerkt zwar, dass sie schön ist, aber mit dem Schmuck scheint sie noch schöner zu sein. Geht das denn? Naja, nein. Der Schmuck steht symbolisch für ein finanzielles Vermögen. Gretchen ist eben keine "Edelfrau" und kann ergo den Schmuck, den sie nicht als den ihren sieht, auch nicht "zum höchsten Feiertage" tragen. Sie kann keine (hohe) Mitgift mit in eine Ehe bringen. Über den Schmuck drückt sie also die gesellschaftliche Relevanz von Geld aus, ohne das ihre körperliche Schönheit "schön und gut" ist, aber wenn "man" " auch alles sein" lässt, "lobt" man sie halt nur "halb nach Erbarmen". "Wir Armen" haben kein Gold (=Geld), wonach doch "alles" drängt.
Und durch diese Gedanken ist Gretchens Sehnsucht nach Heirat - und damit verknüpft als Mittel zum Zweck - die niedere Begierde nach Reichtum geweckt. Und schon hat Faust eine Mölichkeit, an sie, die vorher unantsastbar war, heran zu kommen.
Nur meine persönliche Interpretation.
Budoka_Dante
31-01-2012, 15:21
Oh danke, das hilft mir schon weiter :)
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